Als die Gillenfelder ihren Schultheißen jämmerlich verprügelten

Von Dr. Peter Neu, Bitburg

Anfang des Jahres 1791 charakterisierte ein Arenberger Beamter die Situation in Gillenfeld mit folgenden Worten: »Dieses dorf Gillenfeld hat eine gute läge. Seine bewohner könnten glücklich sein und sich mit ihren familien gemächlich ernähren, wenn der geist der unruhe, des Ungehorsams und der Widerspenstigkeit nicht so weit dort eingerissen wären, daß alle recht und gerechtigkeit in der ausübung gehemmet wären und aller glaube und vertrauen wirklich aufhörte.« Diese Beschreibung lässt darauf schließen, dass zwischen dem Dorf Gillenfeld und der deutschen Regierung des Herzogs von Arenberg nicht immer eitel Sonnenschein herrschte.

Im Laufe des 17. Jahrhunderts hatte der Herzog von Arenberg die Vogtei Gillenfeld an sich gebracht. Auch wenn der Kurfürst von Trier dem Herzog seine Rechte streitig machen wollte, so blieb Arenberg dennoch bis zum Einmarsch der französischen Revolutionstruppen 1794 im Besitz seiner Rechte in Gillenfeld. Mit der Zugehörigkeit zu Arenberg aber hatten die Gillenfelder ihre Probleme. Sie im einzelnen hier wiederzugeben, würde zu weit führen. Vor allem warfen die Gillenfelder der Arenberger Regierung vor, das alte Dorfweistum, in dem die Rechte des Ortes niedergeschrieben seien, zu missachten. Von einem Ereignis, in dem sich der Konflikt Arenberg - Gillenfeld deutlich spiegelt, sei hier berichtet.

Im Jahre 1788 hatte der Herzog einen neuen Schultheißen in Gillenfeld eingeführt. Es war ein junger Jurist namens Dehard, der aus Lieser stammte. Der Arenberger Regierungsrat Custodis war eigens zur Amtseinführung im Ort erschienen. Bis zum Herbst 1790 blieb es ruhig um den neuen Schultheißen. Am Markttag, dem 21. September 1790, kam es dann aber zu einer unvorhersehbaren Zuspitzung der Lage. Nach den Arenberger Unterlagen wurde an diesem Tage Dehard »das opfer der Gillenfelder wuth und raserei«. Der junge, unverheiratete Schultheiß hielt sich im Hause des Theodor Horst auf, wo er eine Wohnung gemietet hatte. Vor dem Hause versammelten sich die sogenannten »Gillendorfer Pferdsbuben« und rührten unablässig die Trommel. Diese Trommel nutzten sie sonst dazu, »ihr vieh zur hut zusammenzurufen«. Schließlich ertönte der Ruf: »Dehard heraus!« Dehard schaute zum Fenster hinaus, merkte dann sehr schnell, wem der Trommelwirbel galt und dass die Lage für ihn ernst wurde. Er verkroch sich daraufhin im Keller. Die Burschen aber hatten Dehard am Fenster erkannt. Als er nicht nach draußen kam, stürmten sie in das Haus und fanden den Arenberger Beamten schließlich in seinem Versteck. Der Jurist fragte die Jungen, was sie von ihm wollten. Unter Stößen und mit lautem Gejohle führten die Dorfjungen den Arenberger Beamten zu Bürgermeister Jakob Welter. Der aber war zu Hause nicht anzutreffen - vielleicht hatte er sich auch rechtzeitig aus dem Staub gemacht, denn jeder in Gillenfeld merkte inzwischen, was vor sich ging. »Es ist ja keine Hilfe!« rief Dehard. »Alsdann... die ganze Truppe mit peitschen auf ihn geschlagen und gesagt, sie wollten ihn nach Arburg führen. Schließlich... durch eine menge menschen... mit gewalt hinausgeführt und unter trommeln, Spötterei, geschrei, stoßen und schlagen gleich einem viehe aus dem ort Gillenfeld und dem jurisdictionsbezirke bis ins Trierische unweit der sogenannten Saxler Mühle gebracht.« Dort erst ließen die Gillenfelder von dem arg geschundenen Arenberger Beamten ab. Der Müller nahm den verwundeten Schultheiß auf und ließ den Mediziner aus Manderscheid rufen. Der fand Dehard in einem Zimmer »ganz matt und kraftlos liegend«. Verletzungen am Kopf, an den Oberarmen und an der Kniescheibe stellte er fest. Am schlimmsten aber sah der Rücken aus: »Den ganzen rücken vom hals an bis an die lenden aufgelaufen und geschwollen, schwartz und blau, dass man nicht anders erkennen kann, als dass solche Verletzungen durch schlage angebracht seyn.« Dehards Verletzungen waren derart, dass der Mediziner schriftlich festhielt, dass er »weder gehen noch stehen, ja sogar nicht vor schmerzen liegen« könne. Dass diese Tat ein Nachspiel haben müsse, war jedem klar. Die Gillenfelder suchten sich einen Rechtsanwalt. Er versuchte, die Angelegenheit in einem anderen Licht darzustellen. Nach seiner Niederschrift hatte der Schultheiß, als man ihn im Keller aufgestöbert hatte, »alle geistes-und leibeskräfte« zusammengenommen, hatte sich »durch das feindliche Heer der sogenannten pferdsbuben« hindurchgewagt und eilte »wie ein rasender in ein Wirtshaus, wo getanzt wurde, und von da zum bürgermeister«. Da er diesen nicht angetroffen habe, sei er mit »allerlei possierlichen bockssprüngen« aus dem Dorf geflüchtet. Der Anwalt stellte endlich fest: »Es ist ihm übrigens nicht das geringste leid geschehen. Keiner hat sich an ihm vergriffen. Diese kinderei und narrenpossen sind die ganze geschichte, aus der mal eine fürchterliche rebellion gemacht werden will.«

Die von dem Manderscheider Arzt festgestellten Verletzungen sprechen jedoch eine ganz andere Sprache. Die Arenberger Regierung konnte die Angelegenheit nicht auf sich beruhen lassen. Bereits im Oktober rückte eine kleine Streitmacht von der Ahr in Richtung Gillenfeld. Die Mannschaft wurde von Regierungsrat Landschütz geführt. In Gillenfeld suchte dieser zunächst den Bürgermeister auf und verlangte die Auslieferung des Burschen, der die Trommel gerührt hatte. Es war der Knecht des früheren Schultheißen Probst. Den Knecht hatte man bald aufgestöbert und führte ihn »an den haaren heraus und in arrest«. Der Knecht wurde mit einer schweren Prügelstrafe von bis zu 100 Prügelschlägen bedroht, wenn er nicht alle Mittäter nenne. Der Knecht war in einer äußerst misslichen Lage, so nannte er in seiner großen Not die anderen Dorfburschen, die zugegen gewesen waren. Sie wurden alle der Reihe nach vorgeführt. An Ort und Stelle vernahm Landschütz die Zeugen, um Klarheit in die Angelegenheit zu bekommen. Als Hauptfigur des Aufruhrs glaubte Landschütz während der Verhandlung den etwa 80 Jahre alten ehemaligen Schultheiß Probst, den Vorgänger Dehards, feststellen zu können. Probst war ein angesehener, reicher Bauer, der mit seiner Familie in Gillenfeld wohnte. Als man ihn verhaften wollte, war er nicht auffindbar. - Endlich ließ sich Regierungsrat Landschütz die Trommel ausliefern, mit der das Spektakel in Gillenfeld begonnen hatte. Da Probst nicht auffindbar war, musste das Verfahren noch ein weiteres Nachspiel haben. Der ehemalige, alte Schultheiß wurde erst im Januar 1791 in seiner Wohnung in Gillenfeld verhaftet und in Fesseln nach der Arenburg gebracht, wo der alte Mann im kalten Turmverlies eingesperrt wurde. Man machte ihm den Prozess.

 

Der Jurist Dehard hat den Angriff gegen seine Person überstanden, aber vergessen hat er ihn ein Leben lang nicht. Er lebte 1808 als Rechtsanwalt in Trier.

Die Schmach, die ihm in Gillenfeld zugefügt worden war, beschäftigte ihn auch damals noch. Voller Spott schrieb er dem blinden Herzog Ludwig Engelbert von Arenberg, dass die Gillenfelder ihr altehrwürdiges Weistum nun wohl endgültig zu Grabe getragen hätten. Auch den inzwischen verstorbenen Vorgänger, den Altschultheißen Probst, erwähnte er 1808 mit wenig respektvollen Worten. Mit einer gewissen Genugtuung meldete er dem Herzog, dass Probst vor seinem Tode noch einen Bankrott zustande gebracht hatte.

Quellen:

Landeshauptarchiv Koblenz, Abtl. 112,

Nr. 1747 und Abtl. 56, Nr. 2695.

Staatsarchiv Brüssel (Archives Generales

du Royaume), Fonds d'Arenberg, LA 5291.

Peter Neu, Die Arenberger und das Arenberger Land, Bd. 2, Koblenz 1995,

S. 411-417