»Bares Geld ist bei den Eifelern ein sehr rares Ding.«

Das Bild der Eifel in einer Reklamationsschrift des Jahres 1862

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Als die Eifel durch den Wiener Kongress (1814/15) an Preußen fiel, ahnte noch niemand, dass unser Landstrich ein Schattendasein führen würde. Die Preußen betrachteten die Eifel als Aufmarschgebiet gegen den Erzfeind Frankreich. »Preußisch-Sibirien« - so lautete eine oft verwendete Bezeichnung. Karge Böden, kalte Witterung und rückständige Menschen - so beschrieb man in zeitgenössischen Berichten das Grenzland im und zum Westen. Das durch die Landwirtschaft geprägte Eifelgebiet erlebte in den Jahren 1816/17 und 1847/48 katastrophale Ernteausfälle durch Klima bedingte Gründe. Zu allem Übel wurde das Eifelgebiet durch das Grundsteuer-Gesetz vom 21. Mai 1861 bei den Grundsteuertarifen sehr hoch eingeschätzt. Dies betraf vor allem die Kreise Adenau, Schleiden, Monschau und Malmedy. Dagegen wandte sich der für diese Kreise zuständige Abgeordnete der Preußischen Nationalversammlung Nikola Baur. In einer Reklamation an die Zentral-Kommission verglich er Kreise der Provinzen Preußen, Posen, Schlesien und Brandenburg mit den Kreisen der Rheinprovinz und kam zu dem Schluss, dass die Zentral-Kommission der Eifel nicht gerecht wurde. Er schreibt: »Ich beabsichtige durch diese Zusammenstellung klar zu machen, dass die Eifel im Allgemeinen, besonders aber die Kreise Adenau, Schleiden, Montjoie und Malmedy viel zu hoch taxiert sind - es ist bewiesen, dass in der Eifel keine Reinerträge erzielt werden. Rechnet der Bauer den Ertrag seiner Felder, so bleibt ihm höchstens ein ganz geringer Tagelohn für die von ihm selbst geleistete Arbeit überig [...] obige Taxen sind für diese arme Gegend um die Hälfte zu hoch gestellt.«

Die folgende Begründung für die hohe Taxierung wirft ein interessantes und bezeichnendes Schlaglicht auf die Situation der Eifel in den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts. Wer war der Mann, der sich so sehr für die Belange der Eifel einsetzte? Nikola Baurs Vater, aus Reifferscheid stammend, ließ sich 1802 in Adenau als Meister der Wollweberzunft nieder. Später arbeitete er als Tuchfabrikant. Sein Sohn Nikola zog 1848 als 40-Jähriger in die Preußische Nationalversammlung ein. Er gehörte zu den Vertretern des »Fortschritts« bzw. der »Demokraten«. Sein Ziel war die Verbesserung der Lebensgrundlage der Eifelbevölkerung. Um Arbeitsplätze zu schaffen, gründete er in Adenau eine Zigarrenfabrik, in der über 100 Menschen überwiegend in Heimarbeit Arbeit und Brot fanden. Bei seiner parlamentarischen Arbeit tat sich Baur als erfolgreicher Kämpfer hervor, wobei er ein glänzender Debattenredner war. Kehren wir zurück zu seiner Reklamation über die zu hohe »Veranlagung der Grundsteuer«. Hier heißt es: »Die höhere Lage der Eifel, welche mit 900 anhebt und bis auf 2.000 Fuß steigt (l Fuß = ca. 30 cm), das dadurch begründete kalte Klima, sowie eine im Allgemeinen minder ergiebige Bodenart lassen die Pflanzen um einen Monat später als am Rhein aus ihrem Winterschlaf erwachen und kümmerlich entfalten. Werden die Grundsteuersummen richtig nach Verhältniss des Reinertrags vertheilt, werden zu den Landwirtschaftskosten auch jene Arbeiten zugerechnet, welche in den Gebirgsgegenden dadurch entstehen, dass die nach dem Boden hin abgepflügte Ackerkrummen wieder obenhin gebracht werden muss, indem Aecker bei einem Gefalle von 8 Zoll schon nicht mehr aufwärts gepflügt werden können.« Es folgen Vergleiche mit weit besser gestellten (taxierten) Kreisen. So verkaufte beispielsweise allein der Kreis Jülich mehr Butter als die halbe Eifel Roggen veräußerte. Baur argumentierte weiter: »Die Landwirthe der Eifel ziehen auf ihren unfruchtbaren Ländereien höchstens nur so viel, um dürftig davon leben zu können, so dass von ihrem Produkt wenig oder gar nichts übrig bleibt. Dieselben haben daher von den allerhöchsten Preisen des Getreides gar keinen Vortheil - ja, im Gegentheil, sie müssen jedes Jahr Korn kaufen und zahlen mithin die erhöhten Preise selbst.

Nur die Viehzucht setzt den Eifeler in den Stand, seine Steuern zahlen zu können, -aber auch diese Viehzucht wird dem Eifeler durch die übermäßige, unsinnige und alles übersteigernde Anpflanzung der Viehweiden mit Nadelholz verkümmert und absolut unmöglich gemacht, so dass er für die Folge nicht mehr fähig sein wird, die Steuern zahlen zu können [...] Leidet er in einem Jahr auch nur durch eine Missernte oder den Tod seiner oft nur einzigen Kuh, oder wird ihm sein Sohn auf drei Jahre als Soldat genommen usw., so vermag sich dieser Mann auf viele Jahre nicht zu erholen. Baares Geld ist bei dem Eifeler ein sehr rares Ding, und wenn der Steuer-Einnehmer in einem Dorfe die Steuern erhoben hat, so bleibt im ganzen Orte auch kein Thaler zurück. - Die Leute haben etwa bis Ostern, je nach dem Ausfall der Ernte Korn, Kartoffel, Spelz usw. allein blanke Münze ist hier selten wie volle Ehrlichkeit bei ächten Diplomaten. Die Steuern selbst müssen baar bezahlt werden, und dies fällt dem Eifeler sehr schwer. Demnach kann der gesegnete Grundbesitzer in reicher fruchtbarer Gegend diesen Ausfall eher tragen, und so glaube ich denn mit Zuversicht eine hohe Kommission wird in dieser Beziehung gerecht verfahren.« Ob sich die Zuversicht bestätigte und ob die Grundsteuer für die Eifelkreise gesenkt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.

Quellenangabe:

Originalreklamationsschrift: »Die Veranlagung der Grundsteuer« der Kreise Adenau, Schleiden, Malmedy und Montjoie betreffend vom 24. Mai 1862 Siepmann K.E., Erfolgreich politisch tätig, in: Festschrift zu m Heimatfest Adenau 1992

Mein Dank gilt Herrn Ferdinand Müller aus Dahlem, der mir die beiden Quellen zur Verfügung stellte.