Hausmarken - die Wappen des kleinen Mannes

- Handzeichen ersetzte die Unterschrift -

Friedbert Wißkirchen, Daun

Vor 200 Jahren war die Hausmarke in allen Dörfern des Eifel- und Moselraumes ein Begriff, ja sogar nach dem II. Weltkriege war sie in vielen Orten noch in Gebrauch, wenn im Gemeindewald Holz versteigert, Fronarbeiten verteilt wurden oder die Reihenfolge für die Benutzung des Backhauses festzulegen war. Was sind aber nun Hausmarken? Die Haus- und Hofmarken sind rein lineare Figuren, die in ihren Grundformen an Runen erinnern. Später wurden den Zeichen oftmals die Initialen des Besitzers beigefügt oder die Zeichen auch mit einem Wappenschild umrahmt. Eine Hausmarke ist -vereinfacht ausgedrückt - ein erbliches Markenzeichen, das sich eine Familie zugelegt hat. Es waren persönliche Rechtszeichen, deren Ursprung bis ins frühe Mittelalter zurückreicht, noch bevor es Wappen gab. In ganz Europa finden wir die runenhaften Zeichen, die über Deutschland hinaus auch im deutschsprachigen Raum (Italien, Österreich, Schweiz), aber auch in England und Skandinavien zu finden sind.

Vor allem zur Kennzeichnung des eigenen Hab und Gut wurde das Haus- oder Hofzeichen verwendet, auf Türsturz und Hausbalken, Haushalts-, Handwerks- und Ackergeräten eingeritzt. Auch auf Grenzsteinen und Grabsteinen finden wir Hausmarken. Ja selbst das Vieh wurde mit dem Hofzeichen versehen, wenn es mit der Gemeindeherde auf die Weide getrieben wurde. Auch Handwerker kennzeichneten ihre Produkte oft mit ihrer Hausmarke und waren damit der Vorläufer eines Markenzeichens. Vor allem Steinmetze meißelten ihr Handzeichen in die von ihnen geschaffenen Werke ein. Vielfach wurde das Hausund Hofzeichen - die »Hausmark« oder das »Handzeichen« - bei Schreibunkundigen als Unterschrift verwendet. Auch darin ist begründet, dass die Hausmarke vom Mittelalter bis weit ins 18. Jahrhundert eine große Bedeutung hatte, weil die meisten Menschen nicht lesen und schreiben konnten und damit auch nicht in der Lage waren, Besitzurkunden, Schuldverschreibungen, Zeugenaussagen etc. zu unterzeichnen. Die Hausmarken auf Korn- und Mehlsäcken der Bauern waren dem Müller genauso geläufig, wie die Namen ihrer Besitzer. Die Hausmarke war auch nicht übertragbar, sondern blieb auch nach einem Eigentumswechsel an den Hof oder das Haus gebunden. Nachkommen des Besitzers der Hausmarke konnten - wenn sie nicht Haus- oder Hoferbe wurden - die Marke nur in abgewandelter Form führen, wobei darauf geachtet werden musste, dass Verwechslungen möglichst ausgeschlossen waren. Bei dem ungelenken Umgang mit dem Federkiel oder einem Bleistift dürfte dies wohl nicht ausgeschlossen gewesen sein.

Immerather Hauszeichen -

Eine der Gemeinden im Kreise Daun, in denen die Hauszeichen vollständig nachgewiesen werden können, ist Immerath. Lehrer H. Bonifas hat 1908 die Hauszeichen in der Schulchronik festgehalten und neben den Besitzern der Zeichen auch den Hausnamen (volkstümliche Bezeichnung) in nachfolgender Darstellung auf der rechten Buchseite vermerkt.

So lange das Immerather Backhaus in den 1950er Jahren in Betrieb war, verwahrte der Ortsbürgermeister Holzplättchen, auf denen die Hauszeichen eingeritzt waren. Er schüttete die Hausmarken in seine Mütze und ein Kind zog die Marken und legte damit die Reihenfolge der Nutzung des »Gemeindebackes« fest. Der Erste musste den Ofen anheizen, der Letzte den Ofen und das Backhaus säubern. Auch bei Holzversteigerungen, Zuteilungen des Gemeindelandes wurde dieses Losverfahren angewendet.

 

Die Hausmarke als Unterschrift

In vielen kirchlichen und weltlichen Urkunden vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert unterschrieben die Menschen, die weder Lesen noch Schreiben konnten, mit ihrem Handzeichen (Hauszeichen). Beim Verkauf der Bleckhausener Mühle am 3. 1. 1794 unterschrieben einige Bleckausener Bürger mit Vor- und Zunamen, andere unterzeichneten, (des) »Schreibens unerfahren, mit Handzeichen [ 8 ] Peter Sungen, mit Handzeichen [ Z ] Emrich Heins, mit Handzeichen [ # ] Hugo Wagner und mit Handzeichen

Das Wegekreuz in Wallenborn zeigt unter der Jahreszahl 1620 eine Hausmarke, die sich auch in weiteren Wegekreuzen in Hilleshelm, Meisburg und Wallenborn •findet und damit eindeutig auf den •Steinmetz und sein Handwerkszeichen hinweist.

[ V ] Anna Maria Uhler Wittib«. Im Familienbuch Bleckhausen und Schutz hat Matthias Keinen in einer umfangreichen Sammlung die Hausmarken dieser Dörfer dargestellt. In den Steininger und Hinterweiler Steuerlisten von 1702 finden sich Hausmarken, wie auch in Oberstadtfelder und Strohner Kirchenbüchern. Im Visitationsprotokoll der Pfarreien Deudesfeld von 1747 oder Niederstadtfeld von 1777 sind die Hausmarken und Namen ihrer Besitzer wie auch in den Standesamtsregistern verzeichnet. Dass die Hausmarke auch zu Verwechslungen fuhren konnte, weil die Unterscheidungsmerkmale nicht deutlich genug waren, erkennen wir an folgendem Beispiel aus dem Stadtteil Daun-Boverath. Sowohl Matthias Wendel mit

Das ehemalige Pilgerkreuz am Holzmaar bei Gillenfeld zeigt m der Mitte in einem Wappenschild die •Hausmarke des verstorbenen Pilgers, begleitet von den Initialen Hubertus Heinzen aus Ahrweiler.

dem Handzeichen [ V ] als auch Jakob Schneider mit seinem Zeichen [ v ] unterschieden sich nur unwesentlich durch die Größe voneinander. Auch in Mückeln verwendeten 1702 Theis Berenz [ H ] und Johann Leonhard Neumann mit [ H ] fast die gleichen Handzeichen. Es könnte durchaus sein, dass das Zeichen von Theis Berenz ein abgeleitetes Zeichen des ursprünglichen [ H ] ist. Wurde ein Haus verkauft oder vererbt, ging das Hauszeichen an den neuen Besitzer bzw. Erben über. Dass ein Hauszeichen durch Besitzerwechsel des Hauses übergegangen sein muss, erkennt man an einem Beispiel aus Meisburg. 1776 führte Heinrich Plontzen das Zeichen [w] in Form eines Zirkels mit gebogenem Mittelstrich. 1759(?) soll Matthias Becker das gleiche Zeichen geführt haben. Hierbei handelt es sich um eine falsche Jahresangabe, denn ein Matthias Becker ist laut Ahnentafel erst 1841 geboren und der Urenkel des Heinrich Plontzen. Also übernahm Matthias Becker das Haus und Hauszeichen seiner Vorfahren.

Hausmarkenformen

Forscher, die sich mit Hausmarken beschäftigt haben, sehen den Ursprung in der Runenschrift, die aus Skandinavien kommt und dort bis ins 18. Jahrhundert gebräuchlich war.

Diese runenartigen Zeichen wurden auch mit Beistrichen versehen, wenn eine Unterscheidung vom Hauptzeichen notwendig war, also mehrere Kinder das Zeichen in abgewandelter Form verwenden wollten. In Bleckhausen führte Nikolaus Billen 1783 das Hauszeichen [ A ]. Wöhlems Matthias (1788) hatte als Handzeichen [ IA ] und Wilhems Peter (1788) führte das Zeichen [ AI ], beide Zeichen sind von der Hausmarke Billen [ A ] abgeleitet und mit Beistrichen vorn bzw. hinten versehen. Manchmal findet man auch die römischen Zahlen als Hausmarke, oder sie wurde durch Beistriche ergänzt und verändert [ V ] -[XX] oder [M]-[M II].

Zur Unterscheidung - wahrscheinlich auch zur besseren Erkennung - wurde später den Zeichen der Hausmarke auch das Namensmonogramm, die Initialen des Besitzers, beigefügt oder der Besitzer verwendete seine Initialen als Hausmarke z. B. [ S:S: ] = Simon Schotz, Bleckhausen (1706). Manchmal findet sich das Hauszeichen, begleitet von den Initialen, in einem Wappen, wie am Pilgerkreuz in Gillenfeld deutlich wird, das einst am Holzmaar stand, aber inzwischen leider verschwunden ist.

Schließlich findet man auch häufig geometrische Formen (d-o-a- u.a.) als Hausmarke, wie das Beispiel Maria Schieferenz, Bleckhausen (1822) mit [O] zeigt. Die Hauszeichen von Johann Dewalt aus dem Dauner Stadtteil Rengen (1702) [A] oder Pütz Dewald vom Hof Sprink [<¥*] erinnern an heutige Wegweiser und Verkehrszeichen. Eine bildliche Darstellung seines Namens verwendete der Müllermeister Jakob Maus von der Mausenmühle bei Deudesfeld. Im Zehntregister (um 1770) wird das Hauszeichen des Müllers mit einem einfachen Strichbild einer Maus dargestellt

Wenn man aber bedenkt, dass das Schreibwerkzeug nicht mit heutigem vergleichbar ist und auch die Schreibfähigkeit unterentwickelt war, konnten Verwechslungen nicht ausbleiben. Nach Einführung der allgemeinen Schulpflicht verloren die Hausmarken als Unterschriftszeichen ihre Bedeutung. Es wäre schön, wenn möglichst viele Heimatforscher die Hausmarken aus ihrer Gemeinde wiederentdecken und aufzeichnen würden, um sie als Kulturgut für die Nachwelt zu erhalten. Bei der Aufzeichnung ist jedoch mit großer Sorgfalt vorzugehen. Vor allem sollten die Originale (Fotografien, Fotokopien) als Vorlage herangezogen werden. Die Immerather Marken, die in den 1960er Jahren von G.J. Meyer in einem Aufsatz aufgezeichnet wurden, weisen in zwei Fällen Abweichungen vom Original auf.

Quellen:

Walter Leonhard, Das große Buch der Wappenkunst, Augsburg 1978 ( Aufl. 2000) G.J. Meyer, Trier, Aufsatz: Hausmarken und verwandte Zeichen, ohne Jahr Dr. Karl August Seel, Die Hausmarken von Bodendorf, aus dem Internet Matthias Heinen, Familienbuch der katholischen Pfarrei Bleckhausen (mit Schutz) von 1541 bis 1900, Köln 2000 Archiv VG Daun - Akte Immerath -