Tierseuchenbekämpfung zum Jahrtausendwechsel

Dr.

Wolfgang Naujok, Neroth

Zum Ende des letzten Jahrtausends wähnte man sich in dem trügerischen Glauben, dass Tierseuchen keine große Bedeutung mehr haben. So gelten Tuberkulose sowie Brucellose als getilgt und die letzte flächendeckende MKS-Impfung wurde zum letzten Mal 1991 durchgeführt. Große Anstrengungen wurden auch hinsichtlich der Sanierung von Hausschweinebeständen bezüglich der Aujeszkyschen Krankheit (AK) unternommen, so gilt Rheinland-Pfalz seit einigen Jahren als amtlich AK-frei. Diese vermeintlichen Erfolge führten letztlich zu der irrigen Annahme, dass jede Seuche früher oder später in der ein oder anderen Form in den Griff zu bekommen sei. Ein Leben ohne Seuchen schien Realität zu werden. Seuchenhygiene wurde sträflich vernachlässigt, selbst einfachste Spielregeln der Hygiene wurden negiert. Der Handel über die ehemals nationalen Grenzen hinweg florierte prächtig. Gleichzeitig dazu wurden innergemeinschaftlich fast alle Handelshemmnisse abgebaut, denn ein freier Tierverkehr musste ermöglicht werden. Bisher dato notwendige Untersuchungen wurden vor dem Hintergrund der Seuchenfreiheit der Länder gestrichen, Grenzkontrollen entfielen. Damit war und ist es möglich, Tiere innerhalb von nur einem Tag über ganz Europa zu verteilen. So werden z.B. Kälber aus hiesiger Region innerhalb von Stunden nach Belgien und den Niederlanden vermarktet. Parallel dazu erfolgte der Abbau der staatlichen Tierseuchenbekämpfung, denn deren Aufgabengebiet beschränkte sich zunehmend nur noch auf die Seuchenprophylaxe, also die vorbeugende Tierseuchenbekämpfung. Die deutschen Tierseuchenbekämpfungsstrategien (rasch, eng, streng) wurden seit Mitte der neunziger Jahre auf EG-Recht umgestellt, besser: Sie wurden harmonisiert. Auch die EG räumt der vorbeugenden Tierseuchenbekämpfung Priorität ein. Sie geht allerdings bei einem Ausbruch nach dem Prinzip 1. Stamp out (Keulen allerdings eher mehr, als zu wenig) und 2. Stand still (Ruhen sämtlichen Tierverkehrs). Daraus resultiert folgendes Problem: Während sich vor 1-2 Jahrzehnten noch die Bekämpfung örtlich abspielte, so sind heute schnell ganze Regionen betroffen. Dem früheren Viehhandel, der sich regional abspielte, steht heute ein liberalisierter europäischer, in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit ablaufender Viehhandel gegenüber.

Die als Fortschritt gepriesene Entwicklung erfuhr zu Beginn des neuen Jahrhunderts/ Jahrtausends jedoch einen herben Rückschlag. So waren Tuberkulose sowie Brucellose zwar ausgerottet und andere klassische Seuchen wie Schweinepest, Tollwut, Maul- und Klauenseuche waren längere Zeit nicht mehr aufgetreten, doch nun kehrten sie zurück, aber nicht so, wie man sie vielleicht erkannt hätte bzw. gewohnt war. Klassische Symptome waren nur selten wenn überhaupt nicht zu sehen, dagegen standen häufig unspezifische Krankheitserscheinungen im Vordergrund, so dass eher an andere Krankheiten als an anzeigepflichtige Seuchen zu denken war. Häufig wurde die Seuche eher im Labor als anhand der klinischen Symptome im Bestand festgestellt. Was nicht kommen sollte, kam dann. So wurden Seuchen wie die Schweinepest oder Maul- und Klauenseuche (MKS) entweder nicht erkannt oder im ersteren Fall sogar vertuscht. Durch den immensen Handel erfolgte die Weiterverbreitung der Seuche. Erinnert sei an den Schweinepest-Seuchenzug in den Niederlanden oder die Maul- und Klauenseuche in England. Auch andere unbekannte Seuchen tauchten auf. Hier sei stellvertretend die BSE (Bovine Spongiforme Encephalopathie) genannt, die ein Umdenken bei allen erforderte, da zwischen Infektion und Ausbruch mehrere Jahre liegen können (vgl. AIDS beim Menschen).

Europäische Schweinepest (ESP)

Mit Beginn des Jahres 1999 wurde die Schweinepest in die Wildschweinpopulation der Eifel eingeschleppt. Ausgehend von dem Ausbruchsort Giersdorf im Kreis Bitburg-Prüm breitete sich die Seuche rasant aus und erfasste schließlich bis Mitte 2000 schon weite Teile der Kreise Bitburg und Daun sowie einige nördliche Gebiete des Landkreises Wittlich. Um die Weiterverbreitung innerhalb der Schwarzkittelpopulation zu verhindern, wurden die Jäger zum verstärkten Abschuss, insbesondere der Frischlinge aufgefordert. Bei allen geschossenen und verendeten Wildschweinen erfolgt bis zu ihrer Freigabe die Untersuchung auf Schweinepest. Dazu wurden vom Kreis Wildannahmestellen mit Kühlboxen und Aufbruchstellen eingerichtet, derzeit unterhält der Kreis fünf solcher Anlagen, in Kelberg, Steffeln, Walsdorf, Mehren und Wallenborn. Ende 1999 sprang die Seuche zum ersten Mal in einen Hausschweinebestand über, betroffen war Mauel im Kreis Bitburg. Zum ersten Mal wurde die Region nunmehr mit dem neuen europäischen System der Bekämpfung (Stamp out, Stand still) konfrontiert. Die Schweinepopulation im Ausbruchsort wurde eliminiert, im Umkreis von bis zu zehn km ruhte der Schweineverkehr für mehrere Wochen. Alle Schweinebestände wurden mehrfach untersucht, bis letztendlich die Sanktionen wieder aufgehoben werden konnten. Ein spezielles Krisenmanagement/ Krisenzentrum musste in der Kreisverwaltung Bitburg eingerichtet werden, um die umfangreichen Bekämpfungs- und Überwachungsmaßnahmen zu koordinieren. Im Jahre 2000 mussten beide Wildparks im Kreis Daun ihre Wildschweinhaltung einstellen, nachdem Anzeichen für einen Verdacht vorhanden waren.

Im Laufe des Jahres 2000 wurden die gemaßregelten Gebiete im Landkreis Daun schließlich bis zur Landesgrenze nach Nordrhein-Westfalen erweitert. Im August 2000 wurde im Kreis Wittlich in zwei Hausschweinebeständen Bruch und Minderlittgen die Schweinepest festgestellt, und auch hier erfolgten wieder Bestandskeulungen und Stand-Still (Ruhen des Schweineverkehrs) in den Sperr- und Beobachtungsgebieten.

Ab 2001 breitete sich die Seuche dramatischer denn je aus, sie erreichte über den Kreis Trier-Saarburg das Saarland. Ab Mitte 2001 wütete die Seuche auch wieder im Osten des Kreises Daun, wo die Seuche insbesondere die Frischlingsgeneration komplett vernichtete. Zum Jahreswechsel 2001/2002 wurde die östliche Grenze der gemaßregelten Gebiete bis in die Kreise Mayen-Koblenz und Ahrweiler verlegt. Auch wurden zum Jahreswechsel 2001/2002 mehrere Ausbrüche in Hausschweinebeständen gemeldet: ein Ausbruch im November 2001, mehrere Ausbrüche im Januar bis März im Kreis Bitburg-Prüm. Auch im angrenzenden Luxemburg brach die Schweinepest in mehrere Hausschweinebestände ein. Diese dramatische Entwicklung veranlasste die Landesregierung nun doch, die Impfung der Wildschweine (im Rahmen eines von Seiten der EU-Kommission genehmigten Impfversuches) ab Februar 2002 vorzunehmen. Die Impfaktion ist auf mehrere Jahre hin ausgelegt und beinhaltet eine dreimalige Doppelimpfung im Jahr. Der verschärfte Abschuss der Schwarzkittel sollte beibehalten werden.

BSE-Krise

Ende 2000 führte die BSE-Krise in Deutschland zu einem Totalzusammenbruch des Rindfleischmarktes. Was war geschehen? BSE war an sich nicht unbekannt, denn seit Beginn der 90er wütete diese Seuche in Großbritannien, mit ihrem Höhepunkt im Jahre 1994. Trotz aller damals getroffenen Vorsichtsmaßnahmen ist der Erreger in irgendeiner Form (vermutlich durch kontaminiertes, nicht ordnungsgemäß erhitztes Tiermehl) auf den Kontinent gelangt, denn bereits vor 2000 meldeten einige europäische Länder wie Frankreich und die Schweiz BSE-Ausbrüche. So war es letztendlich ein Traum bzw. ein Irrglauben, dass Deutschland und insbesondere Rheinland-Pfalz verschont bleiben würden. Die ersten Fälle in Deutschland lösten dann eine noch nie da gewesene Hysterie aus, die den Rindfleischmarkt und Rinderhandel zum Erliegen brachte. Die Reaktion der Überwachungsbehörden ließ nicht lange auf sich warten. Alle Schlachtrinder mit einem Alter über zunächst 30, später 24 Monate mussten vor einer Freigabe auf BSE untersucht werden. Zum Jahreswechsel 2000/2001 wurden vom Veterinäramt alle 650 rinderhaltenden Betriebe auf das Vorhandensein von Futtermitteln mit unerlaubten Inhaltsstoffen überprüft.

Die ersten Fälle in Deutschland wie auch in Rheinland-Pfalz wurden von einem derartigen Presserummel begleitet, der insbesondere die eigentlich Geschädigten, nämlich die Landwirte an den Rand ihrer Existenz drängte. Besonnenheit und Schutz der Betroffenen prägten dann allerdings die Abwicklung der weiteren BSE-Fälle in Rheinland-Pfalz. Die Presse ihrerseits meldet jetzt nur noch den Fall, nachdem das zuständige Ministerium für Umwelt und Forsten in Mainz auch keine weitergehenden Angaben zum Bestand und Ort macht.

Ab Dezember 2000 mussten wie bereits geschildert alle Schlachtrinder über 30, später 24 Monate auf BSE getestet werden. Diese vertrauensbildende Maßnahme führte allerdings zu einem dramatischen Anstieg der Schlachtkosten. Alle Risikomaterialien, also Material, das mit BSE-Erregern behaftet sein kann, das bei der Schlachtung anfällt wie auch alle verendeten Rinder, die im übrigen obligatorisch auf BSE untersucht werden, werden gesondert gesammelt und entsorgt, und zwar in der wieder in Betrieb genommenen Tierkörperbeseitigungsanstalt Sandersmühle.

Maul- und Klauenseuche (MKS)

Die BSE-Hysterie war noch nicht abgeklungen, da lösten die MKS-Ausbruchsmeldungen aus Großbritannien die vorherigen Schreckensmeldungen ab.

In England brach im März 2001 nach einem Jahrzehnt der Seuchenfreiheit wieder die Maul- und Klauenseuche aus. Durch den vehementen, schnelllebigen Viehhandel wie auch das Nichterkennen dieser Infektion wurde die Seuche über das gesamte Land verteilt. Die mittlerweile personell stark abgebaute englische Veterinärüberwachung stand dem Geschehen zunächst machtlos gegenüber. In ganz Europa wurden Tierärzte gesucht und in der Tierseuchenbekämpfung eingesetzt. Die Seuche sprang durch Viehverkehr in Einzelfällen auch auf den Kontinent über (Fälle in Frankreich und Holland). Nur durch eine resolute Restriktion jeglichen Viehhandels sowie einer beispiellosen Keulungsmaschinerie wurde ein Weitertragen auf den Kontinent vermieden. Hier zeigte die von der EG verfolgte Seuchenstrategie des Stamp out und Stand still dann auch ihre Wirkung, vorausgegangen war allerdings eine deutliche Aufstockung aller materiellen und personellen Ressourcen der Über-wachungs- und Bekämpfungsorgane. Auch in allen anderen europäischen Ländern wurden massive Vorbereitungen getroffen, alle Ressourcen deutlich vergrößert, um auf ein eventuelles Überschwappen der Seuche reagieren zu können. Trotzdem wäre eine Weiterverbreitung dieser Seuche einem Schock gleichgekommen. Im Falle der Festsetzung der Seuche auf dem Kontinent hätte dies fatale Folgen nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die gesamte Volkswirtschaft gehabt. Eins ist insbesondere bei der Maul- und Klauenseuche klar geworden, die Bevölkerung hat nach Jahrzehnten relativer Seuchenfreiheit den Umgang und eine realistische Einstellung zur Seuche verloren. Dies zeigten die Reaktionen bei den vermeintlichen Verdachtsfällen in Deutschland, die sich dann Gott sei Dank als Fehlalarme erwiesen. Ein Ausbruch hätte tiefe Einschnitte in das öffentliche Leben und in die Bewegungsfreiheit jedes Einzelnen nach sich gezogen. Dennoch waren bzw. sind auch hier regional die Auswirkungen von BSE und MKS zu spüren: - der Abwärtstrend in der Landwirtschaft geht weiter, die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe nimmt deutlich ab. Der Rindfleischmarkt und auch der Handel waren zeitweilig fast zum Erliegen gekommen.

Der traditionelle Hillesheimer Viehmarkt, der ohnehin schon vorher (trotz aller veterinärrechtlichen Erleichterungen) um seine Existenz kämpfte, hat sich von der vorübergehenden Schließung wegen MKS und der BSE-Krise nicht mehr erholt.

Fazit:

Nach jahrelanger vermeintlicher Seuchenfreiheit kehren zum einen die alten Seuchen wieder zurück, zum anderen bedrohen neuartige Seuchen unsere Tierpopulationen. Die heutige Tierproduktion, der vehemente Viehhandel, der Wegfall von Handelshemmnissen sowie der Wegfall der klassischen Symptome einer Tierseuche mit der damit verbundenen schwierigeren Diagnose einer Seuche machen ein Umdenken auch in der Tierseuchenbekämpfung erforderlich. Die EG setzt zum einen auf die Prophylaxe, zum anderen auf restriktive Maßnahmen wie Stamp out und Stand still, die ganze Regionen bzw. auch Mitgliedsstaaten enorm belasten können. Die Überwachungsbehörden müssen sich personell und materiell den Erfordernissen anpassen, und auch die Bevölkerung muss erkennen: Ein Leben in Seuchenfreiheit wird es trotz aller Präventionen nicht geben.