„Hercks Joakem" - ein Stadtkyller Auswanderer

Zwischen dem Stadtkyller Wirfttal und dem Interkommunalen Gewerbegebiet „Auf Zimmers" findet sich die katasteramtliche Flurbezeichnung In Herck", was soviel wie „Herrenhecke" bedeutet. In diesem Gebiet lebte Jakob Meyer mit seiner Familie in einem kleinen strohgedeckten Fachwerkhaus. Alle, die ihn kannten, nannten ihn „Hercks Joakem". Am Fachwerkhäuschen angebaut war ein Stall, in dem einige Tiere und der Heuvorrat für den Winter untergebracht waren. Meyer fristete mit seiner Familie ein karges Dasein, denn er nannte eine Kuh und ein paar Schafe sein Eigen. Sein Garten und eine Bienenzucht linderten nur wenig die Not. Im Frühjahr brachten ihm die Stadtkyller junge Kälber, damit „Hercks Joakem" diese mästete. Nur gering waren die zusätzlichen Einnahmen. Der ehemalige Stadtkyller Lehrer Heinrich Delvos weiß Folgendes zu berichten: „Eines Tages erschien bei ihm der Gerichtsvollzieher und pfändete sein einziges Rind, das auf dem Markt in Stadtkyll öffentlich versteigert werden sollte. Joakem, der das Tier führen musste, ließ den Gerichtsbeamten vor sich hergehen. Still löste er den Strick, womit er sein Rind hinter sich herzog, verprügelte damit plötzlich den ahnungslosen Gerichtsvollzieher und trieb darauf das Rind zur Herck zurück. Der Beamte, der die Flucht ergriff, kam schweißtriefend auf dem Marktplatz an und rief den wartenden Bauern zu: ,Mein Leben nicht mehr en der Hurk!'

Als er empört den Hergang seiner Flucht erzählte, konnten die Bauern ihre Schadenfreude nicht mehr unterdrücken und lachten ihn laut aus. Natürlich musste sich Joakem vor dem Richter in Prüm verantworten und entging einer Bestrafung nicht." Ende des 19. Jahrhunderts erfasste noch immer viele Eifeler das Auswanderungsfieber. Ebenso wurde Meyer vom Abwanderungstrieb ergriffen. Er verkaufte seine Mobilien und Immobilen, sprich Hütte und Weide, und dampfte 1896 mit Frau Kindern nach Amerika, dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Schließlich fand er bei Chicago eine Anstellung auf einer Farm.

25 Jahre vergingen und niemand hatte in Stadtkyll etwas von dem Auswanderer aus der Herck gehört. Nur noch die verlassene Hütte erinnerte die Einheimischen an ihn. Doch dann tauchte Hercks Joakem wieder in Stadtkyll auf.

Kurz nach dem 1. Weltkrieg besuchten er und seine Tochter zum ersten und letzten Mal sein altes Heimatdorf. Lehrer Delvos erzählt. „ Seine Altersgenossen, die Joakem noch erkannten, trotzdem das Alter und die harte Arbeit seinem Gesicht ihren Stempel aufgedrückt hatten, musste er seine Erlebnisse erzählen. Die Amerikanerin stellte er ihnen als seine in Amerika geborene Tochter vor. Dass diese außer der englischen Sprache auch Eifeler Mundart redete und verstand, war eine Legitimation, die nicht bezweifelt werden konnte.

Joakem drängte es, sein Haus in der Herck noch einmal zu besuchen, um zu sehen, was daraus geworden sei. Erfand es noch vor, aber die Zeit hatte viel Merkmale des Verfalls sichtbar werden lassen. Nur Hütekinder benutzten das verfallene Haus seit Jahren als Unterschlupf bei Regenwetter. Verwilderte Stachelbeersträucher bezeichneten noch die Stelle, wo früher ein freundlicher Garten die Zierde des kleinen Hauses war. Als Joakem an den Sträuchern Beeren erspähte, zog er freudig eine Schachtel hervor und sagte zu seiner Tochter:, Die Krüchele halle mer d'r Motter möt, die wied sich ärch freue'. Außerdem füllte er eine leere Streichholzdose mit Hercker Eifelerde, um auch diese mitzunehmen über den großen Teich, ein Zeichen, wie sehr er im Herzen noch seiner Heimat zugetan war."