Eine Reise mit Hindernissen

Oder: Verdienstvolles Auswanderer-Projekt der Regionalen Schule Kelberg

Karl Josef Tonner, Daun

Am 24.2.1877 erhielten sie die Genehmigung zur Auswanderung. Endlich konnten Michael P. Mayer und Margaretha Jax die Reise in die USA antreten.

Am 19.3.1877 erreichten sie New York, das heißt, eigentlich erreichten sie es noch nicht. Kurz vor der Einfahrt in den New Yorker Hafen hatte es sich der Kapitän des Schiffes „Rusland" noch einmal überlegt und eine andere Route eingeschlagen, weil ihm die Liegegebühren im New Yorker Hafen zu hoch waren. Die Kursänderung ließ das Schiff aber auf eine Sandbank auflaufen. Von zwei Uhr nachts bis zehn Uhr abends dauerte die Rettungsaktion, um alle Passagiere mit Gepäck an Land zu bringen. Dabei galt die Losung: Frauen und Kinder zuerst, was Margarethe Mayer gar nicht recht war. Denn so wurde sie vor Erreichen des ersten Zieles vorläufig von ihrem Mann getrennt.

Die gestrandeten Passagiere wurden mit der Eisenbahn dann doch endlich nach New York gebracht, um von dort ihre Reise wiederum mit der Eisenbahn fortzusetzen. Welche Erleichterung für diese Auswanderer im Gegensatz zu denen, die schon Jahrzehnte vor ihnen diesen Weg genommen hatten. Auch den Mississippi konnte Margarethe Mayer mit ihrem Mann mithilfe des Zuges überqueren. Das Ereignis vor der amerikanischen Küste hatte einen solch nachhaltigen Eindruck bei ihr hinterlassen, dass sie es später nicht einmal wagte, sich einem Weiher, der sich auf ihrem neuen Grundstück befand, auch nur zu nähern.

Ansonsten war die Überfahrt aber gut vorbereitet. Ihr Schwager, der Mann ihrer Schwester, hatte für das Ehepaar Mayer bereits ein Grundstück von 80 Acres (etwas mehr als 32 Hektar) gekauft, auf dem sie nach ihrer Ankunft in Minnesota ein Gebäude errichten und wohnen konnten.

Als sie in Minnesota ankamen, bekamen sie gerade noch das Ende einer mehrjährigen Heuschreckenplage mit.

1884 verkauften sie ihr Land und zogen um nach Rieh Prairie, in der Nähe des heutigen Pierz, dort bearbeiteten sie 40 Acres (etwa 16 Hektar) an Land, später kamen noch mal 84 Acres (etwa 34 Hektar) dazu. Ganz in der Nähe wohnte Johan Mund (Johann Mand), ihr Schwager, der 160 Acres bewirtschaftete. Margarethe Mayer notierte den Geburtstag und Geburtsort ihrer Kinder in einem alten Gebetbuch, das sie aus Deutschland mitgebracht hatte.

Auch sonst hielt sie noch Kontakt zur alten Heimat. Wie sie kurz vor ihrem Tod schilderte, wohnten noch zwei Brüder in Deutschland, einer davon in Mannebach, mit dem sie brieflich Kontakt hielt. Sie las regelmäßig eine deutsche Zeitung und sprach nur Dialekt. Selbst bis zu ihrem Tode hat sie kein Englisch gelernt, eine Nachfahrin hielt über das Ehepaar fest: „They never learned the English language." Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Margarethe Mayer 60 Jahre in den USA gelebt hat. Aber auch sonst behielten sie einige für Amerikaner typisch deutsche Eigenschaften. Sie legten großen Wert auf Disziplin, zeigten eine gewisse Sturheit in ihren Einstellungen und hielten sich streng an Regeln, so durfte sonntags grundsätzlich nicht gearbeitet werden, auch nicht, wenn man nur etwas Holz fürs Feuer hacken wollte. 1916 gaben sie das Land an zwei Söhne weiter und lebten in Pierz, wo Michel Mayer 1924 und Margaretha Mayer geb. Jax 1944 starb. Der Familienzusammenhalt und die Kontakte zu Bekannten aus der alten Heimat waren sicher auch in den USA noch groß. Zuerst siedelte das Ehepaar Mayer in der Nähe von Cold Springs, wo bereits die Schwester von Margaretha Mayer wohnte, später dann bei Pierz, wo Johann Mand mit einer weiteren Schwester von Margarethe eine Farm betrieb. Margarethe Jax und Michel Mayer hatten in den USA in Gegenden gesiedelt, in denen sich bereits viele Auswanderer aus der Kelberger Gegend aufhielten.

Dies zeigt auch eine Zusammenstellung über die Geschwister von Margarethe Jax.

Sie war das jüngste von neun Kindern des Ehepaares Nikolaus Jax und Anna Maria Simon aus Mannebach, drei ihrer Kinder starben jung, zwei Söhne blieben in Deutschland und vier Töchter wanderten aus.

Die älteste Tochter Maria Catharina war bereits vor Margarethe ausgewandert. Maria Catharina Jax war in erster Ehe mit Anton Hasling aus Brücktal verheiratet. Mit dem Sohn Johann, der 1868 geboren wurde, wanderte die Familie aus. Anton Hasling

 

muss kurz nach der Auswanderung gestorben sein, denn Maria Catharina heiratet in Cold Spring, Minnesota, 1872 John Fischbach. Dieses Ehepaar stellt ja auch die erste Anlaufstation für Margarethe Jax und ihren Mann dar. Nachfahren dieser Familie sind nicht bekannt. Die zweite Tochter, die auswanderte, war Anna Barbara Jax. Sie hatte 1868 Johann Mand aus Lirstal geheiratet. Das Ehepaar wanderte mit der Tochter Anna Maria, die am 29.3.1869 in Mannebach geboren worden war, aus. Vier weitere Kinder wurden in den USA geboren, die drei jüngsten starben früh. Die älteste Tochter Anna Maria Mand heiratete Peter Josef Boehmer aus Kolverath, der 1852 mit seinen Eltern ausgewandert war. Maria Mand, als zweite Tochter 1872 in Fond du Lac (Wisconsin) geboren, heiratete Nikolaus Jax aus Retterath. Mit Nachfahren dieser Familien besteht Kontakt über E-Mail.

Von Margarethes dritter Schwester ist nur bekannt, dass sie ledig in den USA gestorben ist.

Woher wissen wir heute überhaupt etwas von diesen Auswanderern?

Seit der Einrichtung eines Internetzugangs für die Regionale Schule in Kelberg gibt es das Projekt „Auswanderung aus der Verbandsgemeinde Kelberg". Über Diskussionsgruppen im Internet, das Einstellen der Daten von Auswanderern und eigene Suche wurde der Kontakt zu zahlreichen Nachfahren dieser Emigranten aufgebaut. Beverly Ophoven Ewing ist Nachfahrin der Familie Mayer/Jax und schickte ihre Familiengeschichte per Post zu. Daraus stammen der Inhalt der Geschichte und einige bilder. Auf der Internetseite der Regionalen Schule Kelberg (mit einer Suchmaschine einfach nach Kelberg und Schule suchen) findet man deshalb auch zwei Listen von Auswanderern, eine, die nur die Pfarrei Retterath betrifft, und eine zweite für den Rest der Verbandsgemeinde. Im letzten Schuljahr wurde von Schülern der 9. Klassen auch eine Datenbank entworfen und mit den bis jetzt ermittelten Daten gefüllt. Um ein möglichst vollständiges Bild der Auswanderung zu erhalten, umfasst die Datenbank nicht nur Namen, Wohnort, Geburtsjahr und das Auswanderungsjahr der Emigranten, sondern auch den Reiseweg, den Namen des Schiffes, das Datum der Ankunft und die ersten Stationen ihres Lebens in der neuen Heimat. Zudem wird festgehalten, ob es Kontakt zu Nachfahren und weitere Spuren in Form von Briefen, Reisepässen, Fotos oder Erzählungen gibt.

Eine wichtige Grundlage für diese Datenbank bildet der Aufsatz „Emigration Records from the German Eifel Region 1834- 1911 "von Dr. Hanns Egon Freund, der seinerseits auf Daten zurückgreift, die von Dr. Joseph Scheben zusammengestellt worden waren. Hier sind alle Personen aus dem ehemaligen Kreis Adenau aufgeführt, von denen Unterlagen über ihre Auswanderung in den damaligen Ämtern und im Kreis vorhanden waren. Weitere Daten ergeben sich aus den Kontakten über das Internet.

Bis jetzt sind für die Verbandsgemeinde Kelberg etwa 1400 Personen erfasst. Aus einigen Dörfern sind besonders viele Menschen ausgewandert. Im Verhältnis zur heutigen Einwohnerzahl wanderten die meisten aus Kirsbach (110) aus, gefolgt von Brücktal (62), Reimerath (50), Arbach(114), Drees (114), Oberelz (105), Nitz (32) und Retterath (194). Trotz der bereits hohen Zahl an Auswanderern gibt es noch einiges zu entdecken und zu beantworten. Wer etwas dazu beitragen kann oder Auskünfte haben möchte, kann sich gerne an die Schule in Kelberg wenden. Die Namen der anderen Auswanderer aus dem Kreis Daun erfährt man auf der Seite der Gemeinde Kradenbach unter www.kradenbach.de. Herr Helmut Pauly, Bürgermeister der Gemeinde, ist bereit, auch weitere Namen von Auswanderern in die Datenbank aufzunehmen, um die Auswanderer des Kreises Daun möglichst vollständig zu erfassen.

Die Daten über Auswanderer aus dem Kreise Daun, die Josef Mergen vor etwa 40 Jahren veröffentlichte, sind bereits in die Datenbank aufgenommen worden.