Die Waldschnepfe

Ein scheuer und gut getarnter Waldbewohner

Heinz Hürth, Steffeln - Auel

Eine vierunddreißig Zentimeter große gedrungene Schnepfe (Scolopax-rusticola), mit dickem Kopf und langem kräftigen Schnabel, Augen groß weit oben am Kopf, Gefieder braun oder falllaubfarben, Oberseite rostbraun, schwarz und hellgrau gemustert, auf dem Scheitel drei bis vier Querbänder, Unterseite weißlich mit braungrauer Querwellung, Färbung bei den Geschlechtern gleich. Im Flug dick und halslos wirkend, breite und runde Flügel, Schnabel weist meist schräg nach unten.

Gewicht sehr unterschiedlich (180 bis 500 Gramm), Stimme außerhalb der Brutzeit fast stumm, bei der Flugbalz dumpf (»uorrt, uoort, uoort«), was in der Fachsprache als Quorren bezeichnet wird, gleich darauf scharf (»psiwik, psiwik, psiwik«), »Puiten« genannt, bei der Bodenbalz »bi-bi-bi-bi«, im Flug manchmal von beiden »äch-äch-äch«.

Ihr Lebensraum sind die Niederungen der Wälder, gleich ob Laub- oder Nadelwald, wenn nur moorige und buschige Strecken den geschlossenen Wald unterbrechen. Wo unter Erlen, Weiden und Buchen das alte Laub sich aufhäuft, wo Brombeersträucher, wilde Rosen und anderes Gesträuch dichte Hecken bilden, sucht man sie in großen Wäldern nicht vergebens. Ihr Federkleid ist der Umgebung angepasst, infolgedessen wird das Verstecken für sie nicht schwer. Sie fliegt gut aber ungern und fällt, wenn sie sich vor den Verfolgern einmal erhoben hat, sehr bald wieder in das Buschwerk ein, oder kehrt in einem großen Bogen zu ihrem Ausgangspunkt zurück. In der Regel verlässt sie sich aber auf ihr Tarnkleid und versteckt sich. Unsere Waldschnepfe ist äußerst scheu und misstrauisch, sie ist selten am Tage im Freien sitzend oder stehend zu sehen. Bei Gefahr drückt sie sich platt an den Boden zwischen Gehölz oder Laub. Dieses Niederdrücken oder -ducken ist ein Liegen auf Brust und Bauch mit untergezogenen Füßen, eingezogenem Hals, niedergebogenem Kopf, wobei die Schnabelspitze auf die Erde gestützt wird. So sind Farbe und Zeichnung des Gefieders ein sicherer Schutz gegen spähende Blicke ihrer Feinde, weil sie ihrer Umgebung völlig gleicht. Den Tag über liegt sie meist im Versteck, kommt mit der Abenddämmerung hervor und begibt sich aus dem Dickicht auf Waldwege, Waldwiesen, an sumpfige freie Stellen, aber auch auf nasse Äcker oder Viehtriften, die an den Wald grenzen. Hier geht sie ihrer Nahrungssuche nach, bis es völlig finster geworden ist. In der Morgendämmerung bis fast zur Tageshelle ist sie wieder tätig. Regenwürmer, Schnecken, Insekten und deren Larven bilden ihre Nahrung, wobei sie ihren langen Schnabel unter das Laub schiebt und handgroße Klumpen umwendet und durchsticht; dabei dringt sie bis zu den Nasenlöchern in die Klumpen ein. Der Schnabel ist ein so sensibler Gefühlsapparat, dass er die Nahrungstiere ertasten kann, ohne sie zu sehen. Bei der Futtersuche beschäftigt sich der Vogel lange an einer Stelle, läuft wenig oder gar nicht umher. Am Tage ist das ganz anders, da schleicht sie nur im Verborgenen und verlässt aus eigenem Antrieb ihr Versteck nicht.

Unsere Waldschnepfe ist Zugvogel, ihr Überwinterungsgebiet liegt im mittleren und nördlichen Afrika. Kaum hat der Frühling begonnen, ist die Waldschnepfe eine der ersten Rückkehrer. Die ersten Schnepfenankünfte sollte kein Naturfreund verpassen, denn bald nach der Ankunft beginnt die Balz, auch Schnepfenstrich genannt, bei der man gute Aussichten hat, die Vögel zu beobachten. Weil schon während der Balz das Brutgeschäft beginnt, sind die Flugspiele nur kurze Zeit zu sehen.

Auf ihrem Flug in das Winterquartier werden in Italien, auf Malta und auch in Frankreich noch jährlich eine Million Schnepfen geschossen, in Deutschland hingegen wesentlich weniger. Die Umstellung der modernen Forstwirtschaft auf Mischwälder begünstigt die Entstehung von neuen Brutvorkommen.