GEMEINDEPORTRAIT „KELBERG"

Brigitte Bettscheider, Kelberg

Die Geographiestudentin Barbara Kürsten aus Barweiler (Kreis Ahrweiler) hat im Februar 2002 der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn ihre Diplomarbeit vorgelegt. Darin dokumentiert sie fundiert die Attraktivität des Kleinzentrums Kelberg. Ausgangspunkt der 100-seitigen Analyse ist der Blick auf die Bevölkerungsentwicklung von 1970 bis 1999. Als „bemerkenswert" kommentiert Barbara Kürsten den Bevölkerungszuwachs von über 60 Prozent in diesem Zeitraum und einen Anstieg von rund 30 Prozent in der Gruppe der unter Sechsjährigen in den Jahren 1995 bis 1999. Gleichzeitig konstatiert sie für die drei zurückliegenden Jahrzehnte die Ausweisung von 274 Baugrundstücken in Kelberg und den Ortsteilen Hünerbach, Köttelbach, Rothenbach mit Meisenthal sowie Zermüllen. Baugrundstücke allein haben aber nicht zwingend Bevölkerungszuzug zur Folge, erkannte die Studentin und machte sich auf die Suche nach anderen Gründen für die Attraktivität von Kelberg. Barbara Kürsten führte Gespräche, ging durch den Ort, recherchierte in der Literatur und im Internet, wertete Statistiken aus und stellte eine im September 2001 durchgeführte Fragebogenaktion in den Mittelpunkt ihrer Analyse. 177 Haushalte in Neubaugebieten Kelbergs und der Ortsteile wurden in die Befragung einbezogen, 116 Fragebögen kamen ausgefüllt zurück. Danach rangieren bei den Motiven für die Wahl Kelbergs als Wohnstandort die Möglichkeit zur Bildung von Wohneigentum, die Nähe zum Arbeitsplatz, die Belange der Kinder, das Leben im Grünen sowie die Nähe zu Freunden und Verwandten auf den vorderen Plätzen. Die Basis, auf der all diese Motive auf-

Das Rathaus

 

bauen, sei eine solide örtliche Infrastruktur, besonders in den Bereichen Bildung und Einzelhandel/Dienstleistungen, fand die Diplomandin heraus. Dass über 40 Prozent der Befragten angegeben hätten, es gebe keinen Nachteil an Kelberg, lasse den Schluss auf ein ausgesprochen hohes Maß an Zufriedenheit zu, heißt es in Barbara Kürstens Fazit. Für eine Entwicklung Kelbergs zur „Stadt auf dem Land" gebe es zurzeit keine Hinweise.

Am 30. April 2002 waren bei der Verbandsgemeindeverwaltung 2007 Einwohner mit Hauptwohnung in Kelberg und den Ortsteilen gemeldet; weitere 118 Personen haben eine Nebenwohnung. Für den Ortskern von Kelberg sind das 1418 Bewohner, in den Ortsteilen leben 96 (Hünerbach), 245 (Köttelbach), 163 (Rothenbach und Meisenthal) und 203 (Zermüllen). Was jüngst Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung einer jungen Studentin war, wurde von Erzbischof Routbert von Trier urkundlich erstmals im Jahr 943 als „Kelenberga" erwähnt. Auf die wachsende Bedeutung der Siedlung weisen zahlreicher werdende urkundliche Nachrichten seit Beginn des 13. Jahrhunderts hin. Die Reformation machte sich, da Kelberg zum katholisch bleibenden Trierer Land gehörte, kaum bemerkbar, wohl aber die Heimsuchungen spanischer und schwedischer Truppen während des 30-jährigen Krieges, an dessen Ende die Feuerstellen bis zu 50 Prozent zurückgegangen waren. Steuerlisten aus dem Jahr 1651 weisen für Kelberg 20 Feuerstellen, fünf Pferde, fünf Kühe, 15 Morgen Ackerland und 11 Fuder Heu aus. An die verheerenden Seuchen im Schlepptau der Soldaten erinnern heute eine Reihe von Pestkreuzen, darunter das „Spitze Kreuz". (Foto) Die Neuordnung durch den Wiener Kongress führte Kelberg und Umgebung 1815

Der Marktplatz mit dem Brunnen, in dem sich bewegliche Bronzeplastiken des Bildhauers Christoph Anders (Senheim) befinden

preußischer Verwaltung zu. Wir gehörten zum Kreis Adenau und wurden Amtssitz. Das Straßen- und Wegenetz wurde ausgebaut. Der Anschluss an das Eisenbahnnetz misslang, aber die Posthalterei galt als bedeutend und zentral. Kelberg entwickelte sich zum Marktort mit 13 Markttagen im Jahr. Wo heute Grundschulkinder Pause machen, befand sich bis in die 1920-er Jahre der „Säumarkt". Und wo heute als gepflegter Park (Foto) das „grüne Herz" Kelbergs schlägt, trafen sich Bauern aus nah und fern zum Viehmarkt.

Als die Erlasse und Verbote der nationalsozialistischen Regierung das kulturelle und kirchliche Leben lahm zu legen versuchten, als schließlich der Krieg ausbrach, war es auch mit der Markttradition vorbei. Versuche, sie in den 50-er Jahren wiederzubeleben, scheiterten. Inzwischen - seit der damalige Ortsbürgermeister Hermann Molitor 1984 den Ostermarkt eröffnete - gibt es wieder Märkte in Kelberg, darunter der auch überregional bedeutsame Kunsthandwerkermarkt der Töpferei Serocka am ersten Augustwochenende (Foto). Wichtiger Faktor in der Stabilisierung der Markttradition ist der 1993 gegründete Gewerbe- und Verkehrsverein unter Leitung von Alfred Börsen.

Den schrecklichsten Tag seiner Geschichte erlebt Kelberg am 16. Januar 1945. Um die Mittagszeit wird das Dorf von 36 Schnellbombern angegriffen

 

Das Spitze Kreuz aus dem 17. Jahrhundert

und in kurzer Zeit zu zwei Drittel zerstört. „Kelberg ist im Herzen zerstört, ein furchtbarer Anblick ... Die Bevölkerung streift in den Wäldern umher oder sitzt in Höhlen und schlechten Bunkern," ist in der Pfarrchronik zu lesen.

15 Zivilpersonen und 40 Soldaten verlieren ihr Leben. Auf die „Opferbereitschaft und den unermüdlichen Fleiß der Bevölkerung und der Verwaltungsorgane" fuhrt der Ortschronist Hermann Molitor die Schaffung des neuen Dorfbildes zurück: Wanderwege, Waldlehrpfad, Warmwasserfreibad, Kinderspielplätze, Schutz- und Grillhütten, fünf Hotels, 20 Privatpensionen ... Zur Gemarkung Kelberg gehören 2462 Hektar Land, knapp die Hälfte ist bewaldet. Kelberg ist staatlich anerkannter Luftkurort. Seit 1970 bilden die ehemals selbstständigen Gemeinden Kelberg, Hünerbach, Köttelbach, Rothenbach-Meisenthal und Zermüllen im Kreis Mayen die Gemeinde Kelberg und sind seither dem Landkreis Daun zugeordnet. Kelberg ist Sitz der Verbandsgemeinde. Das 1905/06 errichtete Rathaus erhielt in den Jahren 1998 bis 2000 einen architektonisch viel gelobten Anbau (Foto).

Im Juli 2000 gab es über 700 Arbeitsplätze in mehr als 70 Betrieben, Geschäften, Verwaltungen. In die Neugestaltung des Ortsmittelpunktes sind Investitionen von etwa zehn Millionen Euro getätigt und geplant - für den Ankauf von Grundstücken und Gebäuden und die Errichtung eines Hotelkomplexes mit Ladenpassage.

Die in katholischer Trägerschaft stehende Kindertagesstätte St. Vinzenzius war 1973 eröffnet und 1994 erweitert worden. Mittlerweile unterhält die Einrichtung ihre siebte Gruppe als Außenstelle in einem Gebäude in der Nachbarschaft. An der Grund- und Regionalschule St. Martin werden zurzeit 560 Kinder in 24 Klassen von 35 Lehrern unterrichtet. Die Grundschule ist als „Volle Halbtagsgrundschule" organisiert, in der Regionalschule finden sich Haupt- und Realschulangebote unter einem Dach.

Die Pfarrkirche St. Vinzenzius hat ihr heutiges Gesicht wesentlich seit der 1972 abgeschlossenen, durch beengte Raumverhältnisse und wegen der Liturgiereform erforderlich gewordenen Erweiterung und Umgestaltung. In diese Zeit fällt auch die Verlegung der Martinskirmes auf das.

Die Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes auf dem Schwarzenberg

Die Magdalenenkapelle im Ortsteil Hünerbach

 

Kirchweih- und Heimatfest zu Peter und Paul. Die Pfarrgemeinde feiert seit 20 Jahren - anlässlich der Restaurierung des 200 Jahre alten Pfarrhauses und seiner Umwandlung in ein Pfarrheim ins Leben gerufen - immer am ersten Sonntag im September Pfarrfest. An das kirchliche Leben angebunden sind der Stationsweg zum Schwarzenberg („am 18. April 1864 feierlich benedictiert unter Teilnahme von ca. 3000 Laien und unter Beihilfe von 10 Geistlichen"), die 1719 erbaute Kapelle zur Schmerzhaften Muttergottes (Foto), der nach dem Bombenangriff 1945 angelegte Ehrenfriedhof und der „Walddom" mit Außenaltar. Die evangelische Kirche steht „Auf dem Nöchel" und stammt aus dem Jahr 1960. Der Ortsteil Hünerbach wird urkundlich erstmals 1352 erwähnt und war immer eine kleine Gemeinde. Die Magdalenen-Kapelle wurde 1925 errichtet (Foto); ihre Vorgängerin

Der Rothenbacher „Drees"- die gefassten Mineralquellen

Foto vom Kunsthandwerkermarkt der Töpferei Serocka

stammte aus dem 17. Jahrhundert. Das neue Gemeindehaus ist beispielhaftes Ergebnis dörflicher Gemeinschaftsarbeit und Eigenleistung. Am Fuß des Hochkelbergs -675 Meter hoch und das Landschaftsbild beherrschend -liegt Köttelbach. Einem römischen Gutshof, von dem es Funde und Gebäudereste gibt, hat man mit einer Station der 2001 eröffneten, nordwestlich vorbeiführenden Geschichtsstraße ein Denkmal gesetzt. Die Matthias-Kapelle ist mehr als 250 Jahre alt. Seit kurzem bereichert ein Brauchtumsverein mit Aktionen und Projekten das Dorfleben. Seinen Namen hat Rothenbach von dem „rotfarbigen" Bach, der in der Nähe des Dorfes entspringt. Die kohlen-dioxydhaltige Mineralquelle wurde vor einigen Jahren ansprechend gefasst (Foto). Ortsbildprägend ist auch die Antonius-Kapelle. Zu Rothenbach gehört Meisenthal; hier steht noch das inzwischen liebevoll restaurierte Fachwerk-Pfarrhaus aus dem 17. Jahrhundert, das lange als Schule diente.

„Die Benennung ist endlich in Zermüllen verhunzet worden," kritisiert ein altes Schriftstück den Namen des Dorfes, das eigentlich „Zur Mühle" heißen soll. Geschichtlich habe es die „nämlichen Epochen mit Kelberg" durchgemacht, heißt es darin weiter. Die Donatus-Kapelle dokumentiert den eher zweckorientierten Stil der 1950-er Jahre. Die alte Eiche auf dem Mühlenberg und das Wacholdergebiet „Heidekopf' stehen unter Naturschutz.

Quellen:

Hermann Molitor, Das Kelberger Land - Aus alten Zeiten und jungen Tagen (2000);

Barbara Kürsten, Die Attraktivität von Kleinzentren als Wohnstandort.

Eine Analyse am Beispiel Kelberg/Eifel (unveröffentlichte Diplomarbeit, 2002);

Alois Mayer/Erich Mertes, Geschichte, Kultur und Literatur der Verbandsgemeinde Kelberg (l993).