Ein altes Steinkreuz mahnt

Hubert Pitzen, Stadtkyll

Circa 20 Meter vom Ortsausgang Stadtkyll in Richtung Jünkerath steht auf der rechten Straßenseite ein verwittertes Sandsteinkreuz. Ursprünglich befand sich der Standort des Kreuzes auf der linken Seite. In den 60er Jahren verlegte die Ortsgemeinde das Mahnmal auf eine gegenüberliegende Stelle. Eine Plattform aus Basaltsteinen bietet die Möglichkeit, das Kreuz mit Blumenschmuck zu versehen.

Nur wenige Einheimische kennen die Bedeutung des Kreuzes.

Häufig ist der Grund zur Errichtung von Kreuzen nicht mehr fassbar. Oft findet man den historischen Hintergrund in einer eingemeißelten Inschrift oder mündlichen/ schriftlichen Überlieferung. Durch die Verquickung von Realität und Überlieferung entstanden Erzählungen über den Grund und Umstand der Kreuzerrichtung. Daher fällt es oft schwer, Sage und Wahrheit zu trennen, wobei wir uns hierbei auf einem schmalen Grat seriöser Geschichtsdarstellung bewegen. Bei dem angesprochenen Kreuz handelt es sich offenbar um ein Totengedenkkreuz. Die Rückseite verrät durch einen kaum noch lesbaren Text, dass am 8. Juli 1823 die Brüder Johann und Joseph Müller in der etwa in 100 Meter vorbeifließenden Kyll ertranken. Die beiden Jugendlichen

die öfter in der Kyll badeten, hatten die Ermahnungen ihrer Mutter in den Wind geschlagen, denn der Fluss war nach einem starken Gewitterregen am Vortage stark angeschwollen. So entwickelte sich schließlich ein dramatisches Geschehen, das in einer Katastrophe endete: Einer der Jungen geriet in einen Strudel. In höchster Not schrie er um Hilfe. Beherzt schwamm sein Bruder hinzu und es gelang ihm, im reißenden Wasser kämpfend, den Bruder zu fassen. Kurz vor dem rettenden Ufer versanken beide, als die Kräfte sie verließen, in den braunen Fluten der Kyll. Abends konnten die Leichen am Kyllufer geborgen werden. Nun rankt sich um diese Katastrophe folgende Erzählung: Die Mutter der beiden Ertrunkenen hatte einige Tage vor dem Unglück im Traum gesehen, wie die Leichen zweier Jungen von Männern in das Dorf getragen wurden. Eine Leiche transportierte man durch die »Müllenporz« und die andere durch die »Wirftporz«. Die Frau glaubte, das Gesicht ihrer Söhne erkannt zu haben. Wie die Überlieferung verrät, soll tatsächlich die Leiche eines Sohnes über die Kyllbrücke durch die »Müllenporz« und die andere von der »Wirftporz« her in den Flecken getragen worden sein. Doch an dieser Darstellung sind Zweifel angebracht. Existierten zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch die Stadtkyller Stadttore? Nach dem verheerenden Feuerinferno am 30. Juli 1814 war fast der gesamte Ort bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Zum Wiederaufbau der Kirche und der Häuser benutzte man die Steine der Stadtmauer und Tore. Neun Jahre später - also zum Zeitpunkt des Unglücks -werden wohl die Stadttore nicht mehr vorhanden gewesen sein. Denkbar ist jedoch, dass die Zugangswege zur ehemaligen Stadt noch im Volksmund »Müllenporz« und »Wirftporz« hießen. Verlassen wir den Pfad der Spekulation und kehren zum Sandsteinkreuz zurück. Über dem Sockel der zur Straße stehenden Seite findet der Betrachter eingemeißelte Gebeine, die in einem Schrein ruhen. Wahrscheinlich sollen so die beiden Brüder im Tode vereinigt dargestellt werden. Aus einem darüber stehenden M (für Müller?) erhebt sich ein flammendes Herz. Auf der Höhe des Kreuzbalkens umklammert ein Kranz eine geöffnete Blume (= Symbol für die Blüte der Jugend). Über Blume und Kranz streben zwei Ähren empor. So mahnte das Kreuz die Jugend des Ortes lange Zeit, beim Baden in der Kyll Vorsicht walten zu lassen. Heute werden die tiefen Stellen der Kyll schon lange nicht mehr zum Baden und Schwimmen genutzt. Mitte der 60er Jahre entstanden in Stadtkyll und dem benachbarten Jünkerath die Stauseen (Rückhaltebecken), die bei heißem Sommerwetter von Jung und Alt für eine Erfrischung genutzt wurden. Ohne Badeaufsicht war das Schwimmen genau wie an abgelegenen Stellen der Kyll mit Gefahren verbunden. So ereignete sich am Fronleichnamstag 1967 im Jünkerather Stausee ein tödlicher Badeunfall. Nach dem Bau der Hallen- und Freibäder in den genannten Ortschaften ist das Gefahrenpotenzial durch die Badeaufsicht stark reduziert.