Gerolstein feiert 2003 „50 Jahre Wiederverleihung der Stadtrechte"

Karl-Heinz Böffgen, Gerolstein

Am 7. Juni 1953 verlieh der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Dr. Peter Altmeier, der Gemeinde Gerolstein im Rahmen eines Festaktes wieder die Stadtrechte. In der Verleihungsurkunde steht: „Die Gemeinde Gerolstein, schon im Jahre 1336 durch Kaiser Ludwig den Bayer auf dem Reichstag zu Passau als eine Stadt von Recht anerkannt, deren Bürgern alle Freiheit, Recht, Ehre und Gewohnheit der Reichsstadt Aachen gewährt wurden, als solche immer wieder durch Landesherren und im Jahre 1653 auch durch Kaiser Ferdinand III. bestätigt, verlor die Stadtrechte im Jahre 1856 aufgrund der preußischen Städteordnung. Trotz schwerster Zerstörungen, die die Gemeinde Gerolstein während des 2. Weltkrieges erlitten hat, hat sie sich dank des zähen Aufbauwillens ihrer Bürger wieder zu einem Gemeinwesen mit bemerkenswerten Einrichtungen entwickelt. Sie ist wiederum ein Ort von politischer und wirtschaftlicher Bedeutung in der Eifel und insbesondere eine bekannte Stätte des Fremdenverkehrs geworden. In Anbetracht dessen und in Anerkennung der Tatkraft und der Aufbauleistung ihrer Bürger wird die Gemeinde Gerolstein gemäß § 4 der Gemeindeordnung von Rheinland-Pfalz hierdurch wiederum zur Stadt erklärt."

1953 bis 2003, 50 Jahre Stadtentwicklung in einer Zeit des Friedens, eine kurze Zeitspanne, gemessen an der

Gerolstein - von der Munterley aus - 1906

langen und oft leidvollen Geschichte Gerolsteins. Gerolstein kann auf eine bedeutende Geschichte zurückblicken. Jäger und Sammler hielten sich bereits vor etwa 200000 Jahren in der „Großen Kreiskaul", heute Industriegebiet, und Menschen der Neandertalrasse bis vor etwa 30000 Jahren u. a. im Buchenloch auf. In und um Gerolstein lässt sich menschliches Leben von der Altsteinzeit über die Mittel- und Jungsteinzeit bis in die Bronzezeit nachweisen. Die Kelten waren wohl die ersten, die sich dauerhaft, u. a. auf dem Ringwall „Dietzenley", ansiedelten. Die Römer haben nicht nur mit der Villa Sarabodis ihre Spuren hinterlassen, bis die Franken ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. von unserer Heimat Besitz ergriffen und Siedlungen gründeten. Die erste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahr 762. Laut Urkunde schenkten König Pippin und seine Frau Bertrada der Abtei Prüm ein Gehöft, das Sarabodis Villa genannt wurde. Daraus entwickelte sich der älteste Stadtteil Gerolsteins, das Dorf Sarresdorf. Über „GEROLSTEIN" schweigen die historischen Quellen noch völlig. Erst 1115 tritt der Name GERHARDSTEIN (Gereistem) urkundlich in Erscheinung. Als eigentlicher Erbauer der Burg und Stadtgründer kommt wohl GERHARD IV. (1268-1308) in Betracht, 1336 wurden dem Burgflecken die Stadtrechte verliehen. Die ersten Jahrhunderte scheinen für die kleine Stadt am Fuße der Burg GERHARDSTEIN („Löwenburg") meist friedlich und ungestört gewesen zu sein. Doch ab Mitte des 16. Jahrhunderts war die Eifel fast 200 Jahre lang Schauplatz zahlreicher Kriege. Diese haben, wie die Hexenprozesse (um 1600) und die Pest (1637), die Geschicke der Stadt tiefgreifend beeinflusst. Vor allem die vernichtenden Großbrände in den Jahren 1691, 1708 und 1784 brachten Leid und Not; das ursprüngliche Stadtbild ging unwiederbringlich verloren. 1794 marschierten französische Truppen in die Eifel ein, Gerolstein wird „Manie" (Bürgermeisteramt) im Arrondissement Prüm. Die erste allgemein bekannte Volkszählung im Jahr 1802 ermittelt 400 Einwohner. In einem Bericht heißt es: Gerolstein ist »nur ein kleines, schier unzugängliches Dorf. Hungersnöte und Auswanderungen trafen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch die Stadt, die im Jahr 1856 nur 777 Einwohner aufwies. Erst die Eröffnung der Bahnlinie Trier - Köln im Jahr 1871 brachte den Aufschwung. Handel, Gewerbe und vor allem die Mineralwasserindustrie blühten auf, der Tourismus entwickelte sich. Die Einwohnerzahl wuchs von l 564 im Jahr 1905 auf 3042 im Jahr 1939. Gegen Ende des 2. Weltkrieges, Dezember 1944 bis Januar 1945, wurde die Stadt in ihrer langen Geschichte zum vierten Mal fast völlig zerstört; Bombenangriffen fielen etwa 80% der Bebauung zum Opfer, nur noch etwa 600 Einwohner lebten in Gerolstein.

Seit 1945 hat sich Gerolstein innerhalb weniger Jahre aus seinen Trümmern, seiner menschlichen und wirtschaftlichen Not aufwärts entwickelt. Ministerpräsident Altmeier formulierte in seiner Festansprache am 7. Juni 1953: „Und gerade hier lassen Sie mich, liebe Bürger von Gerolstein, ein Wort der Anerkennung und des aufrichtigen Dankes an alle diejenigen sprechen, die hier im Grenzland des Westens so unsagbar schwere Opfer an Gut und Blut im letzten Weltkrieg bringen mussten, trotzdem in der Heimat ausharrten und nach dem Zusammenbruch keine Minute zögerten, unter den erschwerendsten Umständen - wie das Dichterwort es sagt - neues Leben aus den Ruinen geschaffen haben. Ich weiß um die schweren Blutverluste, die gerade auch Gerolstein in diesem letzten Krieg hat bringen müssen, und wir wollen in dieser Stunde der Freude in Ehrfurcht und Dankbarkeit der Gerolsteiner Bürger gedenken, die ihr Leben in diesen Kriegsjahren haben dahingehen müssen.

Bei der Überprüfung Ihres Antrages auf Verleihung der Stadtrechte von Gerolstein kam es mir und den Mitgliedern der Landesregierung nicht nur auf die beachtlichen historischen Momente, auf die Geschichte, auf die Vergangenheit an. Den letzten Ausschlag hat die in den letzten acht Jahren in dieser Gemeinde geleistete Wiederaufbauarbeit gegeben." Die alte und neue Stadt Gerolstein zählte 1953 wieder etwa 3 400 Einwohner und wuchs kontinuierlich zu einem modernen und lebenswerten Mittelzentrum mit

Gerolstein -1912

 

Gerolstein - 1953    Foto: Wolfgang Meyer

guter Infrastruktur heran. In den Jahren 1969 und 1974 wurden die Nachbargemeinden Bewingen, Büscheich, Gees, Hinterhausen, Lissingen, Michelbach, Müllenborn, Oos und Roth eingemeindet. Die Stadt besteht seither aus 10 ehemals selbständigen Gemeinden und hat zur Zeit ca. 8 000 Einwohner. Für zahlreiche Menschen, u. a. viele deutschstämmige Aussiedlerfamilien, ist sie Lebensstandort und Heimat geworden. Es werden zwei städtepartnerschaftliche Verbindungen gepflegt: seit 1980 mit der niederländischen Stadt Gilze-Rijen und seit 1987 mit der französischen Stadt Digoin. Die Stadt wird 2003 das goldene Jubiläum der Wiederverleihung der Stadtrechte feiern. Eine vielfältige Veranstaltungsreihe soll die Beziehungen der Bürger zu ihrer Stadt, deren Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beleben und stärken. Weitere Ziele sind die Festigung der inneren Verbundenheit, die Auslösung weiterer privater, kommunaler und gewerblicher Initiativen für das Gemeinwohl und dauerhafte Auswirkungen in kultureller und touristischer Hinsicht. Schon die Vorplanungen für das Festjahr versprechen eine rege Beteiligung der Stadtteile, vieler Gruppen, Vereine, Verbände und Privatpersonen. Sicherlich schon jetzt ein positiver Ausblick auf ein buntes „Festjahr für alle". Höhepunkt wird die Festwoche vom 2.-9. Juni 2003 mit historischem Festzug, Festabend und attraktiven Rahmenveranstaltungen sein. Der 2. Band des Buches „GEROLSTEIN" erscheint, die Gerolsteiner Burgschauspieler fuhren das Theaterstück „Der Schinderhannes" im Löwenburgbereich auf, verschiedene Ausstellungen sind zu besichtigen und aus dem vorliegenden Material wird ein Film über die Geschichte Gerolsteins von 1952 bis 1986 entstehen. Eingebunden in die Festivitäten sind die beiden großen Kirchengemeinden, die Partnerstädte, die Schulen, die Bundeswehr und der Gewerbeverein. Auch Kinder, Jugendliche und Senioren haben ihren Platz im Veranstaltungskalender. Im Festjahr werden nicht nur die Bürger aller Stadtteile Gelegenheit haben, sich bei den unterschiedlichsten Veranstaltungen zu treffen; die Stadt freut sich auch auf viele Gäste und Besucher. Alle sind herzlich eingeladen und willkommen im Festjahr 2003!

Gerolstein - 2002

Foto: Wolf gang Meyer