Heimat und Literatur

»Jootjemötscht«

Über die Verbindung des Eifeldialekts zum Niederländischen

Hildegard Dümmer, Hillesheim

Seit einigen Jahren verbringen wir unseren Sommerurlaub auf einem sogenannten Minicampingplatz bei einer Bauernfamilie auf Walcheren/Zeeland (NL). Diese touristischen Einrichtungen sind zu vergleichen mit den hiesigen Aktionen »Ferien auf dem Bauernhof« und dienen den Betreibern als gutes »Zubrot.« Den dortigen Bauern werden nicht nur hohe Auflagen abverlangt betreffs Sanitäreinrichtungen, Platzkomfort und dergleichen mehr, auch die Anzahl der Stellplätze ist reglementiert und darf nicht überschritten werden. Zur Durchführung von Zählungen werden in der Saison nicht selten Hubschrauber eingesetzt, aber ab und zu taucht auch ein Kontrolleur auf, um sich persönlich von der Richtigkeit der Anzahl der gemeldeten Wohnwagen zu überzeugen.

Aus unseren häufigen Ferienaufenthalten dort und den Besuchen unserer Gastgeber hier hat sich mittlerweile ein fast freundschaftliches Verhältnis zwischen den Familien entwickelt. Auch die anfänglichen Sprachschwierigkeiten sind geringer geworden; zudem sprechen unsere niederländischen Freunde ein fast perfektes Hochdeutsch. Sollte es trotzdem hin und wieder zu sprachlichen Missverständnissen kommen, klären wir diese meist auf »Platt«; wir nehmen den Eifeler Dialekt zu Hilfe. Dabei haben wir schon so manche gemeinsame Redensart entdeckt. So geschah es auch an diesem Nachmittag, als wir mit unseren Gastgebern gemütlich bei Kaffee und Kuchen auf der Terrasse saßen und angeregt plauderten. Ein Auto fuhr vor, ein Mann stieg aus, grüßte kurz und wandte sich dann an den Herrn des Hauses, der plötzlich ganz ernst wurde. Beide entfernten sich von der Gesellschaft und unterhielten sich längere Zeit. Nachdem sich der Besucher verabschiedet hatte, kam unser Hausherr Wim lachend an den Tisch zurück und erklärte sinngemäß auf Niederländisch: »Dat was die Kontrolleur von die Camping. Awer hey hat niet gezällt, hey was joot jemötscht.«

»Jootjemötscht!« - Wir verstanden sofort »Das sagt man auch bei uns, es heißt so viel wie »gut gelaunt.« »Datt ös hock net joot jemötscht«, pflegte meine Mutter früher entschuldigend zu bemerken, wenn wir als Kinder den Besuch nicht freundlich begrüßen oder nicht sprechen wollten.

Daraufhin entspann sich ein längeres Gespräch über diese gemeinsame Redewendung. »Jootjemötscht« das heißt die richtige Mütze, die richtige Kopfbedeckung tragen. Wir kamen ins Fabulieren. Kopfbedeckungen spielen sowohl bei weltlichen wie auch bei kirchlichen Funktionen eine nicht unbedeutende Rolle. So setzen Polizisten vor Fahrzeug- und Führerscheinkontrollen oder anderen Überprüfungen stets ihre Dienstmütze auf. Erst dann sind sie für ihre Amtshandlung richtig »jemötscht«. Ob sie allerdings auch immer »joot jemötscht« sind, steht auf einem anderen Blatt. Richter am Bundesgerichtshof setzen vor der Urteilsverkündung ihr Barett auf. Bei kirchlichen Riten trägt der Priester das Birett, der Bischof die Mitra, früher trug der Papst die Tiara die auch heute noch neben dem Hirtenstab das Kennzeichen des höchsten kirchlichen Würdenträgers ist. Sinnbild der höchsten weltlichen Würdenträger ist die Krone, ohne die auch eine moderne Weinkönigin nur halb angezogen ist. Dem Hofnarren war es nur unter dem Schutz seiner Kappe möglich, den hohen Herren straflos seine Meinung zu sagen und ihnen den Narrenspiegel vorzuhalten. Er musste bei seinem Auftreten immer« joot jemötscht« sein; also die richtige Mütze aufhaben.

Früher gehörte zu jeder festlichen Kleidung auch die entsprechende Kopfbedeckung. »Man geht nicht ohne Hut«, lautete damals ein bekannter Werbeslogan. So »gut behütet« war man überall angesehen. Auch die Trachten waren - und sind es heute noch -ohne die dazugehörigen Hüte, Hauben, Kopftücher, Kappen oder Mützen unvollständig. Nach diesem Gespräch erhob sich unser Gastgeber und verschwand im nahegelegenen Wohnhaus, aus dem er kurze Zeit später wieder hervortrat, gekleidet in die Sonntagstracht eines Bauern aus Walcheren um die Jahrhundertwende. Zu dieser Tracht gehörte natürlich auch - wie sollte es anders sein - die entsprechende Kopfbedeckung. So »jemötscht« trat er lachend an unseren Tisch. Dieser Auftritt von Wim hat uns viel Freude bereitet, denn er hatte sich in diese Tracht gezwängt, um uns zu zeigen, wie seine Vorfahren an Sonn- und Feiertagen gekleidet waren und uns volkstümliche Geschichte nahe zu bringen. Auch wir waren nach dem Besuch des besagten Kontrolleurs alle »joot jemötscht«, nicht nur, weil wir im Urlaub waren, sondern weil wir in diesem Gespräch noch viele Gemeinsamkeiten in Redensarten, Spracheigentümlichkeiten und Bräuchen unserer beiden Länder festgestellt hatten.

Nicht selten habe ich erlebt, dass sich bei schwierigen Verhandlungen durch eine treffende Anmerkung im Dialekt die ernsten Mienen der Anwesenden lockerten und sogar ein verstehendes Lächeln über ihre Gesichter huschte. In dieser entspannten Atmosphäre konnte es dann viel leichter zu einer Lösung der Probleme kommen.