S'iss Fassenacht -Erinnerungen eines Einwanderers

Marianne Schönberg, Jünkerath

Das Thema AUSWANDERUNG soll roter Faden dieser Ausgabe vom Jahrbuch sein, es geht um Menschen, die ihre Heimat verlassen haben, mussten...; die Gründe sind vielschichtig. Doch in der Eifel gibts auch Einwanderer aus ganz unterschiedlichen Regionen - sind sie nicht auch AUSWANDERER? Im Alltag spürt man kaum noch Unterschiede, die Leute von DORT haben sich integriert, nicht an, aber eingepasst; nur ab und an bei besonderen Festen oder an Tagen, die ihren eigenen Anstrich haben, da kommt die Erinnerung an Erlebtes, Geliebtes, in Kindheitstagen Gelerntes. Es ist wie bei der Schatztruhe im Märchen - lange bleibt sie unbeachtet, verstaubt ein wenig und dann... ein Knopfdruck und der Deckel springt auf, fast vergessene Dinge kommen ans Tageslicht, Sprüche, Lieder, alte Verse der Großmutter, Heischestrophen die niemand mehr kennt, denn - wo gibts heute noch Heischegänge so von Haus zu Haus? Wer freut sich noch über kleine Gaben an der Tür, einen Groschen, ein Gebäckstück oder gar KAMELLE? Die liegen nach den Fastnachtsumzügen in der Gosse, werden weggefegt, kommen in den Müll und das tut weh...; nicht nur mir.

Als unsere Kinder klein waren, gabs noch die GÄNGELCHEN und der GROSSE BRUDER nahm die kleine Schwester an die Hand, beide zogen los und hatten ein Auswandererlied im Gepäck, fleißig sangen sie... »s'iss Fasenacht, s'iss Fasenacht, die Kichelcher sinn geback, geb mehr eens, geb mehr eens, ich steck es in mein Sack. Mer hern die Schlisse! klingele, die werrn uns ebbes bringele, Aier orre Schbeck, sonscht gehn mer net von eiere Hausdier eweg.« Es war DAS Lied, ein alter Heischegesang aus der Pfalz, der Text wurde kaum verstanden, aber die Tüten der Kinder waren voll und damals freuten sich die Kleinen noch über Bonbons, einen Kaugummi und wenns gar ein kleines Täfelchen Schokolade war oder eine Apfelsine - welche Gabe! Mit hochroten Köpfen und tollen Geschichten kamen die Kleinen nach Hause. Da hatte die Nachbarin gefragt, was das wohl heißt AIER ORRE SCHBECK und die Kinder sagten... »frag mal unsre Mama, die weiß das ganz genau.«

Einwanderer - sind sie nicht das Salz in der Suppe? Durch sie kann der Alltag so bunt werden, denn jeder, der von DRAUSSEN kommt, liefert irgendwann ein schillerndes Mosaiksteinchen aus der Tüte der Erinnerungen ab, bringt sich ein ins Land, das ihm zwar nicht als das GELOBTE erschien, von dem er aber erwartet, dass es den Mann ernährt, so der sich müht. Auswanderer trugen immer eine Hoffnung in sich, ob gesellschaftliche Zwänge oder existentielle Not sie zum Abschiednehmen veranlassten sei dahingestellt, Vertreibung und Flucht sind ein noch ärgeres Kapitel moderner Völkerwanderungen; eines ist gewiss, sie geben Prägendes auf. Zum oft bescheidenen materiellen Besitz, der ihnen lieb und wert war die heimische Landschaft, Nachbarn und Freunde im Umfeld, die eigene Sprache oder Mundart, das schmerzt, macht die Seele grau. Es gab jahrelang Sprachprobleme in verschiedenen Landesteilen zwischen Einwanderern und Einheimischen und wer kein Gefühl für Dialekt hatte, keine Begabung für Sprachen, der stand einsam neben den Menschen, mit denen er im Grunde gern Kontakt gehabt hätte - ein Nährboden für Heimweh, an dem viele Auswanderer zu Grunde gingen; sie starben vor der Zeit aus Gram, in Amerika, in den alten Bundesländern... Heimweh kennt keine Beschränkung in Kilometern. Zeit heilt Wunden?

 

Es bleiben Narben und ich meine, das ist gut so. Wer sich nicht mit Schmerzen erinnert, hat seine Wurzeln gekappt und bleibt heimatlos, als Auswanderer, als Einwanderer.

Dabei geht es auch ganz anders, mit einem Wurzelwerk, das von Ostpreußen übers Rheinland und die Eifel nach Canada reicht; von Sachsen über die Pfalz zur Eifel und die Pflanzen sitzen fest, dort, hier. Was kann Mutter Erde Besseres bieten als globale Umarmung? Wenn MENSCH dann noch guten Willens ist, sich einzubringen versucht, erste, vielleicht misslungene Annäherungsversuche at acta legt, kanns gut, ja herzlich werden zwischen Ein- oder Auswanderern und Bodenständigen. Das dauert schon mal ZEITCHEN, aber es lohnt sich!