Wie Erich der Elch ein Zuhause fand

Eine Weihnachtsgesehichte für große und kleine Kinder

Margret Heinzen, Feusdorf

Vor einigen Wochen, mitten im vorweihnachtlichen Chaos, hatte ich einen Arzttermin in Euskirchen. Morgens um 8.30 Uhr ging ich durch die noch menschenleeren Straßen. In der Bäckerei, wo ich vorbeikam, herrschte schon reges Treiben. Frische Brote, Brötchen, Teilchen und sonstige Leckereien wurden von den Verkäuferrinnen in die Regale geräumt. Ich sagte: »Morgen«, denn schließlich kennt man sich vom sehen, wenn man jede Woche um die gleiche Zeit vorbeigeht und eine Stunde später wieder da ist und einen Espresso trinkt. Ja, der Espresso ist eine liebgewonnene Gewohnheit geworden, bevor ich wieder nach Hause fahre... Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

Ich ging also weiter, vorbei am großen Schaufenster eines Kaffeeladens und da sah ich ihn: Einen niedlichen kleinen Plüschelch. Er saß zwar etwas weiter hinten im noch dunkleren Teil des Geschäfts, aber ich konnte ihn ganz genau sehen. Mir war fast, als hätte er mir zugezwinkert. »Ist der süß«, dachte ich bei mir und machte ein par Schritte weiter die Türe zu meinem Doktor auf, wo ich nach einer knappen Stunde wieder raus kam. Mittlerweile war der Kaffeeladen hell erleuchtet und ich ging hinein um eventuell noch das ein oder andere Weihnachtsgeschenk zwischen den wöchentlichen Angeboten zu finden. Als ich so herumstöbere, komme ich auch an dem Regal mit dem Elch vorbei. Er saß dort mit seinen großen, dunklen Knopfaugen, blauen Nüstern und einer dazu passenden blauen Schleife um den Hals. Wieder dachte ich »der ist ja knuddelig« und nahm ihn aus dem Regal um ihn mir mal ganz genau anzusehen. Er hatte ein herrlich weiches Fell. (Ich glaube übrigens, dass er mich im gleichen Moment auch gemustert hat...) Tja, und wie ich da so in dem Laden stehe und zwischen Vernunft und Herz hin und her gerissen bin, spricht mich die Verkäuferin von der Ladentheke her an: »Ist der nicht schön? Ich habe mir selbst auch einen gekauft und meine Freundin wollte einen für ihr Auto. - Es ist übrigens der letzte.« Ihre Verkaufstaktik, sofern es denn eine war, ist aufgegangen. Ich dachte nicht mehr lange nach, schob meine eigenen Vernunftsargumente in die hinterste Schublade, legte 19,95 DM auf den Ladentisch und nahm den Elch unterm Arm mit nach Hause. Die Leute, denen ich auf der Straße begegnete, schmunzelten alle als sie mich sahen, aber das war mir egal. Ich hatte den Plüschelch, und noch dazu den letzten seiner Art! Zu Hause angekommen hat auch mein Mann ihn gleich ins Herz geschlossen. Er legte ein dickes Kissen auf unsere Eckbank im Esszimmer und setzte Erich (so hatten wir den Elch inzwischen getauft) darauf. »Damit er nicht friert und alles sehen kann« sagte mein Mann. In dem Moment glaubte ich ein kleines Lächeln zwischen dem wollweißen Plüsch zu sehen. Später am Nachmittag saßen mein Mann und ich am Esszimmertisch und spielten Karten. Ganz sicher ist unser Elch ein alter Kartenspieler. Bestimmt hat er mir geholfen, quasi als kleines Dankeschön, dass ich ihn mitgenommen habe. Wie sonst erklärt es sich, dass ich plötzlich ständig gewonnen habe? Jedenfalls werde ich das Gefühl nicht los, dass Erich uns ganz gezielt ausgesucht hat, als er da so im Laden saß. Er wusste wahrscheinlich schon längst, dass mein Mann und ich wohl nie ganz erwachsen werden, und er bei uns für ganz lange Zeit ein Zuhause finden würde. Seit jenem Tag im Advent sitzt Erich nun bei uns auf der Esszimmerbank mit einem dicken Kissen unterm Hintern und hat uns alle (auch alle, die in der Zwischenzeit bei uns zu Besuch waren) mit dem Charme seiner Knopfaugen und den blauen Nüstern fest im Griff.