Unsere Kuh, die Schimmel

Maria Prämaßing , Müsch

Vor dem Zweiten Weltkrieg bis in die Nachkriegszeit besaß fast jede Familie in unserem Dorf eine kleine Landwirtschaft mit zwei, drei oder mehreren Kühen. Die Kühe lieferten Milch, wurden aber auch als Zugtiere benutzt beim Bestellen der Felder, bei der Heuernte und beim Mist und Jauche fahren. Mein Vater hatte vier Kühe, davon war eine mit einem fast weißen Fell, daher der Name »Schimmel«'. Er hatte sie als junges tragendes Rind gekauft. Nach dem Kalben wurde sie gleich als Zugtier benutzt. Auf sie konnte mein Vater sich verlassen, sie war die Leitkuh.

In den Jahren 1937 und 1938 fing es an, dass man in die Hillesheimer Molkerei Milch liefern konnte. Um sich neben der kleinen Landwirtschaft etwas zu verdienen, fuhr mein Vater von Loogh morgens nach Niederehe. Mit einem zweirädrigen Karren brachte er die Loogher Milchkannen zur Umladestelle. Er fuhr mit unserer Schimmel bis auf eine Anhöhe, spannte sie dort aus und fuhr per Hand weiter nach Niederehe. Unsere Kuh ging den Rückweg alleine nach Haus, vorbei an Rübenfeldern und Gärten, ohne auch nur eine Rübe oder einen Kohl anzufressen. Darüber haben wir uns immer gewundert. Vom Fenster aus konnte man sehen, wenn sie die Dorfstraße hinunter kam, und Mutter brachte sie in den Stall. Nachmittags holte mein Vater mit ihr die leeren Milchkannen wieder in Niederehe ab. Als der Krieg näher kam, wurde die Milchlieferung ganz eingestellt. Vor Kriegsende fielen Granaten auf unseren Hof, ein Splitter davon drang durch das Stallfenster in das linke Bein von Schimmel. Er verkapselte sich jedoch und unsere Kuh hat bis 1948 ihre Fuhrarbeit verrichten können. Während der französischen Besatzungszeit war jeder Landwirt gezwungen, für die Franzosen eine Kuh oder ein Rind abzuliefern. Im März 1948 hat mein Vater sich schweren Herzens für unsere Schimmel entschieden, weil sie die Älteste war und auch nicht mehr so viel Milch gab. Sie war ungefähr 15 Jahre alt.

Als unsere gute alte Kuh für immer aus dem Stall ging, waren wir alle sehr traurig. Wir haben ihr noch lange nachgeschaut, als mein Vater sie nach Stroheich zum Viehhändler brachte. Hatte sie uns doch ein Stück auf unserem Lebensweg begleitet.

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