Der Kreuzweg in Steffeln
Vor der Pfarrkirche bis zur Marienkapelle
Vera Finken, Steffeln
Steffeln ist ein sehr schönes Dorf. Der steile Weg, der am Fuße der Pfarrkirche beginnt und sich in malerischen Win­dungen über ca. 700 m Länge bis zur Kapelle auf Wahlhau­sen erhebt, ist einer der schönsten Plätze im Ort. Wild bewachsene Tuffsteinfelsen, viele verschiedene, eifeltypi-sche Pflanzengattungen, wei­te Wiesen und Felder und da­zu noch einen phantastischen Blick über das weite Land. Zu jeder Jahreszeit zieht es Wan­derer und Urlauber hierher. Die Karfreitagsprozession würdigt alljährlich unseren schönen Kreuzweg. Diese Prozession beginnt feierlich bei der St.-Michaelskirche und endet auf dem großen Vorplatz der Kapelle. Gebete und Lieder in der Natur lockern diese Passion auf, ebenfalls das Niederknien bei jeder einzelnen Kreuzwegsta­fel. Hier findet man zum einen Muße im Gebet, denn man „erklimmt" einen, mit­unter recht steilen Weg in der Nachfolge der Leidensge­schichte Christi, des weiteren jedoch erfreut sich das Auge an unberührter Natur, die schon so mancher Seele tiefen Frieden beschert hat. Im März/April 1943 fertigte
die Steinmetzfirma Baales-Braun aus Oberbettingen die Stationen aus rotem Sand­stein an. Jeweils ein Schaft in beliebiger Länge und das dazu passende 5-Eck-Kapitell wurden erstellt. Damals zier­ten noch bunte Bildnisse hinter Glasscheiben die Sta­tionen. Dieser neue Kreuzweg ersetzte einen bereits vorhan­denen an derselben Stelle. Am Gründonnerstag, dem 22. April 1943, segnete Pastor Brühl den Kreuzweg ein, zum Andenken an die Gefangenen des Krieges. In den 1980-er Jahren schuf dann der Künst­ler Gering aus Adenau die heutigen Reliefbildnisse, eine gelungene Verbindung von religiöser Symbolsprache und viel Feingefühl im künstleri­schen Bereich. Die Aussage des jeweiligen Bildes stand eindeutig im Vordergrund. Die Fläche ist stets auf die wesentlichsten Details redu­ziert. Jesus als wichtigster Aspekt ist am deutlichsten durchmodelliert (Gewandfal­ten, Mimik, Körpersprache)
1. Station: „Unschuldig"
Gleich beim Friedhof begin­nend hängt das Kapitell mit Bildnis im Stein eines Felsens, mittig eingelassen. Dies ist die
einzige Station ohne Schaft. Gezeigt ist der gefesselte Jesus im Spottmantel, der stumm seiner Verhandlung beiwohnt. Sein Blick ist durchdringend, seine Person tritt deutlich am weitesten aus der Platte heraus. Zu seiner rechten sieht man zwei eifrig debattierende Ober­häupter. Soldaten mit Lanzen füllen den Hintergrund ganz aus, fast an eine ägyptische flächendeckende Wandmale­rei erinnernd, die aus der Ferne wie ein Muster wirkt.
2. Station: „Freiwillig"
Jesus trägt das Kreuz empor. Eine höhnisch lachende Männerfigur steht mit einem Strick daneben, förmlich daraufwartend, ihm endlich wehzutun. Dieser krasse Ge­gensatz vom leidenden, demütigen, in seiner Körper­haltung gedrückten Messias und dem schelmisch grinsen­den Manne ist so extrem, dass er eine große symbolische Aussagekraft von „Gut" und „Böse" hervorruft.
3. Station: „Schwer"
Sie ist umgeben von Hecken; Jesus ist gefallen, er kniet auf dem Boden, den Blick ge­senkt. Oberhalb türmt sich der
Mann mit dem bewusst dick und grob dargestellten Strick auf, der ihn fluchend und er­bost schlägt.
Während der obere Bereich voller Unrast und hektischer Bewegung ist, bildet Jesus einen optisch wohltuenden Ruhepol. Diese Station deutet gekonnt auf die Wechselwir­kung der Kräfte von äußerster Lebhaftigkeit und intensiver Stille hin. Wo viel Licht, da ist bekanntlich auch viel Schatten.
4. Station: „Wie Gott will"
Man erreicht dieses Bildnis und erhält einen prachtvollen Ausblick über Steffeln, einige Wälder und große Tannen ganz in der Nähe. Dieser anmutige Platz scheint mir besonders passend für dieses von Liebe und tiefer Zunei­gung sprechende Bildnis. Das aufrechte Kreuz steht kerzen­gerade in der Mitte und teilt den Heiland zur linken mit einer Frau zur rechten. Beide sehen sich so treu, ernst und überaus wissend an und halten sich derweil an den Händen. Jesus begegnet sei­ner Mutter Maria. Das Kreuz wirkt hier wie ein erhöhtes Dach, und der herz­liche Händedruck schenkt etwas von einem Vertrauen, dass niemals endet. Im Moment trennt der Schaft des Kreuzes die beiden Personen zwar noch, aber es hat oberste Priorität, optisch wie auch symbolisch: Das erhabenste und wichtigste.
5. Station: „Hilfsbereit"
Auf einem Felsende stehend, dahinter Bäume majestätisch
emporragend und wie eine Einrahmung wirkend, befin­det sich eine weitere Etappe der Leidensdarstellung. Quer durchs Bild kommt einem, fast wie ein Hammerschlag wirkend, die unendliche Last des Kreuzes förmlich entge­gen. Dazu trägt die strenge, gerade Form der Balken bei; die Atmosphäre ist ange­spannt und kühl. Vorneweg der ermüdete, geschwächte Jesus, dahinter Simon von Cyrene, dessen Mimik deut-
lich Trauer und Missfallen zeigt. Ein Soldat im Hinter­grund gebärdet sich drohend und verbissen, sein Gesicht ist durch Hass verzogen, fast entstellt.
6. Station: „Der Liebe Lohn"
Man erkennt den unter Qua­len vorwärts schreitenden, deutlich ergriffenen Selig­macher, der vor sich Veronika erblickt. Diese hält ihm das Schweißtuch entgegen; ihre Augen sind erwartungsvoll
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auf seine rechte Hand ge­senkt, welche nach dem Tuche zu greifen scheint. Im Hintergrund ein Soldat mit erhobener Lanze, stark stili­siert; sein nichtssagender Blick gleicht einer afrikani­schen Totenmaske.
7. Station: Zu schwer"
Besonders leidvoll ist dieses Passionsbild dargestellt. Der Sohn Gottes, bewusst in seiner menschlich schwachen Seite betont, ist erneut gefal­len und liegt fast ausgestreckt auf dem Boden, das Kreuz zwar noch mit einer Hand umklammernd, aber deutlich gedrückt von dieser Last. Äußerst brutal wirkt der Sol­dat mit dem Strick, den er um die Kreuzesmitte gelegt hat und wie ein Sklaventreiber versucht, das Kreuz mit Gewalt anzuheben. Diese Un­menschlichkeit wird durch die stark muskulösen Arme und das drapierte Hemd des Man­nes hervorgehoben.
8. Station: „Weinet über euch"
Als höchsten Punkt auf dem Kalvarienberg hat Künstler Gering unverkennbar die Steffelner Marienkapelle ge­setzt. Sie thront erhaben am Gipfel, den Jesus aber noch lange nicht erreicht hat. Er hält inne, denn vor ihm ste­hen viele Frauen und Kinder. Sie schauen äußerst veräng­stigt. Jesus riet diesen Men­schen, sie sollten nicht wei­nen um ihn, denn es werde sich erfüllen der Wille des Allmächtigen. Während sein Blick gerührt auf einen Säugling im Arme
seiner Mutter fällt, segnet er wohlwollend die umstehen­den Leute. Diese Abbildung lässt viel Nähe und Heimat­verbundenheit spüren. Die Emotionen sind bei dieser Kreuzwegstation wohl die intensivsten.
9. Station:" Allzu schwer"
Ganz dicht neben einer Gin­sterhecke eröffnet sich dem Betrachter eine neue, span­nungsgeladene Szenerie. Erneut liegt Jesus mit dem Kreuze am Boden, er kann scheinbar nicht mehr. In der oberen Bildhälfte sieht man den bösen Mann, der seinen Strick erneut ums Kreuz gelegt hat. Gram und Zorn zeichnen ihn aus, sowie seine zwei „Kollegen" im Hinter­grund. Nicht einmal eine Ver­schnaufpause wollen sie dem Herrn gewähren.
10.  Station: „Auch das noch"
Ein recht wild wirkendes Mo­tiv, das Chaos und Unbehagen verbreitet. Der auf dem Boden kauernde Jesus wird gewalt­sam seines Mantels beraubt. Der Folterknecht mit dem Strick reißt barsch am Gewand. Ein weiterer scheint ganz versunken zu sein in den Würfel, den er in der Hand hält. Außerdem beteiligt sich jemand mit langem Schwert, anspielend auf die Prophezeiung: „Man warf das Los über mein Gewand, dieses aber, aus einem Stücke gewebt, wurde nicht zerteilt.
11. Station: „Der Mann der Schmerzen"
Vorbei an einer langen Reihe von spitzen Dornenhecken
erreicht man die furchtbarste Szene. Jesu Leib wird an das schräg stehende Kreuz gena­gelt. Zwei Schächer schlagen mit Hämmern die großen Nägel ein, der besagte Strick fällt zu Boden. Jesu Oberkör­per als Mittelpunkt tritt hier weit nach vorne heraus, feinst ausmodelliert. Die Gesichter der Knechte jedoch sind zu versteinerten Grimassen geworden. Jesu Ausspruch: „Denn sie wissen nicht was sie tun", erfährt hier seine Gültigkeit.
12. Station: „Für uns"
Dass diese Station schräg steht, spiegelt die geballte Dramatik, den Gipfel der Leiden, wieder. Der an seinem Kreuz aufgerichtete Messias senkt den Kopf, man kann die Rippen einzeln zählen. Was hat dieser durchgemacht und wie lange mag es ihm vorge­kommen sein? Zur rechten steht ein Soldat, der mit der Lanze bereits Jesu Seite öffnet. Aus ihr fließen Blut und Wasser, ein Zeichen dafür, dass der Tod bereits eingetreten ist. Die andere Bildseite schmücken zwei Personen, Maria mit Johan­nes. Tröstend stützt dieser die trauernde Mutter.
13. Station: „Ausgelitten"
Die weltbekannte Darstellung der Pieta: Maria hält ihren toten Sohn auf dem Schoß. Der teils entspannte Leib Jesu liegt auf dem Rücken, seine Mutter beugt sich schützend über ihn.
Der Betrachter fühlt mit Maria, deren Qual ins Uner-messliche reicht.
14. Station:
„Dem Sieg entgegen"
Oben bei der Kapelle, einen endlosen Rundblick über viele Dörfer und Wälder ergebend, wird unser Glauben und der Sinn der Kreuztragung deutlich.
Freunde kümmern sich hin­gebungsvoll um den geschun­denen Leichnam des Herrn. Maria Magdalena mit dem Salböl und zwei Männer, die den Toten seitlich hochheben und ins Grab bringen wollen. Ruhe geht vom toten Leib aus
- Sehnsucht nach friedvollem Schlaf nach so vielen Qualen.
Die Passionsgeschichte endet so lebensspendend, so be­deutsam, dass dem die Krone gehört, der sein Kreuz an­nimmt und trägt.