Der Findling
Marianne Schönberg, Jünkerath
Spätsommer, ein Anruf aus dem Nachbarort, die freundli­che Frau fragt nach meinem
Mädchennamen......; „dacht
ich mir's doch, genau der steht in einem alten Ranzen, ich fand ihn auf dem Spei­cher, den bekam unser Sohn vor Jahren vom Opa ge­schenkt und hat ihn viele Jahre als antike Unterarmta­sche zur Berufsschule mitge­schleppt." Ob ich mal vorbei­schauen wolle? Natürlich wollte ich - es war mein alter Schulranzen, den kaufte mir Vater 1939, da kam ich in die erste Klasse, fand das aufre­gend und war begeistert vom kostbaren ledernen Stück -nicht jedes Kind hatte so etwas Schönes und dass dies Teil für einen Mädchenrücken ein wenig schwer war - was tat's, der Stolz überwog. Es begleitete mich durch vier Grundschuljahre, wurde dann in der Hauptschule modern getragen, durch den Klapp­deckel war ein Griff eingear-
beitet und weiter ging's durch Kriegsschuljahre - noch zwei Jahre nahm ich ihn mit, für die Berufsschule und danach hatte er (für mich) ausgedient. Nun dies Teil - ein zerfledder-tes Etwas, die ehemals kasta­nienbraune Farbe konnte man mit Mühe ahnen, alle Nähte porös und unterm Klapp­deckel hatten nachfolgende Besitzer ihre Namen eingetra­gen, dick, mit Filzstift - der meine war nur noch ein Sche­men, mit Mühe zu entziffern, aber da. Wie kommt (m)ein Schulranzen aus Sachsen über die Pfalz in die Eifel? Wahrscheinlich begleitete uns der Lederne als Behältnis beim Treck in Richtung We­sten; erinnern kann ich mich nicht. Jugendjahre in der Pfalz, sie waren mit so viel Problemen durchsetzt - für einen Ranzen war da kein Raum. Später kam ich in die Eifel, mein Vater einige Zeit später, er muss nun dieses DING wieder bei sich gehabt
haben und aus irgendeinem Grund weiterverschenkt, eben an den Opa im Nachbarort, der ihn seinem Enkel weiter­reichte...; könnte der Lederne reden!
Nun wird seine Wanderung ein Geheimnis bleiben, doch der Kreis hat sich geschlossen - der Findling ist bei mir. Was tu ich mit dem alten Stück? Soll ich's aufarbeiten lassen? Dann ist es wahr­scheinlich schön, aber nicht mehr echt. An ein Schulmu­seum verschenken? Wer mag schon so ein abgewetztes Etwas ohne Beziehung zum Ort, zu bekannten Familien -er ist ein Sachse, der alte Bräunliche; selbst unsre Kin­der haben keine Beziehung zu so etwas.
Was bleibt? Ich bewahre ihn und.....schreibe (s)eine Ge­schichte. Die haben Sie nun gelesen, vielleicht gibt's Parallelen?