Stell dir vor, ich hätte noch drin gesteckt
Peter Scheid, Bodenbach
Kasper Zenzen aus Boden-           Nachkriegszeit ereignete.             „Gute" aber gleichzeitig auch
bach oder „Klose Jasper", wie Wenn sich Klose Jasper zum        der Einzige war, ist der Um-
er im Dorf genannt wurde,           Kirchgang oder zu anderen          fang seiner Garderobe leicht
war mit materiellen Gütern          Festlichkeiten zurecht mach-       zu ermessen. Nun war es aber
oder gar Geld nicht reich             te, sagte er seiner Frau Vero-        leider so, dass der „Gute"
gesegnet, doch eins besaß er nika nur: „Häng mir den Gu-       seinem Namen nicht mehr ge-
selbst in schlechtesten Zeiten ten raus!" Diese wusste dann       recht wurde und Klose Jasper
in rauen Mengen - Humor,           sofort, dass es sich bei dem          dringend einen neuen Anzug
wie folgende Geschichte              „Guten" um Jasper's Sonn-          benötigte. Doch dies war in
beweist, die sich in der                tagsanzug handelte. Da der          den schlechten Nachkriegs-
zeiten, dazu noch ohne Geld, nicht so leicht zu realisieren. Da konnte man es fast einen „genialen Schachzug" der göttlichen Vorsehung nennen, als eines Tages ein Mann aus Köln bei Klose an die Tür klopfte, um im Tausch etwas Essbares zu bekommen. Und dieser Mann hatte doch tat­sächlich Anzugstoff als Tauschware. Der Handel war schnell getätigt: Gegen ein Säckchen Kartoffeln und eine Seite Räucherspeck wurden benötigte Meter Stoff getauscht, und Jasper machte sich sofort auf den Weg zu seinem Nachbarn, Schneider­meister Peter Schmitz. Nach unendlich langen Tagen - so kam es Jasper wenigstens vor - des Maßnehmens und An-probierens war nun endlich der neue Anzug fertig. Wie ein stolzer Hahn spazierte er
über die Kaul (Ortsteil) und ließ sich von jedem bewun­dern, der ihm über den Weg lief. Um die Haushaltskasse ein bisschen aufzubessern, beabsichtigte er, am kommen­den Mittwoch auf dem Aden­auer Viehmarkt einen kleinen Ochsen zu verkaufen. Und Jasper ließ sich nicht davon abhalten, seinen neuen Anzug zu diesem Markttag anzuziehen.
„Woher sollen die Leute denn wissen, dass ich einen neuen Anzug habe, wenn das Ding zu Hause im Schrank hängt?", meinte er und machte sich freudestrahlend auf den Weg. Und recht schnell gelang es ihm, sein Öchschen für einen guten Preis zu verkaufen. Stolz und zufrieden mit sich und der Welt kam er zu Hause an und erwartete nun von seiner Frau Lob in höchsten
Tönen. Doch diese schnüffelte nur an ihm herum und sagte: „Der neue Anzug stinkt nach Vieh!" Um dieses Übel abzu­schaffen, hängte sie das Kleidungsstück zum Lüften in der Schlafkammer ans Fen­sterkreuz.
Doch nun geschah das Un-fassbare. Als sie eine Stunde später in die Schlafkammer kam, war der Anzug weg, mitsamt dem Geld vom Och­senhandel, das noch in der Jackentasche steckte. Gestoh­len. Tränenüberströmt kam sie in die Küche und berichte­te ihrem Mann von der verhängnisvollen, unbegreif­lichen Missetat. Doch Jasper, der sich gerade mit einem Fidibus seine Pfeife anzündete, meinte nur: „Stell dir vorVrun (Veronika), ich hätte noch drin gesteckt, dann wär ich jetzt mit weg!"