Der Sakramentsaltar in der Hillesheimer Pfarrkirche
Ein Jubiläumsgeschenk des Trierer Kurfürsten
Josef Schuhn, Hillesheim
Im Jahre 2003 wurde die Pfarrkirche St. Martin in Hil­lesheim 150 Jahre alt (1851-1853 erbaut). In ihrem klassi­zistisch einfachen Innenraum birgt sie so manches künstle­rische Kleinod: Das original­getreue Replikat einer Ma­donna von Riemenschneider, den schönen Seitenaltarauf-
satz (Werkstatt Hoffmann, 1609), das eindrucksvolle Ga­belkreuz (1661), die barocke Kanzel (1662), in der Seiten­nische die Pieta (1662), die klangprächtige Stumm-Orgel (1772), die schmucken Fens­termedaillons (Schwarzkopf, 1971), den bronzenen Tauf­brunnen (Henn, 1972) und
den wunderschönen Sakra­mentsaltar, der infolge der vor zwei Jahren erfolgten Ausmalung des Chorraums durch Otto Frankfurter op­tisch sehr geschickt in den Vordergrund gerückt worden ist. Die angewandte Architek­turmalerei mit ihrer unge­wöhnlichen Raumwirkung
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tätig). Vergleiche mit dessen Werken im Dom zu Trier - die Kanzel (1570/73) und der Al­lerheiligenaltar (1614) - bele­gen diese Zuordnung. Die Kompositionen der Bildsze­nen und deren künstlerische Ausgestaltung bezeugen wohl eindeutig den damals im Trie­rer Raum bedeutendsten Bild­hauer als Meister des Hilles­heimer Sakramentsaltars. Der Altar stammt nachweis­lich aus dem Jahre 1602 und ist eine Stiftung des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs Lothar von Metternich. Beides geht aus den neben dem Ta­bernakel befindlichen In­schriften hervor. »Als er den Trierischen Völkern die Zügel anlegte, erbaute Lothar, der Held, Gott diesen Altar. Und Gott zu Ehren werden die zur Feier Versammelten singen und sich kniefällig vor diesem Altar niederwerfen. Im Jahre 1602«. Selbstbewusst hat der Trierer Fürst zudem, um als Stifter deutlich in Erschei­nung zu treten, sein Wappen am Altar anbringen lassen. Laut Wackenroder (Die Kunst­denkmäler der Rheinprovinz: Kreis Daun. 1928) soll der jet­zige Sakramentsaltar - er wurde früher zeitweilig als Taufaltar benutzt - aus der Abtei St. Matthias in Trier stammen. Leider legt Wackenroder keinen Beweis für seine Behauptung vor. Ge­gen seine Angaben spricht, dass im Archiv bzw. dem La­gerbuch der Trierer Abtei nichts über einen Altar steht, der von Trier nach Hillesheim verkauft oder abgegeben wurde. Dort ist lediglich vom Verkaufeines Steinportals
vermittelt nämlich den Ein­druck, der Altar stehe in einer halbrunden Nische bzw. einer gesonderten Apsis, umfangen von einem auf zwei Säulen ruhenden Halbkreis mit zwölf Schmuckrosetten. Dieser Sakramentsaltar ist ei­ne vorzügliche Arbeit der Spätrenaissance und zeigt in der Form eines antiken drei­teiligen Triumphbogens, ein-gefasst zwischen zwei inneren korinthischen Säulen und zwei seitlichen Pilastern in schön geformten und figuren­reichen Plastikreliefs die drei
wichtigsten Ereignisse im Le­ben Jesu: seine Geburt, seine Kreuzigung und seine Aufer­stehung, dazu im Giebelfeld, flankiert von zwei wappen­tragenden Engeln, die Him­melfahrt Jesu. Daneben ste­hen die Schutzpatrone der Hillesheimer Kirche: links der hl. Martin bei der Manteltei­lung und rechts der hl. Michael als Drachentöter. Der Schöpfer dieses erstklas­sigen Werkes ist nach Ansicht der Experten der Bildhauer Hans Ruprecht Hoffmann (von 1569-1619 in Trier
nach Hillesheim die Rede. (Wagner: Hillesheim, 1975) Zudem lassen die Figuren des hl. Martin und des hl. Micha­el, die beide Pfarrpatrone der Hillesheimer Kirche sind und oben neben dem Giebelfeld stehen, den Schluss zu, dass der Altar von vornherein für die Kirche in Hillesheim be­stimmt war. Eine spätere Hin­zufügung der beiden Heili­genbildnisse ist sehr unwahr­scheinlich, weil die künstleri­sche Ausführung der beiden Figuren mit dem übrigen Al­tar stilistisch harmoniert und eine Arbeit desselben Künst­lers bzw. derselben Kunst­werkstatt voraussetzt, eben des Hans Ruprecht Hoffmann (Trier).
Ein weiterer Hinweis für die Richtigkeit dieser Vermutung ist der Bildstock in der Lam-mersdorfer Straße in Hilles­heim aus dem Jahre 1613. Auf ihm ist eine Auferste­hungsszene zu sehen, die ganz offensichtlich eine Ko­pie des Auferstehungsreliefs am Hillesheimer Altar ist. Der Bildhauer, der diesen Bild­stock fertigte, muss also den Hillesheimer Altar und damit das auf ihm befindliche Relief mit der Auferstehung Jesu gekannt haben. (Einen ähnli­chen auferstehenden Christus schuf Hans Ruprecht Hoff­mann auch über dem Auf­gang zur Kanzel im Trierer Dom.) Die Annahme, dass der Sakramentsaltar spätestens im Jahre 1613 in Hillesheim stand, ist also durchaus be­rechtigt. Selbst wenn Wackenroders unbewiesene Vermutung, der Altar stamme aus St. Matthias in Trier, zu-
trifft, so bleibt doch zu fra­gen, warum die Trierer Mön­che ein solch wertvolles und vortreffliches Kunstwerk be­reits nach einigen Jahren weggegeben haben sollen. Mehrere Gründe sprechen demnach für die Wahrschein­lichkeit, dass der Trierer Kur­fürst und Erzbischof Lothar von Metternich von Anfang an diesen Sakramentsaltar für die Hillesheimer Kirche anfer­tigen ließ und ihn der hiesi­gen Pfarrei geschenkt hat. Aber warum? Welches wichti­ge Ereignis oder was mag den Trierer Kurfürsten und Erzbi­schof zu dieser Stiftung veranlasst haben? Meine Antwort lautet: Der wertvolle Altar ist ein Ge­schenk zur 250-jährigen Zu­gehörigkeit Hillesheims zum Kurfürstentum Trier, also gleichsam eine Jubiläumsga­be! Die Stadt Hillesheim ging nämlich 1352 in den Besitz des Kurfürstentums Trier über, als nicht eingelöstes Pfand des Grafen von Jülich, bis dahin der weltliche Herr über Hillesheim. Der Jülicher suchte damals in einer Haus­fehde nach Hilfe, die ihm der Trierer Kurfürst und Erzbi­schof Bal duin gerne gewähr­te. Aber er ließ sich für die fi­nanzielle Unterstützung unter anderem die Stadt Hillesheim verpfänden. Da der Graf von Jülich die Schuldverschrei­bung in Höhe von stattlichen 10.000 Gulden nicht einlösen konnte, zog Balduin im Jahre 1352 sein Pfand ein: die Stadt Hillesheim, die damit in den Besitz des Kurfürstentums Trier überging. Festzuhalten bleibt allerdings, dass Hilles-
heim auch nach 1352 kirch­lich weiterhin zur Erzdiözese Köln gehörte. Das mag er­klären, warum in einem Fra­gebogen über die hiesige Kir­che steht, dass »der Altar vom Trierer Kurfürsten Lothar von Metternich hingeschenkt wurde«, der Titel Erzbischof aber in diesem Vermerk fehlt! Vielleicht hat der Trierer Würdenträger diese wertvolle Stiftung auch ganz gezielt veranlasst, um - angesichts der fast ständig anhaltenden Eifersüchteleien und dem Konkurrenzdenken zwischen den Trierer und Kölner Kir­chenfürsten - als weltlicher Landesherr der Hillesheimer seinem Kölner »Kollegen« in dessen Hillesheimer Kirche sein Trierer Hoheitszeichen (Wappen!) vorzusetzen. Man beachte in diesem Zusam­menhang, dass im Giebelfeld des Altars das rote Trierer Kreuz als Wappen auf den Schilden der beiden Engel gleich zweimal und dazu das erwähnte persönliche Wappen des Lothar von Metternich zu sehen sind! Letzteres sogar, wohl um die Rangordnung zu betonen, in der Altarspitze! Die 250er Jahresspanne zwi­schen dem wichtigen Hilles­heimer Datum des Jahres 1352, als Hillesheim in den Besitz des Trierer Kurfürsten gelangte, und dem Entste­hungsjahr des Sakramentsal­tars 1602 ist so frappant, dass - obwohl eindeutige schriftli­che Beweise für meine Be­hauptung noch fehlen - der genannte Schenkungsanlass mehr als wahrscheinlich ist. Die angeführten Indizien sprechen jedenfalls dafür.