Das Lied, das meine Großmutter sang
...das singe ich heute meinen Kindern abends am Bett. „Mama, sing noch 'mal das Lied vom Knäblein!"
Vor etwa dreißig Jahren war ich diejenige, die vorm Schlafengehen meine Großmutter bat:
„Oma, sing mir noch einmal das Lied vom Knäblein vor!"
Also setzte sie sich zu mir ans Bett und sang:
„Es spielte ein Knäblein am blumigen See am grünenden Walde, am bläulichen See.
Und sieh, in den Binsen am Ufer da lag die schönste Seerose, in üppiger Pracht.
Das Knäblein durchwatet mit frevelndem Mut, die Blume zu pflücken, hinab in die Flut.
‚Halt!' rief ihn die Mutter mit warnendem Mund, ‚oh bleibe zurücke, sonst gehest du zu Grund.'
Das Knäblein verachtet ihr Warnen und Flehn, oh, ruft er, es wird mir so leicht nichts geschehn.
Schon pflückt er die Blume, schon sinkt er hinab und findet im Wasser ein schauerliches Grab.
‚O,' ruft sie, ‚o ehret der Eltern Gebot, nicht folgen bringt Kindern Verderben und Tod."
Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, jetzt noch die Melodie dieses Liedes kennen würden,
dann wüssten Sie, warum mich meine Kinder immer wieder um dieses Lied bitten,
um das Lied, das meine geliebte Großmutter mir immer sang!
Annette Thewes, Birresborn