Das doppelte „Herzhausen
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In keiner Zeit fehlt, ist sie noch so schwer, etwas, das nicht auch komisch wär. Ich spreche von der Kriegs- und Nachkriegszeit, alles war knapp außer Hunger und Leid.
Eine Order hieß: „Was man auch produziert, das wird gewissenhaft abgeführt!" Gut, doch auch uns war der Spruch nicht fremd: „Die Jacke ist dir nicht so nah, wie das Hemd."
Wurde irgendwann mal ein Schwein geschlacht, war das eine Sache von Nebel und Nacht. Hatte man Pech und wurde angeschmiert, wurde alles gnadenlos konfisziert.
Damals fasste Vater den Entschluss,
dass ein neues „Herzhausen" gebaut werden
muss.
Nicht zu weit weg vom Haus, das macht ja Sinn,
mit einem Herzchen in der Türe drin.
Wir verstanden das alles nicht so recht,
das alte war doch noch gar nicht schlecht.
Und so werkelte er tagelang herum,
pfiff manchmal ein Lied, blieb ansonsten stumm.
Und eines Abends in der Dunkelheit, wurden wir in das Geheimnis eingeweiht. Da stand „Herzhausen", harmlos und neu, wir wussten nicht, was daran besondres sei.
Bis Vater ein Brett aus der Rückwand nahm,
und ein spannbreiter Hohlraum zum Vorschein
kam.
Er hatte, da haben wir dumm geschaut,
„Herzhausen" mit doppelter Rückwand gebaut.
Er war schön getäfelt, sauber und dicht, nein, unhygienisch war das nicht. Wer leistete sich auch in dieser Zeit, den Luxus von Überempfindlichkeit?
Zeichnung: Margret Heinzen, Feusdorf
So wanderte unser kleiner Vorrat an Speck, ein paar Eiern und so ins kuriose Versteck. Und kein Späher, kein Revisor fand den Platz, unseren sorgsam gehüteten, kostbaren Schatz.
Wir Kinder schwiegen, denn uns war klar,
dass „Herzhausen" unser Überleben war.
Doch nicht nur für uns, täglich konnte man
seh´n,
Flüchtlinge hungernd an Türen steh´n.
Die Mutter schickte keinen von ihnen fort, ohne etwas zu essen und ein gutes Wort. Auch wir waren arm, doch wir wurden satt, lernten Mitleid mit dem, der gar nichts hat.
Nach etlichen Jahren oder so, bekamen wir ein wasserbetriebenes Klo. „Herzhausen" gab man zum Abriss frei, ein paar Nachbarn halfen dabei.
Nach und nach wurde, damit nichts passiert, unser „herziges" Häuschen demontiert. Ein Nachbar stutzte und rief gespannt: „Wieso hat das Ding eine doppelte Wand?"
Lächelnd machte Vater seine Pfeife an, ein Bild, das ich heute noch sehen kann, und als erzählte, wurde allen klar, wieso dieses „Herzhausen" doppelt war.
Thekla Heinzen, Feusdorf