Schwerpunktthema Krieg und Kriegsende
Volksschule im Dritten Reich
„Heil Hitler, Herr Lehrer"
Matthias Thömmes, P h i l i p p s h e i m
Die nationalsozialistischen Erziehungsziele
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 fand eine radikale Änderung des gesamten deutschen Kul­tur- und Bildungswesens statt. Die nationalsozialisti­sche Weltanschauung wurde vor allen Dingen in den Schu­len propagiert und verwan­delte diese total. Die bis dahin erstrebten Bildungs- und Erziehungsziele Gesittung, Wahrheit, Freiheit, Huma­nität, Frieden, Wissen und Bildung waren für den „Führer" keine Werte, sondern Irrtümer und verweiblichende Albernheiten. Sie wurden durch diktatorische und pro­pagandistische ersetzt, die be­reits in Hitlers „Mein Kampf genau umrissen waren. Darin heißt es u. a.: „Die gesamte Bildungs- und Erziehungsar­beit des völkischen Staates muss ihre Krönung darin fin­den, dass sie den Rassesinn und das Rassegefühl instinkt-und verstandesgemäß in Herz und Hirn der ihr anvertrauten Jugend hineinbrennt." Ziel der nationalsozialisti­schen Jugenderziehung war
die Heranzüchtung einer Her­renrasse. Hitler selbst legte die Rangfolge der Erzie-hungs-Wertskala fest: 1. Die Erbanlagen und das allge­mein rassische Bild; 2. Der Charakter der nationalsozia­listischen Gesinnung; 3. Die Ertüchtigung des Körpers im Sinne der Wehrerziehung; 4. Das Wissen.
Nach dieser Wertskala waren sämtliche Fächer und auch die Unterrichtsbücher und Lehrinhalte angelegt, begin­nend im 1. Schuljahr und weiterführend über die Lese-und Sachbücher der folgen­den Jahrgänge. Friedrich Flie­der schreibt in der Zeitschrift „Nationalsozialistisches Bildungswesen" über den Geschichtsunterricht: „Die Krone allen nationalsoziali­stischen Geschichtsunterrich­tes besteht in nichts anderem als in der Erziehung zur Gefolgschaft des Führers." Für den Religionsunterricht galt: „Die Lehren des Führers sind das Evangelium!" Im Rechenunterricht wurde mit Bomben, Granaten, Panzern, Kanonen und Militärflugzeu­gen operiert, dem auch im
Zeichenunterricht Rechnung getragen wurde. So wundert es nicht, wenn die deutsche Jugend kritiklos in das kom­mende Verderben hineinlief.
Schulalltag im III. Reich
Am 1. April 1938 wurde ich in Wallenborn eingeschult. Mit Schiefertafel, Tafellappen, Schwämmchen, Griffeldose und den damals üblichen, halbseitig mit Buntpapier beklebten Griffeln, Lesefibel und Rechenbuch im Schul­ranzen begab ich mich mit meiner Mutter erwartungsvoll zur Schule. An die ersten bei­den Schuljahre kann ich mich nur noch schwach erinnern. Dafür sind die folgenden -von Nationalsozialismus und Krieg geprägten Jahre - um so besser im Gedächtnis. Schon 1939 begann mit dem II. Weltkrieg und der nun fol­genden Einquartierung die Zeit der regelmäßigen Schul­ausfälle, da beide Schulsäle immer wieder von Soldaten belegt wurden. Für uns Kinder war das natürlich eine willkommene Abwechslung, unserer Bildung um so weni­ger dienlich.
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winkten und sangen: Deutschland, Deutschland über alles" und ,,Die Fahne hoch." Eines unserer ersten Lieder war:
„Der Führer ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin, und wär es nicht so weit von hier, so führ' ich heut' noch hin!"
In den folgenden Grundschul­jahren lernten wir kleine Füh­rergedichte, die in der Klasse und bei entsprechenden Fei­ern auswendig vorgetragen wurden. Solche Feiern fanden an Hitlers Geburtstag (20.4.), am Tag der Reichsgründung (31.3.), am 1. Mai (Tag der Arbeit), am 9. November (Marsch zur Feldherrnhalle), am Schulentlasstag und bei vielen anderen Gelegenheiten statt.
Unser Schulsaal war dann mit Hakenkreuzfahnen und fri­schem Grün geschmückt, das zentral hängende Hitlerbild mit Blumen und Girlanden umrahmt, und auch draußen vor dem Schulgebäude flat­terten die Hakenkreuzfahnen. Eines dieser Gedichte lautete: „Dem Führer
Wir wollen gern den Führer seh'n, ein lustig Lied ihm singen.
Wenn überall die Fahnen weh'n, ein Flugzeug wird ihn bringen.
Dann stehen wir in langen Reih'n, und hoch die Hand wir heben,
wir wollen deutsche Kinder sein, der Führer, der soll leben!
Sieg Heil! Sieg Heil! Sieg Heil!"
Andere Gedichte und Lese­stücke handelten von der
dem 3. Reich, Griffeldose, 40er Jahre
Die Geschicke der Wallenbor-ner Volksschule lagen wäh­rend der ganzen Kriegsjahre in den Händen von Lehrerin Susi Meyer aus Niederhers­dorf, die aus ihrer Abneigung gegen den Nationalsozialis­mus keinen Hehl machte, und Lehrer Alois Keidel. Dieser war zwar Ortsgruppenleiter der NSDAP und trug auch manchmal seine braune Uni­form, war aber in Wirklich­keit kein ausgesprochener Regimeanhänger. Im Unterricht standen in nahezu allen Fächern Führer, Reich und Nazi-Ideologie im Mittelpunkt. Das begann be­reits im ersten Schuljahr mit Fibeltexten wie folgendem: „Adolf Hitler liebt die Kinder. Wir haben ihn auch gern. Wir geben ihm Blumen und rufen: Heil Hitler! Wir wünschen ihm ein langes Leben." Die Fibeln handelten alle in Wort und Bild vom Marschie-
ren, vom Lagerleben, vom kriegerischen Klang der Trommeln und vom Jungen, der nur den einen Wunsch hat, Soldat zu werden bzw. vom Mädchen, das unbedingt Soldaten betreuen will. Sie waren mit Bildern - Hitler als väterlicher Kinderfreund und marschierende SA - Männer mit Hakenkreuzfahnen -illustriert. In der Fibel ,,Rheinische Kinder" für das 1. Schuljahr im Rheinland standen beispielsweise fol­gende Texte, die uns effekt­voll ins Militärische einführ­ten, waren:
,,Hört, wir trommeln, bum, bumbum, hört, wir blasen, tä täretätä! Nun das Lager räu­men!"
oder: ,,Die Kinder liefen den Hitlersoldaten entgegen.... Auf einmal hörten sie ein Summen ... Sie reckten die Hälse. Hurra, der Zeppelin. Die Kapelle spielte. Alle Leute
,,Winterhilfe" und dem ,,Ein­topfsonntag". Im „Deutschen Lesebuch für Volksschulen", erster Band, standen Ge­schichten unter den Über­schriften „Der Führer kommt" und „Ein froher Tag", in de­nen der Besuch Adolf Hitlers im Dorf heroisch und enthu­siastisch dargestellt wird. Unter dem Titel „Der Führer spricht" wurden zudem Zitate von ihm angeführt wie bei­spielsweise „Lerne Opfer brin­gen für dein Vaterland" oder „Wir sind vergänglich, aber Deutschland muss leben". In den Oberklassen begann der Unterricht jeden Morgen mit dem Hitlergruß. Anschlie­ßend wurde eines der vielen Lieder gesungen, die wir bei unserem sehr musikalischen Lehrer lernten und die fast ausnahmslos das System bzw. die siegreiche deutsche Wehr­macht zum Thema hatten. Mit voller Inbrunst und Begeiste­rung sangen wir während der Kriegsjahre, vom Lehrer mit dem Akkordeon begleitet: „Und wenn wir marschieren, dann leuchtet ein Licht"; „Hoch lasst die Fahnen wehen..."; „Wir standen für Deutschland auf Posten"; „Graue Kolonnen zieh'n in der Sonne (Lied der Infante­rie)"; „Obs stürmt oder schneit (Panzerlied)"; „Siehst du im Osten das Morgenrot"; „Deutschland, heiliges Wort"; „Heute wollen wir ein Lied­lein singen (Englandlied)" und viele andere. Eine unge­heure Wirkung auf uns hatte das von Baldur von Schirach (1907 - 1974) verfasste Lied ,,Vorwärts". Völlig ahnungslos über die wahre Bedeutung der
Worte sangen wir das von Herbert Windt vertonte Lied aus dem Spielfilm ,,Hitlerjun­ge Quex":
„Vorwärts, vorwärts, schmet­tern die hellen Fanfaren, vorwärts, vorwärts, Jugend kennt keine Gefahren. Ist das Ziel auch noch so hoch, Jugend zwingt es doch! Und die Fahne flattert uns voran. In die Zukunft ziehn wir Mann für Mann. Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not mit der Fahne der Jugend für Freiheit und Brot. Unsre Fahne flattert uns vor­an. Unsre Fahne ist die neue Zeit.
Und die Fahne führt uns in die Ewigkeit! Ja, die Fahne ist mehr als der Tod!" Dieser UFA - Tonfilm, der den Tod des Hitlerjungen Norbert Norkus glorifiziert, der am 24. Januar 1932 ermordet worden war, wurde schon bald nach der Machtübernahme zum großen Heldenepos der Hitler­jugend. Das am Ende des Films von der Hitlerjugend gesungene Lied, die in Scha­ren als Geisterheer an dem sterbenden Kameraden vorbei zieht, wurde zum Fanal der Bewegung und am Schluss jeder Jugendkundgebung ge­sungen. Friedrich Grupe, der die Zeit als Bannführer der HJ miterlebt hat, schreibt darüber: ,,Mit dem Kehrreim ,,Unsre Fahne flattert uns voran" erschollen Achtung -Kommandos, die Arme erho­ben sich zum Hitlergruß, die Fahnen wurden hochgerissen, Trommeln und Fanfaren setz­ten ein. Kaum einer, der dies aktiv oder als Zuschauer mit-
erlebte, konnte sich der Wir­kung solch dramatisierter Höhepunkte entziehen. Fah­nen, immer wieder Fahnen." Auch wir ließen uns von der zackigen Melodie und den heroischen Worten beein­drucken, dachten jedoch nicht an die Konsequenz von Tod und Heldentum, die dieses Lied forderte. Das wurde uns auch nicht bewusst, wenn nach dem Singen des Liedes die wichtigsten Ereignisse des Wehrmachtsberichtes im Un­terricht vorgetragen werden mussten. Vor diesen Augen­blicken hatte ich immer etwas Angst, denn ich konnte zu diesen Ereignissen kaum etwas beisteuern, da wir zu Hause keine Tageszeitung be­zogen und auch wenig Radio hörten. So ließ ich mir vor dem Unterricht von meinen Klassenkameraden einiges erzählen, die dann mit Begeis­terung über die Erfolge von Heer, Luftwaffe und Marine zu Lande, zu Wasser und in der Luft zu berichten wussten. Dabei dachten wir in unserer Naivität gar nicht daran, wieviel Soldaten bei diesen Einsätzen ihr Leben lassen mussten und wieviel Leid dadurch über Tausende von Familien kam. Das alles wurde in den fol­genden Unterrichtsstunden noch vertieft durch entspre­chende Lesestücke (Jäger am Feind; Hauptmann Joachim Marseille blieb unbesiegt; Vorpostenboot auf Feind­fahrt; Auf Haus Wachenfeld (Haus des Führers auf dem Obersalzberg bei Berchtes-gaden) und Gedichte, mit de­nen die ,,Weltauffassung und
Lebenshaltung der deutschen Bewegung" in uns hineinge­tragen und mit denen wir zu Kampfund Opferbereitschaft erzogen werden sollten. Meist waren es Führerworte und heroische Werke von NS-Bar-den, wie das folgende von Heinrich Anacker: ,Auf dich kommt's an! - In deinen Händen liegt des Vaterlandes gut und bös Geschick!
Auf dich kommt's an! -So schwer wie niemals wiegt dein Tun in diesem Augen­blick!"
Im Deutsch-, Geschichts- und Erdkundeunterricht wurden die Kriegsereignisse weiter behandelt und ins Heft einge­tragen. Im übrigen standen neben den Feldzügen der Wehrmacht der Lebenslauf Adolf Hitlers, das Germanen­tum, germanische Helden-und Göttersagen, die deut­schen Kaiser und Friedrich der Große im Mittelpunkt des Unterrichtsgeschehens. Daneben lernten wir natürlich auch Gedichte von Schiller, Goethe, Mörike und anderen Klassikern, wie beispielsweise ,,Johanna Sebus", ,,Das Lied von der Glocke", „Der Zau­berlehrling", „Der Lotse" u. a. ohne allerdings zu merken, dass auch dabei der Erzie­hungsgedanke ,,Führer und Gefolgschaft" im Hintergrund stand.
Wie sehr der Unterricht auf die nationalsozialistischen Ziele ausgerichtet war, zeigt schon die Gliederung der Lesebücher, beispielsweise das „Deutsche Lesebuch für Volksschulen", 5./6.Schuljahr: „1. Deutsche Jugend - Deut-
scher Frühling; 2. Ehre der Arbeit; 3. Das Reich; 4. Deut­sches Bauerntum; 5. Blut und Sippe; 6. Totengedenken;
7. Winter und Weihnacht;
8. Trotz Tod und Teufel;
9. Deutsche Ostern"
In einer eigenen Schulbüche­rei konnten wir uns regel­mäßig Lesehefte und Bücher ausleihen. Auch hier gab es natürlich neben Märchen­büchern überwiegend Lese­stoff zur Verherrlichung von Krieg und Regime (Kampfbe­richte aller Waffengattungen aus dem I. und II. Weltkrieg, Biografien großer deutscher Wissenschaftler, germanische Sagen und Göttergeschichten usw. Zusätzlich lag im Klas­senraum auf einem Regal die Luftwaffenillustrierte ,,Der Adler" in mehreren Exempla­ren aus, in der vor allem unsere Jagdflieger- und Stu­ka-Idole in Wort und Bild zur Darstellung kamen. Wer mit seinen Schularbeiten fertig war, durfte sich eine Zeitung nehmen und darin herum­blättern, für mich ein beson­derer Anreiz, schnell meine Schularbeit zu vollenden. Bis in den Sprachunterricht hinein zog sich die national­sozialistische Erziehungsideo­logie. Hier ein Beispiel aus der von Richard Alchner verfass-ten kleinen Grammatik „Sprachkundliche Kleinarbeit im neuen Geiste" zur Vorsilbe „un": „Wenn das deutsche Volk einig ist, so bleibt es unbesiegbar, unüberwindlich, unbezwingbar, unwidersteh­lich, unübertrefflich, unan­greifbar, unerschütterlich, un­verwüstlich, unvergänglich." Oder zur Mehrzahlbildung:
„Das Bombenflugzeug meines Vaterlandes ist verderben­bringend. Die Bombenflug­zeuge meines Vaterlandes sind verderbenbringend." Oft fiel der Unterricht aus, da außer der Einquartierung un­ser Lehrer öfters NS-Tagun-gen, -Schulungen und -Kurse besuchen musste. Außerdem musste er öfters die Nachbar­schulen Salm und Weiden­bach mitbetreuen, da deren Lehrer zum Wehrdienst einge­zogen waren. Daneben wur­den viele Schulstunden für die Suche von Heilkräutern und Altmaterial geopfert, die dann an die Hauptsammel­stelle in Weidenbach abgelie­fert und nach Trier weiterge­leitet wurden. Eine Zeitlang mussten wir als Hausaufgabe jeden Morgen Schachtelhalm, Spitzwegerich, Hirtentäschel­kraut, Frauenmantel und an­dere Heilpflanzen mit in die Schule bringen. Bei schönem Wetter benutzten wir weitere Schulstunden für die Suche nach Kartoffelkäfern auf den Feldern der Wallenborner Fluren oder im Wald zum Sammeln von Heidelbeeren und Bucheckern. Gerne erinnere ich mich an die Schulausflüge zur Kassel­burg, an die Dauner Maare, zur Nerother Burg und nach Himmerod, bei denen unser Lehrer uns angesichts der alten Gemäuer und der Burg­verliese die Geschichte der Ritter und Mönche lebendig vor Augen zu führen ver­stand. Mit einem frohen Wan­derlied auf den Lippen zogen wir frühmorgens bei strahlen­dem Sonnenschein los, auf dem Rücken den Rucksack
mit der notwendigen Verpfle­gung. Hell klang es in den sonnigen Frühlingsmorgen: ,,Wir sind jung, die Welt steht offen, o du schöne, weite Welt!
Unser Sehnen, unser Hoffen zieht hinaus in Wald und Feld. Bruder, lass den Kopf nicht hängen, kannst ja nicht die Sterne sehn.
/:Aufwärts blicken, vorwärts drängen: Wir sind jung, und das ist schön! :/ oder:
„Und die Morgenfrühe, das ist unsere Zeit, wenn die Winde um die Berge singen. /:Die Sonne macht dann die Täler weit, und das Leben, das Leben, das wird sie uns brin­gen.:/"
Waren diese Lieder noch un­problematisch und politisch neutral, so war das bei dem folgenden, das wir ebenfalls gerne sangen, schon bedeu­tend anders:
„Und wenn wir marschieren, dann leuchtet ein Licht, /: das Dunkel und Wolken strahlend durchbricht. :/" Vor allem in der folgenden Strophe wird wieder die Absicht des Regimes klar: „Du Volk aus der Tiefe, du Volk aus der Nacht: /:vergiss nicht das Feuer, bleib auf der Wacht. :/" Einen hohen Stellenwert hatte naturgemäß der Sport. Auch unser Lehrer war bestrebt, des Führers Wunsch, dass die deutsche Jugend ,,zäh wie Leder, flink wie Windhunde und hart wie Kruppstahl" sein sollte, zu verwirklichen. So fanden denn als Krönung der wöchentlichen sportlichen Betätigung, in der auch
Gelände- und Exerzierübun­gen eingeschlossen waren, die jährlichen Reichsjugendwett-kämpfe statt, bei denen sich die benachbarten Schulen Salm, Weidenbach, Meisburg, Deudesfeld, Ober-, Nieder­stadtfeld und Neroth mit Wal-lenborn zur Austragung der verschiedenen Sportdiszipli­nen trafen. Hierzu wanderten wir öfters nach Niederstadt­feld oder Weidenbach, während sich in anderen Jah­ren die Schulen auch bei uns auf dem Wallenborner Sport­platz trafen. Bei diesen Tref­fen durfte natürlich das nationalsozialistische Zere­moniell mit Hitlergruß, militärischem ,,in Reih' und Glied", Hakenkreuzfahnen und den entsprechenden Liedern, vor allem bei der Sie­gerehrung, nicht fehlen. Zum Schwimmen wanderten wir regelmäßig nach Nieder­stadtfeld, das unterhalb des Ortes im Tale nach Schutz ein Schwimmbad besaß. Hier
wäre es eines Tages fast zu einem tragischen Unfall gekommen. Da wir alle noch nicht richtig schwimmen konnten, tummelten wir uns nur im Nichtschwimmer­becken. Durch irgend einen Umstand geriet mein Schul­kamerad Christian Eul ins Schwimmerbecken und rief verzweifelt um Hilfe. Beherzt sprang Lehrer Eugen Ohmer hinterher und rettete ihn vor dem Ertrinken. Die Tat war um so höher zu bewerten, da Herr Ohmer Kriegsinvalide war und eine Hand amputiert hatte.
Eine besondere Attraktion bildete immer das NS - Film­auto, das regelmäßig Filme brachte, die uns unser Lehrer dann vorführte. In der Grund­schule waren das überwie­gend Märchenfilme (Der Hase und der Igel; Hänsel und Gretel usw.), in der Oberstufe Streifen wie ,,Wer will unter die Soldaten", „Sudeten­deutschland kehrt heim" oder
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Fibeln, 3. Reich, 40er Jahre
,,Deutsches Land in Afrika". Obwohl im ,,Reichskonkor­dat" von 1933 der Religions­unterricht in den Schulen von den Nationalsozialisten aner­kannt wurde, kam es schon bald zum Verbot. Die Kreuze wurden aus den Schulsälen entfernt, und durch ein Hit­lerbild ersetzt, und die Geist­lichen durften in den Schulen keinen Religionsunterricht mehr erteilen. Zum Katechis­musunterricht gingen wir in Wallenborn daher während der ganzen Kriegsjahre in die Kirche. Dazu sei noch er­wähnt, dass in der Schule von Wallenborn die Kreuze nicht entfernt wurden, sondern die ganzen Jahre über hängen blieben.
Wie oft wurde bis heute im In- und Ausland die Frage gestellt, warum die Deutschen
so bedingungslos und blind mit den Nazis in ihr Verder­ben liefen. Ein gerüttelt Maß trug dazu zweifellos der da­malige Schulalltag und die Erziehung der deutschen Kin­der und Jugendlichen bei, die auf raffinierte Art und Weise bis in die kleinsten Eifeldörfer von der NS - Ideologie durch­drungen war und von der sich die Kinder kritiklos einfangen ließen.
Mit den fortschreitenden Kriegsjahren wurden die Schulverhältnisse immer schwieriger. Einquartierung, Fliegergefahr und V1 zwan­gen zu immer häufigerem Un­terrichtsausfall. Lehrer Alois Keidel wurde vom 1. 9. bis Mitte Oktober 1944 zum Schanzen an den Westwall abgerufen. Lehrerin Susi Meyer führte - so gut es die
Fliegergefahr zuließ - den Unterricht in dieser Zeit weiter, doch kam es Anfang November zur endgültigen Schulschließung. Lehrer Keidel schrieb damals in die Schulchronik: ,,Am 23. 10. nahm ich den Unterricht wieder auf, stellte ihn aber Anfang November wieder ein, da die über das Dach des Schulhauses hinweggehenden V1-Geschosse dieses allzusehr gefährdeten!"
Das nun folgende Kriegsge­schehen mit der Ardennenof-fensive, den Bombenangriffen auch auf Wallenborn und schließlich dem Einzug der Amerikaner am 5. März 1945 hinterließ solche Zerstörun­gen im Ort und am Schulge­bäude, dass der Unterricht erst am 26. 2. 1946 wieder aufge­nommen werden konnte.