Haft für
Hilfe
Nachwehen des
Krieges |
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Christel Weber, Birresborn |
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Es war in Lissingen um den 15.
Oktober 1946. Vater war soeben mit einer Fuhre Rüben in unseren Hof
gefahren, als ein Militärauto der Franzosen kam. Sechs Soldaten mit
Maschinenpistolen sprangen ab, stürmten ins Haus und rissen Türen,
Schränke und Schubladen auf. Was war los? Meine jüngeren Geschwister
kamen von draußen und sagten: »Die Männer, die letzte Nacht bei uns
geschlafen |
haben, sind auch bei den
Franzosen«. Da wurde mir bange, denn ich wusste wer die Männer waren. Nach
Kriegsende behielten die Siegermächte ihre Kriegsgefangenen und auch
die, welche bei der Kapitulation ihre Waffen abgaben, noch
jahrelang in Lagern zurück - oft unter unmenschlichen Zuständen.
So schlossen sich oft Männer zusammen und planten die Flucht. Dies
war nicht
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einfach. Die Lager waren eingezäunt und wurden streng von Posten bewacht. Die Flucht gelang Kriegsgefangenen eher, wenn draußen gearbeitet wurde. Aus französischen Lagern wurde die Flucht gewagt, weil die Heimat am nächsten lag. Die Kommandanturen wurden sofort alarmiert, wenn Gefangene ausgebrochen waren und die Kontrollen zur amerikanischen Zone verstärkt. Wurden |
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die Flüchtlinge gefasst, kamen sie
ins Lager zurück und wurden hart bestraft. Durch Wald und Wiesen konnte
man ungesehen zu unserem Haus gelangen. Oft klopfte es abends ans Fenster,
oder Besuch kam heimlich während des Fütterns in den Stall. Es war von der
französischen Besatzungsbehörde streng untersagt, diese Männer
aufzunehmen oder ihnen auf der Flucht behilflich zu sein. Es waren aber
doch deutsche Männer. Vater, der im ersten Weltkrieg auch in französischer
Gefangenschaft war, schickte sie nie weg. Sie bekamen zu essen, schliefen
ein paar Stunden und schlichen dann weiter Richtung amerikanische
Zonengrenze. So war es auch gestern Abend gewesen: Zwei Entflohene waren
gekommen. Unser Nachbar, der zufällig auch im Stall war, nahm einen mit,
der andere blieb bei uns. Heute Morgen sprachen beide mit dem Fahrer des
Milchautos, der schon früh die Kannen für die Molkerei Hillesheim
abholte. Die Männer bekamen alte Arbeitsjacken, stiegen auf den
Milchwagen und luden in |
den Dörfern die Kannen auf, als ob
sie dazu gehörten. Vor Hillesheim stiegen sie ab, gingen dann
vorsichtig weiter Richtung Grenze, die hinter Mirbach lag. Kurz davor aber
fielen sie einer französischen Streife in die Hände. Beim Verhör gestanden
sie die Übernachtung in Lissingen und die Fahrt nach
Hillesheim.
In unserer Stube gab es mit Hilfe
einer Dolmetscherin ein langes Verhör. Sie kam heimlich zu mir in die
Küche und bat mich, warme Kleidung und Brote bereit zu halten; was sie
dann den Männern gab, denn alle vier wurden mitgenommen: Vater, meine zwei
Brüder und der Nachbar. Vater durfte nicht einmal die Pferde ausspannen,
die draußen am Wagen standen. Wir, Großvater und meine jüngeren
Geschwister hatten nur den einen Gedanken, wohin hat man sie gebracht? Was
macht man mit ihnen? Es traf uns doppelt, da unsere Mutter erst vor zwei
Monaten verstorben war. Am vierten Tag kam ein Anruf (ohne Wissen der
Franzosen), dass ich Brote und |
sonstiges Essbares nach
Hillesheim ans Gefängnis bringen sollte. Ich fuhr mit dem
Milchwagen hin. Alle waren gerade im Hof. Ich reichte die Sachen über den
Zaun, durfte nur kurz mit ihnen sprechen, dann mussten alle wieder ins
Haus. Mein Bruder Josef kam nach einigen Tagen wieder frei, weil er bei
der Post arbeitete. Die anderen wurden nach Daun verlegt, wo dann
auch die Verhandlung stattfand. Danach wurde mein Bruder Rudi auch
freigelassen. Vater und Nachbar Fritz bekamen jeder aber ein halbes
Jahr Haft im Gefängnis Wittlich. Weil beide aus der
Landwirtschaft kamen, arbeiteten sie auf dem Bauernhof der
Haftanstalt. Besuchserlaubnis bekamen wir von den Franzosen nur
einmal im Monat. Der Verwalter des Hofes gestattete uns aber, Vater öfters
heimlich zu besuchen. Ich werde diesen Winter nie vergessen. Es war
furchtbar für Vater und für uns Kinder. Als er Ende April entlassen wurde,
mussten wir am gleichen Tag auch noch ein Pferd an die Franzosen
abliefern. Zufall oder Schikane? |
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