Mit der Jugend bezahlt
Oskar Heck, Mehren
Als der vergangene Weltkrieg im Jahre 1939 begann, war ich 17 Jahre alt. Ich gehörte dem Jahrgang 1922 an, der in diesem Krieg die meisten Opfer zu beklagen hatte. Von den 15 Schulkameraden hat­ten zehn ihr Leben geopfert. Die restlichen fünf sind mit zum Teil schweren Verwun­dungen in die Heimat zurück­gekehrt.
Ich selbst war an der russi­schen Front im Einsatz und wurde zwischen Smolensk und Moskau durch einen Schlagaderdurchschuss ver­wundet. Zum Ende des Krie­ges befand ich mich in einer Genesungskompanie in Fried­berg bei Frankfurt a.M. Als im März 1945 der Amerikaner den Rhein überquerte, galt die Parole: Rette sich, wer kann. Die Kasernen wurden flucht­artig verlassen und auf dem Fußweg ging es in Richtung Osten. Nach tagelanger Flucht über Alsfeld, Eschwege und Duderstadt erreichten wir bei Herzberg den Harz, ständig verfolgt von den Amerika­nern. Weiter ging es über Braunlage, Elbingerode Rich­tung Wernigerode, wo wir uns tagelang im dichten Unterholz verkrochen. Der gesamte Harz war inzwischen eingekesselt, und so waren wir gezwungen, am 23. 4. den Weg in die Gefangenschaft
anzutreten. Nach den Zwi­schenlagern in Göttingen und Bad Hersfeld wurden wir am 30. 4. in einen Güterzug ver­laden und in das inzwischen errichtete 210 ha große Lager nach Bretzenheim bei Bad Kreuznach verbracht. In die­sem war nach amerikanischen Angaben Platz für etwa 105.000 Gefangene. Die Sie­germächte waren aber auf eine so große Zahl von Ge­fangenen nicht eingestellt, und so war die Versorgung mit Lebensmitteln eine Katas­trophe. Wir haben die von den Landwirten gesetzten Kartoffeln mit den Händen wieder ausgegraben und roh gegessen. Infolgedessen brach eine große Ruhrepidemie unter den Gefangenen aus. Wasser und Brot gab es erst nach Tagen. Ein Brot wurde aufgeteilt für fünfzig Gefan­gene, so dass jeder Mann eine halbe Scheibe bekam. Bis hierher hatten die Gefange-
Unsere Unterkunft war ein Erdloch, etwa einen halben Meter im Durchmesser breit, etwa ein Meter tief und achtzig Zentimeter lang, so dass man mit krummen Knien liegen konnte. Um vor Regen geschützt zu sein, haben wir die Einstiegsöffnung mit Getreidehalmen abgedeckt. Im Juni kam das Rheinland unter französische Verwal­tung und somit auch das Lager. Die Gefangenen wur­den für Jahre nach Frankreich verlegt. Ein Lkw mit 60 Kran­ken und Schwerverwundeten wurde nach Trier transportiert zur Entlassung. Durch meine Körperschwäche, verursacht durch die Ruhr, gehörte ich zu diesem Transport. In der Nähe der Porta Nigra sind wir aus­geladen worden. Ein Omnibus brachte uns nach Wittlich, und es war mir vergönnt, nach einem 20 Kilometer Marsch die geliebte Heimat wiederzusehen.
nen den Krieg überlebt, aber nunmehr trugen wir jeden Morgen tote Kameraden zusammen, um sie in der Heimat­erde zu begraben. Es sollen über 10.000 gewesen sein; die genaue
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Zahl wurde nie-
mals ermittelt.
Gedenkplatte am Ehrenmal in Bretzenheim