Daun in Schutt und Asche
Bombenhagel vor 60 Jahren
Friedbert Wißkirchen, Daun
Die Bilder von zerbombten Häusern, Straßen, öffentli­chen Einrichtungen aus dem Irak, die über das Fernsehen ausgestrahlt wurden, erinnern viele ältere Menschen, die noch den II. Weltkrieg miter­lebten, an eine Zeit, in der es im Städtchen Daun und den umliegenden Orten ähnlich aussah. Zerstörte Häuser, un­befahrbare Straßen, zerbors­tene Wasser- und Kanallei­tungen und Tierkadaver präg­ten das Bild der Kreisstadt nach den Bombenangriffen vom 19.7.1944, vor allem aber nach dem Dauerbombar­dement vom 17., 22., 23., 24., 25., 26., 29. Dezember 1944 und am Neujahrstagstag 1945, am 2.1., 8.1., 29.1., 10.2., 13.2. und 3.3.1945. Weihnachten und Jahreswen­de 1944/45 waren für die Dauner mit die schlimmsten und traurigsten Tage der 1000-jährigen Geschichte. Anstatt Weihnachten und Neujahr zu feiern, schauten die Dauner und Bewohner der Nachbarorte ängstlich und ständig zum Himmel, wo be­drohlich und mit donnernden Motoren die alliierten Kampf­bomber flogen. Mehr als 400 Spreng- und Brandbomben gingen bei den Bombenan­griffen auf die Kreisstadt nie-
der, legten die kleine Stadt in Schutt und Asche, zerstörten am 2.1.1945 die altehrwürdi­ge Pfarrkirche St. Nikolaus und brachten 270 Menschen aus der Zivilbevölkerung, den Soldaten und Fremdarbeitern den Tod. Hunderte wurden verletzt und mussten mit den rund 500 in Daun unterge­brachten verwundeten Solda­ten medizinisch versorgt werden.
Besonders die Angriffe vom 24.12.1944 und 2. Januar 1945 zerstörten neben vielen Häusern, der Pfarrkirche, auch die gesamte Infrastruk­tur der Stadt. An Heiligabend 1944 gegen 14.30 Uhr warfen alliierte Bomber 80 Bomben, an Neujahr 1945 gegen 11.20 Uhr 120 Sprengbomben auf die Kreisstadt nieder und tra­fen vor allem das Zentrum. In der Linden- und Wirichstraße reihten sich Bombentrichter an Bombentrichter. Straßen, Wasserleitung, Kanalnetz und Elektroversorgung waren to­tal zerstört. Ein Zeitzeuge be­richtete: »In den letzten Mo­naten der Kampfhandlungen bot der Ort ein schauerliches Bild. Wohin das Auge blickte, waren nur Verwüstungen und Verheerungen zu sehen.« Von den 476 Gebäuden in der Stadt waren mehr als 80 %
durch Kriegseinwirkungen in Mitleidenschaft gezogen wor­den, nur 87 Gebäude waren unversehrt geblieben. 96 Ge­bäude wurden total zerstört, 35 schwerbeschädigt, 258 mittel bis leicht beschädigt. In der Leopoldstraße waren 13 Gebäude dem Erdboden gleich. Arensberg-, Linden-und Wirichstraße, aber auch Mehrener Straße, Alte Darscheider Straße und Rosengarten waren schwer getroffen. Postamt, Gemein­deforstamt, Turnhalle (in der Nähe des heutigen Nikolaus-Kindergartens) und die Pfarr­kirche hatten die Bomben vernichtet.
Schon Ostern 1945 waren die Hauptschuttmassen und Trümmer weg geschafft. Alle verfügbaren Männer und die ledigen Frauen bis 45 Jahre mussten mit anpacken, die Kriegsschäden im öffentli­chen Bereich zu beseitigen. Bauern aus Gemünden und den Nachbardörfern mit ihren Fuhrwerken halfen mit, den Schutt abzutransportieren und die unter den Trümmern liegenden Tierkadaver zu vergraben. Jeder verfügbare Handwerker packte mit an, Wasserleitung, Kanalisation und Stromversorgung not­dürftig und behelfsmäßig zu
reparieren. Die Arbeiten dau­erten in den Jahren 1946 und
1947 an, um den Wiederauf­bau voran zu treiben. Der ers­te Amtsbeigeordnete Michel Reineke stellt 1948 fest, »dass eine weitere Heranziehung der Bürger zu unentgeltlichen Leistungen im Interesse der Enttrümmerung und Beseiti­gung von Kriegsschäden nicht mehr durchführbar ist«.
1948 waren noch 48 zerstörte Wohn- und 12 Wirtschaftsge­bäude nicht wieder aufge­baut, 59 Wohngebäude und
8 Wirtschaftsgebäude noch stark beschädigt. Die Kosten für die Schadensbeseitigung wurden auf rund 2.100.000 DM beziffert. Drei Jahre nach Ende des Krieges waren noch 500 Meter Stadtstraßen, 300 Meter Wasserleitung zu bauen und 4000 Kubikmeter Trüm­mer abzufahren. Als mit der Währungsreform am 20. Juni
1948 der wirtschaftliche Auf­schwung begann und die Reichsmark abgelöst wurde, hatte die Gemeinde Daun an Bar- und Buchbeständen 204.000 Reichsmark. Als Ausgleich erhielt sie 12.746 DM der neuen Währung.
Situation in den Orten
Kaum ein Ort im ehemaligen Amt Daun war nicht von Kriegsfolgen betroffen und von Bombenabwürfen ver­schont geblieben, ob gezielt oder durch Notabwürfe. In den Jahren 1942-45 gingen auf Mehren 82 Bomben nie­der; drei Personen der Familie Karl Häb fanden beim Angriff am 6.2.1945 den Tod. Die Gebäude Karl Häb, Adam Michels, Elise Brost und Ww. Johann Thull waren total zer­stört, die Anwesen Oellig und Bollinger schwer beschädigt. Tote waren aber auch durch
Luftangriffe in Schönbach, Steinborn, Utzerath und Waldkönigen zu beklagen. Zehn Häuser und landwirt­schaftliche Gebäude in Neun­kirchen waren durch die Bombenabwürfe zerstört oder stark beschädigt worden. Die Schäden wurden in Mehren mit 45.500 DM und mit 102.000 DM in Neunkirchen angegeben. Beim Bombenan­griff auf Kradenb ach (7-8 Sprengbomben) und an­schließendem Bordwaffenbe-schuss am 29.12.1944 brann­ten die Gebäude Josef Saxler und Ww. Peter Diewald samt Erntevorräten und Geräten ab. Die Gebäude Peter Kiewer, Stefan Schüller und Ww. Hu­bert Maas wurden schwer be­schädigt. Kein einziges Haus war unversehrt - aber es blieb bei leichteren Verletzungen der Bewohner. Vor allem die Bahnstrecken
tmp202-1.jpg
Bomberverband über Daun
und Bahnhöfe waren das Ziel von Bombenabwürfen und Bordwaffenbeschuss Am 1. Weihnachtstag 1944 fielen 40 bis 50 Bomben auf Dockweiler, Ziel war schein­bar der Bahnhof. Eine Person wurde getötet, mehrere ver­letzt. In Utzerath fielen am 9.9.1944 vier Bomben auf den Bahnhof und töteten einen polnischen Arbeiter. Beim Beschuss des Zuges zwischen Daun und Darscheid wurde am 21.7.1944 der Lokführer Georg Krüchel tödlich, drei weitere Personen schwer ver-
letzt. In Darscheid, Pützborn und Daun waren die Volks­schulen durch Kriegseinwir­kungen beschädigt worden, der Schaden belief sich auf über 50.000 DM. Die Dörfer rund um Daun hatten auch durch Evakuie­rungen zusätzliche Belas­tungen zu tragen. Viele Dau­ner Familien, die Haus und Wohnung verloren hatten, fanden in den Dörfern eine Notunterkunft. Am 27. De­zember 1944 rief der Dauner Amtsbürgermeister dazu auf, Daun zu verlassen: »Mit
Rücksicht darauf, dass mit weiteren Luftangriffen... zu rechnen sein dürfte, wird der Dauner Bevölkerung dringend empfohlen, vorübergehend in den abseits vom Verkehr gele­genen Gemeinden Aufenthalt zu nehmen.« Als Orte werden u. a. Sarmersbach, Kraden-bach, Boverath, Steiningen, Ellscheid genannt. »Fahrzeu­ge können ... für die Umquar­tierung nicht zur Verfügung gestellt werden. Der Umzug erfolgt am besten unter Be­nutzung von Fuhrwerken, Handwagen u. dergl.« Andere Dauner hatten sich am Wehr-büsch Bunker oder Notunter­künfte errichtet, in die sie bei Angriffen flüchteten. Heute erinnert noch die Wehrbüsch­kapelle an die Opfer des Krieges, aber auch an die Dankbarkeit derer, die den Bombenhagel auf Daun heil überlebten. Aber damit war der Krieg noch nicht über­standen. Neben den wirt­schaftlichen Bedingungen und Schwierigkeiten lagen überall noch Kriegsgeräte, Munition, Granaten, Bomben und V1-Blindgänger herum. Für die Jugendlichen waren zurückgelassenes oder ausge­branntes Kriegsgerät begehrte Spielplätze, Munition und Blindgänger aber auch ge­fährliche »Spielzeuge«. Unfäl­le waren in den Kriegsjahren und in der Nachkriegszeit häufig. Noch in den 50er Jah­ren waren nicht alle Bomben und Waffen beseitigt oder entschärft.
tmp202-2.jpg
Blick von der Lindenstraße in die Wirichstraße - Bombenangriff am 19.7.1944
Quelle/Bilder: Verbandsgemeindearchiv Daun