„Wir als Kinder hatten es nicht immer leicht..."
Peter Jakobs, Simmern
Wenn die Rede von der guten alten Zeit ist, wird oft diese Zeit in rosigen Farben geschil­dert. Für uns als Kinder war es nicht immer leicht. Der Alltag begann an drei Wochentagen für alle schul­pflichtigen Kinder mit dem obligatorischen Besuch der Werktagsmesse um 7.00 Uhr. Danach war Eile geboten, im Stehen wurde noch kurz ein Frühstück eingenommen, um dann pünktlich in der Schule zu sein. Nach dem Unterricht wurden die Kinder bereits erwartet. Nach der Einnahme des Mittagessens ging es zur Arbeit in der Landwirtschaft zu Hause oder bei Verwand­ten. Hier wurde die Arbeits­kraft der Kinder voll einge­plant. Nebenbei mussten die Hausaufgaben für die Schule erledigt werden, die oft am späten Abend vorgenommen wurden.
In den Kriegsjahren mussten die Schulkinder neben den Hausaufgaben noch Teekräu­ter sammeln und trocknen. Der Lehrer war immer be­strebt, dass gerade seine Schu­le quantitativ und qualitativ herausragte. Diese Sache war oft recht mühsam, besonders beim Sammeln von Taubnes­seln. Hier war es mehr als schwierig, eine größere Menge zusammen zu bekommen. Meist stand der Lehrer dann
mit einer Waage da und kon­trollierte die gesammelte Menge. Ich erinnere mich noch an einen Mitschüler, der beim Abliefern von Taubnes­seln mit einem kleinen Bleige­wicht in der Tüte das Ergebnis „schönte."
An einem Tag der Woche muss-te Altmaterial wie Papier, Ei­sen, Knochen und Spinnstoffe gesammelt werden. Auch hier fand vor Schulbeginn eine strenge Kontrolle statt. Schließlich war es so, dass das Dorf von diesem Material leer gefegt war. Und woher sollten wir Schüler nun etwas neh­men, um nicht mit leeren Hän­den vor der Schule und dem gestrengen Lehrer zu stehen? Je länger der Krieg dauerte, desto größer wurden auch für uns Kinder die Belastungen. Da war zunächst die Sorge um die Väter und Brüder, die im Felde standen und von denen oftmals wochenlang jede Nachricht ausblieb. Wir wur­den Zeugen von großem Leid. Das ganze Dorf nahm Anteil an den schlimmen Ereignis­sen, oft am Tode der Liebsten draußen im Felde. Das religionsfeindliche System nutzte jede Gelegenheit, kirch­liches Leben so schwer wie möglich zu machen. So wurde schon früh der Religionsunter­richt für Geistliche in der Schule verboten. Der Reli-
gionsunterricht wurde zusätz­lich zum Schulunterricht nun zweimal in der Woche in die Kirche verlagert. Dann war da noch die sonntägliche Chris­tenlehre am Nachmittag. Teilnahme aller Jugendlichen bis 18 Jahre war Pflicht. Jedes Kind musste damit rechnen, aufgerufen zu werden und bei Nichtteilnahme suchte der Pfarrer die Familie in der nächsten Woche auf. Gegen Ende des Krieges, ab September 1944, wurden die meisten Schulen geschlossen. Gefährlich wurde es für alle wegen der vielen Luftangriffe und der tagelangen Kämpfe um die Kyllstellungen, die große Gefahren und Opfer mit sich brachten. Nachdem der letzte Pulver­dampf aus dem Kylltal verzo­gen war, ging es ans Aufräu­men und an den Aufbau. Un­vorstellbar, wie es damals aus­sah. Die Amerikaner waren im Umgang mit dem Eigentum der Einwohner nicht gerade schonend umgegangen. Noch lange dauerte es, bis die Schule wieder den Unterricht aufnahm und so waren wir Kinder als billige Arbeitskräfte und Helfer in den Familien voll im Einsatz. In dieser ganzen Zeit wurden wir Kinder hart gefordert, aber auch geformt. Geschadet hat es uns nicht.