Gesprengte Brücken und Straßen
Johann Himmes, Gerolstein
Ende Februar, Anfang März 1945 wurden vor den vor­stoßenden amerikanischen Truppen durch die Deutsche Wehrmacht fast alle Brücken gesprengt. Allein auf der Gemarkung Lissingen: drei Straßenbrücken über Dreis­bach und Kyll, sieben Eisen­bahnbrücken über Kyll und Oosbach sowie sechs Straßen­bzw. Panzergrabensprengun­gen. Auf die zwei Eisenbahn­brücken beim Haltepunkt Lissingen wurden zusätzlich je ein Güterzug gefahren und mit in die Luft gejagt. Hoch­wasser und Überschwemmun­gen waren die Folge, da Brückenteile und Waggons im Fluss lagen. Die Eisenbahn­brücke über den Mühlenteich
der Getreidemühle Burg Lissingen an der Strecke Ge-rolstein-Prüm wurde als einzi­ge Brücke nicht gesprengt, da die Mühle die Versorgung der Bevölkerung mit Mehl sicher­stellte.
Am 03.03.1945 waren einzel­ne Schüsse von amerikani­schen Panzern zu hören. Am 04.03.1945 beschädigten Panzergranaten die Scheune am Hause Durry sowie das Dach am Tor zur Unterburg. Ein bespannter Wagen der Wehrmacht wurde getroffen. Beide Pferde waren tot und der Fahrer schwer verwundet. Es ging nun drunter und drüber. Einzelne Soldaten und versprengte Truppenteile oh­ne Fahrzeuge setzten sich ab.
05.03.1945. In der Scheune von Familie Fischbach in der Hauptstraße stand ein PKW der Wehrmacht. Er war fahr­bereit, jedoch fehlte der Treibstoff. Der Fahrer hatte den Befehl, den Wagen zu sprengen, sobald er den ers­ten feindlichen Soldaten er­blicken würde. Die Nachbarn versuchten, dieses zu verhin­dern, da ein Brand der Scheu­ne zu befürchten wäre. Der Soldat ließ sich überreden und verschwand mit Hand­granaten und Gepäck. Da wir seit Monaten ohne elektrischen Strom waren, wollte ich die Batterie aus dem Wagen ausbauen und noch verschiedenes Werkzeug mitnehmen, als meine Mutter
nach mir rief. Ich musste die Scheune sofort verlassen, da die ersten amerikanischen Soldaten bei der Schule zu er­kennen waren. Nach etwa zehn Minuten kamen vier Amerikaner, das Gewehr im Anschlag, in unser Haus. Die ganze Familie saß ver­ängstigt in der Stube. Sie suchten im ganzen Haus nach deutschen Soldaten. Doch diese hatten sich vorzeitig abgesetzt. Einer der Soldaten deutete an, gerne etwas zu trinken. Meine Mutter ging in die Küche und holte einen Topf Milch und einige Tassen. Sie füllte eine Tasse und woll­te sie dem Soldaten reichen. Doch dieser wollte nicht trinken. Zuerst musste meine Mutter trinken, dann tranken auch die anderen Amerikaner. Sie hatten anscheinend Angst, die Milch sei vergiftet. Draußen rollten die ersten Panzer und Fahrzeuge in den Ort. So etwas hatten wir noch nicht gesehen. Die Amerika­ner belegten fast alle Häuser. Deren Bewohner wurden in
der Nachbarschaft unterge­bracht. Allein im Hause Durry waren 40 Personen. Wir durf­ten nur zur Versorgung von Vieh und Stall in unser Haus. Sperrstunde war von 21 bis 7 Uhr, eine Zeit, in der keiner das Haus verlassen durfte. Durch die Sprengung von Brücken und Straßen kamen alle Fahrzeuge über den „Dreesweg" in den Ort. Die Panzer und Kettenfahrzeuge schleppten viel Erde und Schmutz von dem unbefestig­ten Weg mit in das Dorf. Da es in diesen Tagen viel regne­te, waren alle Straßen und Höfe voller Schlamm. Die Soldaten machten sich einen Spaß daraus, mit Zylinder oder Eisenbahneruniform auf einem Fahrrad durch diesen Dreck zu fahren. In Ermange­lung von Toiletten wurden alle zur Verfügung stehenden Gefäße, sogar leere Einmach­gläser hierfür benutzt. Eine unter Kartoffeln im Keller versteckte Schnapsflasche war schnell gefunden und entleert. Wir wurden jedoch
nie von der Besatzung beläs­tigt oder schikaniert. Oft fiel auch für die Kinder eine Tafel Schokolade ab. Später mus-sten alle männlichen Einwoh­ner von 16 bis 65 Jahren den Schlamm auf den Straßen be­seitigen. Mit Schaufeln wurde er Richtung Burg bewegt und in den kleinen Fischteich bei der Mühle eingeleitet. Hierzu wurde in die Begrenzungs­mauer einfach ein großes Loch gebrochen. Hier lag der Schlamm über 60 cm hoch. Im Sommer wurde der einge­trocknete Schlamm dann ent­fernt.
Bei der Burg bauten amerika­nische Pioniere eine vorgefer­tigte Eisenbrücke über die Kyll. Fortan ging der gesamte Vormarsch über den alten Lissinger Weg in Richtung Rhein. Später wurde die Brücke abgebrochen und im Landesinneren weiter ver­wendet. Die Einwohner muss-ten nun wieder den Weg durch die Kyll nehmen, bis nach Jahren eine neue Brücke gebaut wurde.