Erinnerung an den Heiligabend 1944
Heinrich Stolz †, Jünkerath
Im fünften Kriegsjahr, es war Heiligabend. Herrlicher Sonnenschein und auf den Feldern und Wiesen lag viel Schnee. Es war Nachmittag, der Himmel war voll von Motorengeräuschen. Englische und amerikanische Bomberverbände flogen bei klarem Wetter jeden Tag An­griffe auf deutsche Städte und Dörfer.
Mein Heimatort Pelm liegt an der Bahnstrecke Köln - Trier, damals eine wichtige Nach­schubverbindung zum West­wall.
Ein Bollwerk aus Bunkern, Panzerhöckern und Schützen­gräben. Transportzüge mit Soldaten, Kanonen und Pan­zern wurden an einer Rampe an der Bahnstrecke zwischen Pelm und Gerolstein ausgela­den. Ein Angriffsziel für den damaligen Feind. An diesem Tag waren zum ers­ten Mal Angriffszeichen über
Pelm gesetzt. Dies waren weiße Nebelstreifen, die in der Luft hingen. Von Aufklä­rungsflugzeugen wurden sie zur Markierung der Angriffs­ziele für die nachfolgenden viermotorigen Bomber, auch fliegende Festungen genannt, benutzt. An diesem Tag stand ich als junger Bursche von 14 Jahren auf der Straße und schaute dem Schauspiel am Himmel zu. Die Flugzeuge glitzerten im hellen Sonnen­schein.
Plötzlich - ein unheimliches Rauschen in der Luft. Mein erster Gedanke war, das müs­sen Bomben sein. Ich lief so schnell ich konnte in ein Nachbarhaus, da schlugen auch schon die Bomben ein. Das Nachbarhaus wurde halb zerstört. Unter der schräg her­unterhängenden Flurdecke konnte ich durch die Futter­küche, damals noch üblich in den Bauernhäusern und Vieh-
ställen, ins Freie gelangen. Ein schlimmes Bild der Zer­störung war zu sehen. Zwei Häuser lagen total am Boden, unser Haus stand noch, nur das Dach war beschädigt. Es gab viele Tote, ganze Famili­en wurden ausgelöscht. Auf einmal merkte ich, dass ich am Kopf blutete. Ein gerade im Dorf anwesender Arzt, Dr. Linden aus Gerolstein, schau­te sich das an und klebte ein Pflaster drauf. Er sagte, du bekommst auch das Verwun­deten-Abzeichen - einen Blechorden für die Soldaten, die an der Front verwundet wurden.
Alles war längst in Verges­senheit geraten. 1999 musste ich zur Computertomogra­phie. Dort wurde sichtbar, dass noch ein kleiner Bom­bensplitter im Kopf steckt. Das Verwundeten-Abzeichen habe ich doch nicht bekom­men.