Requirieren von Wohnungen
Helmut Klassmann, Daun
Requirieren - ein Wort, das der jüngeren Generation heu­te in seiner ursprünglichen Bedeutung nicht mehr geläu­fig ist - bedeutet, dass nach dem verloren gegangenen 2. Weltkrieg die Alliierten, zunächst die Amerikaner, dann die Franzosen, die Be­reitstellung von Quartieren und Büros für die Unterkunft und Verwaltung der besetzten Zone verlangten. In Erinnerung geblieben ist die Demontage, der Abbau der Industrieanlagen, um die deutsche Industrieproduktion zum Erliegen zu bringen. Diese Entwicklung ist, wie ja allgemein bekannt, jedoch für den Westen Deutschlands ganz anders verlaufen. Auch im Kreis Daun hatte der verlorene Krieg die Bevölke­rung in Not und tiefes Elend gestürzt. Überall sah man ausgebombte Wohnhäuser, Ökonomiegebäude, gespreng­te Eisenbahn- und Straßen­brücken. Die Aufgaben, die sich den Kommunalverwal­tungen stellten, schienen unlösbar, denn es galt, Verwaltung und Wirtschaft wieder aufzubauen. Zu dieser allgemeinen Not kam hinzu, dass für die Besat­zungsbehörden ausreichend Quartiere und Büros zur Verfügung gestellt werden mussten. Die amerikanische Besatzungszeit dauerte vom
06.03.1945 bis 09.07.1945. Ab 10.07.1945 kamen die Franzosen. Die Besatzungszeit endete am 20. Februar 1946. Im Kreis Daun blieb lediglich französische Gendarmerie. Die drei Hauptorte des Kreises - Daun, Gerolstein und Hilles-heim - waren durch Luftan­griffe und Artilleriebeschuss sehr in Mitleidenschaft gezo­gen und so gestaltete sich die Requirierung von Wohnun­gen äußerst schwierig. Da die französischen Besatzer oft ihre Familien mitbrachten, mussten deutsche Familien aus ihren noch intakten Woh­nungen ausziehen, um den Besatzern Platz zu machen. Dass dabei Probleme auftra­ten, ist nur verständlich. So mussten zum Beispiel in Daun 33 Wohnungen mit 76 Zimmern bereitgestellt wer­den, in Schalkenmehren 56 Wohnungen mit 63 Zimmern. Dies sind nur zwei Beispiele, die für viele andere Orte, wie Jünkerath, Mirbach, Stein­born und Mehren stehen. Ebenso wurden Hotels als Kasernen benutzt; so in Daun das Eifelheim, die Hotels Fries und Gandner, in Mehren die Hotels Schüller und Spelz, in Schalkenmehren das Gast­haus Schmitz und in Birgel das Gasthaus Reifferscheid. Ebenso dienten der Dauner Sprudel und das Kneippbad als Unterkünfte für die Besat-
zungssoldaten. Schwierig war auch die Be­schaffung der Einrichtungs­gegenstände für die requirier­ten Wohnungen, die auch eine Pflichtaufgabe der deut­schen Behörden war. Eine enorme Belastung für den Kreis Daun stellten weiter die fortlaufenden Lieferungen für den Bedarf der Stadt Trier dar. Wenn auch die Versor­gungsschwierigkeiten der Stadt Trier nicht zu verken­nen waren, so muss man aber auf der anderen Seite in Be­tracht ziehen, dass der Kreis Daun sehr landwirtschaftlich geprägt und daher die Art der geforderten Möbel nur in begrenzter Anzahl zu finden war, zumal die Orte, in denen bessere Möbel noch am ehes­ten vorhanden waren, sehr schwer durch Kriegseinwir­kungen gelitten hatten. Als eine besondere Härte wurde die so genannte Kar­freitagsaktion 1946 angese­hen, denn bei dieser einen Forderung mussten unter anderem an die Stadt Trier 48 Schlafzimmer, 15 Esszim­mer und 18 Küchen mit dem erforderlichen Inventar, 3500 Betttücher, 390 Hand- und Küchentücher und 800 Woll­decken geliefert werden. Außer den vorgenannten Gegenständen wurden alle in den Häusern befindlichen Güter wie Einmachgläser,
Kleiderbügel, Essbestecke und Kinderwagen beschlagnahmt. Um den Umfang der Beschlagnahmungen zu ver­deutlichen seien hier nur eini­ge wenige Beispiele aufge­führt:
350 Betttücher 1210 Hand-und
Küchentücher
308 Kaffeegedecke
980 Wolldecken 1000 Einmachgläser 1050 Wein- und Likörgläser
310 Stühle
270 Tischdecken
190 Kochtöpfe
500 Kleiderbügel In dem Bestreben, die Zivilbe­völkerung zu entlasten, sah
sich der Kreis mehrmals dazu veranlasst, in der englischen Besatzungszone Wäsche und Möbel zu erwerben. Die unliebsamen Ereignisse liegen nunmehr 57 Jahre zurück und sind sicher nur den älteren Bewohnern des Kreises Daun in Erinnerung. Hoffen wir alle, dass wir von solchen kriegerischen Ausein­andersetzungen mit anschlie­ßenden Besatzern verschont bleiben, damit Requirierun­gen nie wieder nötig sein werden.
Die Zahlen stammen aus dem Verwaltungsbericht des Krei­ses Daun für die Jahre 1945 -1948, aber aus Gesprächen mit meinem verstorbenen Va-
ter ist mir bewusst geworden, wie schwer die Aufgabe für die Leute war, die diese Anordnungen der Besat­zungsmächte durchzuführen hatten. Selbst mit Not und Elend bestens vertraut, mus-sten Sie nun die wenigen noch intakten Gebrauchsgü­ter requirieren, um den Besat­zungsmächten gerecht zu werden. Dies führte zu vielen Gewissenskonflikten, auf der einen Seite die Forderungen der Alliierten und auf der an­deren Seite die bittere Armut der Kreisbewohner. Aber wie die geschichtliche Entwick­lung zeigt, konnte auch diese schwere Zeit gemeistert werden.