Als Josef Palmes einmal rannte
Peter Scheid, Bodenbach
Der 2. Weltkrieg war zu Ende. Die Dörfer und Städte unserer Heimat waren gezeichnet von den verheerenden Verwüstun­gen, die dieser Krieg hinter­lassen hatte. Das einzige, was den Menschen blieb, war die Hoffnung aufbessere, friedli­chere Zeiten.
Die französische Besatzungs­macht verlangte einen hohen Tribut an Wiedergutma­chungsgütern. Familien mussten je nach Besitzstand eine Kuh oder ein Pferd ablie­fern, und die Gemeinden eine
bestimmte Menge an Holz hergeben.
Diese Wälder, heute noch 'Franzosenschlag' genannt, galt es nun wieder aufzufors­ten. Doch zuvor mussten je­doch erst die Kahlflächen von den zurückgelassenen Zwei­gen und Baumkronen befreit werden. Dies geschah meist durch große Feuer. Für die Kinder und Jugendlichen unseres Dorfes kamen diese Feuer gerade recht, um die zu dieser Zeit sehr zahlreich her­umliegenden Karabinerpatro-
nen zur Explosion zu bringen. Ein sehr gefährliches Spiel, wie die folgende Geschichte zeigt.
Josef Palmes aus Bodenbach war Maurer von Beruf. Ihn als Sprinter zu den Olympischen Spielen zu schicken, wäre sicherlich ein Fehler gewesen. Von der Natur mit einer See­lenruhe ausgestattet, ging er gemächlichen Schrittes durchs Leben. Kein Bodenba­cher kann sich erinnern, Josef Palmes mal zügigen Schrittes gehen oder gar laufen gese-
hen zu haben. Oder vielleicht doch?
Am östlichen Ortsrand von Bodenbach, da wo der Weg nach Rothenbach führt, liegt rechter Hand das „Sicke' Ber­gelchen", ein Berghang, der heute einen stattlichen Douglasienwald aufweist. Diesen Berg hinauf spazierte der Palmes, in der uns bekannten Geschwindigkeit, schnurstracks einem Feuer entgegen, das dort loderte. Am Ort der Begierde ange­kommen, zog er seine Pfeife
aus der Tasche und füllte die­se mit seinem Lieblingstabak. Er bückte sich zum Feuer, um nach einem geeigneten Glut­stückchen Ausschau zu halten, welches er auf den Pfeifen­kopf legen wollte, um in den Hochgenuss des Tabakrauchs zu gelangen. Doch im glei­chen Augenblick flog durch eine gewaltige Explosion das Feuer auseinander. Glut und brennende Holzstücke wirbel­ten meterweit umher. Nur von Palmes war nichts mehr zu sehen.
Er hatte sich in rekordver­dächtiger Geschwindigkeit aus dem Staub gemacht. Selbst seine über alles gelieb­te Pfeife hatte er in seiner Todesangst im Stich gelassen. Es war noch einmal gut gegangen. Er war mit dem Schrecken davon gekommen. Doch auch den jungen Bur­schen, denen die Gefährlich­keit ihres Spiels damals nicht bewusst war, steckte der Schrecken lange in den Gliedern. Heute lacht man darüber.