Brieffreundschaft
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Erich Brang, Basberg
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Am
04. Dezember 1944, an einem leicht bewölkten Wintertag, wurde
Gerolstein von mehreren Jabos (JAGDBOMBER) angegriffen. Das Geschehen
konnten wir von unserem Hof aus gut beob-
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achten.
Während die deutsche Flugabwehr (Flak) versuchte, die Anflüge
abzuwehren, schoss plötzlich ein feindliches Flugzeug mit
ohrenbetäubendem Heulton senkrecht in die Wolken, stürzte
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auf
die gleiche Weise wieder zurück und schlug zwischen Feusdorf und
Birgel, „Hinter Langen, op Strikau" in einer Wiese auf. Am nächsten Tag
machten mein Bruder und ich noch die letzten Futterkohlra-
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bi
„Auf der Sandkaul" aus, und als wir damit fertig waren, meinte Nikla:
„Komm wir laufen mal schnell hinter „Langenwäldchen" und sehen nach dem
abgestürzten Flugzeug, vielleicht finden wir noch etwas Brauchbares."
Als wir am Absturzort ankamen, trauten wir unseren Augen nicht, das
Flugzeug war in unzählige Einzelteile zerrissen, nur die Tragflächen
konnte man gerade noch so erkennen. Mitten in diesem Wirrwar aus Stahl
und Leichtmetall lag der tote Pilot. Nach den sichtbaren Verletzungen
zu urteilen, musste er sofort tot gewesen sein. Mit einem unheimlichen
Gefühl, Angst und auch Trauer, machten wir uns schleunigst auf den
Heimweg und erzählten unserem Vater, was wir gesehen hatten. Mein
Vater meinte: „Wir können den Toten aber nicht so liegen lassen. Ich
spreche mit Onkel Peter, dann werden wir ihn morgen in der nahen
Fichtenkultur beerdigen." Als sie am anderen Tag dort ankamen, war die
Leiche nicht mehr da. Später stellte sich dann heraus, dass Birgeler
Leute den toten Piloten beerdigt hatten. Eines Tages im August 1945 kam
ein Jeep, besetzt mit drei amerikanischen Sanitätssoldaten und
Ortsbürgermeister Nikolaus Brang, auf unseren Hof gefahren.
N.
Brang sagte: „He Erich, hi sin e paar Amerikaner, die konne keen Dütsch
on ech keen Amerikanisch, ech wees net wat die welle, kans du ens met
denne schwätze?" Ich begrüßte die Soldaten auf
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Englisch
und sie fragten, ob mir etwas von einem Flugzeugabsturz am 04.
Dezember 1944 bekannt sei. Ich erzählte den Soldaten, was ich wusste.
Sie baten mich, ihnen die Absturzstelle zu zeigen und erklärten mir,
dass Aufklärer diesen Absturz zwar registriert hätten, man sich aber
nicht sicher wäre, um welches Flugzeug und um welchen Piloten es sich
dabei gehandelt habe. An der Absturzstelle
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uns
und er erzählte mir, dass die Amerikaner gleich nach dem Einmarsch die
im nahen Wald beerdigte Leiche ausgegraben und wegtransportiert
hätten. Der Pilot war jetzt anhand der Fundteile identifiziert und
auch der Verbleib der Leiche aufgeklärt. Die Amerikaner brachten mich
wieder nach Hause, bedankten sich, rückten noch eine Stange Zigaretten
heraus, machten noch einige Fotos von mir und unserem Haus und fuhren
zurück zu ihrer Einheit nach St.Vith. Ich war sehr überrascht, als im
August 1947 eine amerikanische Limousine auf der Straße anhielt und
die Insassen mich und unser Haus beobachteten. Der Fahrer stieg aus,
zeigte mir ein Foto und fragte mich, ob ich der Junge auf dem Foto sei.
Als ich mit Ja antwortete, stellte er sich als holländischer
Reisebegleiter vor. Mittlerweile waren zwei Frauen ausgestiegen und er
stellte dieselben als Missis und Miss Stover vor, Mutter und Schwester
des am 04. Dezember 1944 abgestürzten Piloten. Ich war sehr
überrascht, als ich den Frauen gegenüberstand und von ihnen begrüßt
wurde. Die Mutter sagte, sie wären froh, dass sie mich gefunden
hätten. Die Mitarbeiter vom Suchdienst hätten zwar Fotos von mir
gemacht, aber nicht nach meiner Adresse gefragt. Sie wüssten gerne mehr
über den Tod und den Absturz ihres Sohnes und hätten deshalb die weite
Reise über den Atlantik gemacht. Das Grab hätten sie auf einem
belgischen
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angekommen,
versuchten die Drei nähere Anhaltspunkte zu finden. Auf einem Stück der
Tragflächen wurde die Nummer des Flugzeuges und in den Trümmern das
Rückenteil aus der Pilotenweste mit Namen und Kenn-Nummer gefunden. Der
Pilot war Lt. James Stover und das Flugzeug eine Thunderbold P 47.
Mittlerweile kam ein Birgeler Junge mit seinen Kühen auf die Wiese; wir
unterhielten
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Ehrenfriedhof
besucht und möchten nun auch noch die Absturzstelle sehen. Ich
erzählte ihnen dann auf der Fahrt, mit dem nötigen Feingefühl und so
gut es meine Englischkenntnisse zuließen, was ich gesehen und gehört
hatte. An der Absturzstelle sah es fasst noch genau so aus wie damals
und Mutter und Schwester des Piloten waren sehr erschüttert. Nach einer
halben Stunde fuhren wir dann wieder nach Feusdorf zurück, es herrschte
eine gedrückte Stimmung im Wagen. Sie baten um meine Adresse und ich
würde von ihnen hören. Der Besuch aus USA und auch das Geschehen an der
Absturzstelle hatten mich sehr beeindruckt, und ich habe noch oft
darüber nachgedacht.
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Im
November kam ein Luftpostbrief aus Amerika. Frau Stover bedankte sich
sehr herzlich bei mir und wünschte meiner Familie und mir „Merry
Christmas and a hap-py New Year" und kündigte gleichzeitig ein Paket
an. Das war der Anfang einer Brieffreundschaft, die bis zum Tode von
Frau Stover andauerte. Vor Weihnachten kam das Paket und der Inhalt
verschönerte unser Weihnachtsfest. Außerdem hatte Frau Stover ein Foto
ihres Sohnes beigelegt. Im Februar beantwortete sie meinen Dankesbrief
und bat mich, ihr die Konfektionsgröße von meinem Bruder und mir
mitzuteilen. Frau Stover war Rektorin an einer High-School in Oklahoma
City. Die Briefe gingen hin und her und in der Kirmeswo-
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che,
Juni 1947, kam wieder ein Paket. Zwei Anzüge mit dazu passenden Hemden
und Krawatten, neben vielen anderen Sachen, brachten meinen Bruder und
mich fast außer Rand und Band. Die Freude war riesengroß, waren es doch
unsere ersten neuen Anzüge nach dem Krieg. Die Brieffreundschaft
bestand weiter bis November 1956. Damals teilte die Tochter mir mit,
dass ihre Mutter verstorben sei. Ich habe noch per Brief meine
Anteilnahme ausgesprochen und nach Erhalt der Dankkarte war die
Brieffreundschaft beendet. Schade, sie hatte neun Jahre gedauert und
meine Englischkenntnisse immer wieder aufgefrischt und mir Land und
Leute jenseits des Atlantiks ein wenig näher gebracht.
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