Mühevolle Heimkehr
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Michael Hammes, Daun
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Zuletzt
befand sich unsere Sanitätsstaffel in Niederösterreich nahe der
tschechischen Grenze. Am Sonntagabend, 6. Mai 1945, erhielt ich den
Auftrag, mit einem pferdekundigen Fahrer einen Verwundeten zu einem
Sanitätsdepot zurückzufahren. Wie wir es gewohnt waren, wollten wir
nach ein paar Stunden Ruhe, wieder zur Einheit zurückkehren. Doch das
ging nicht mehr. Russische Granaten schlugen frühmorgens vor dem Dorf
ein. Meinem Fahrer gab ich den Auftrag, die Pferde zu versorgen,
während ich zum örtlichen Pastor ging und diesen bat, mit mir zur
Kirche zu gehen, damit ich dort eine hl. Messe um glückliche Heimkehr
lesen könne. Als wir dann weiterfuhren, wurden wir von russischen
Fliegern beschossen. Wir ent-
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fernten
uns vom Fuhrwerk. Beide Pferde wurden getroffen. Wir ließen sie stehen
und suchten ein anderes Gefährt. Doch immer wieder kamen die
Jagdflieger und schossen auf alles, was sich bewegte. So stellten wir
uns unter einen mächtigen Baum und warteten bis zum Anbruch der
Dunkelheit. Nach nächtlicher Fahrt kamen wir bei der Sanitäts-Kompanie
an. „Fahrt so weit, wie ihr könnt" rief der Kompaniechef aus seinem
Auto uns zu. „Der Krieg ist zu Ende." Wir zwei schlugen die Richtung
über Waidhofen nach Linz/Donau ein, mit dem Ziel, die Amerikaner zu
erreichen. Eine Schar Landser auf Pferdewagen kam uns entgegen und
meldete, die Russen hätten die gesamte Umgebung besetzt. Der nächste
Weg zum Amerikaner sei
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der
nach Budweis/Tschechei. So schlossen wir uns dieser Gruppe an.
Nachmittags sahen wir plötzlich eine Kolonne Russen, die uns
zuriefen: „Komm Kamerad, komm Kamerad!" Wir rannten in den nahen Wald
und zogen auf der Landstraße weiter. Gegen Abend kamen wir an einen
größeren Ort (es war Trebon, zu deutsch Wittingau), der von Russen
besetzt war. Ich flüchtete in einen nahe gelegenen Wald, wo sich noch
mehrere Kölner versteckt hielten. Doch wir wurden von Partisanen
entdeckt, die auf uns schossen. So hoben wir die Hände und ließen uns
abführen.
Der
russische Kommissar nahm uns als erstes die Uhren und Taschenmesser ab.
Die Verwundeten ließ er in eine Schule fahren, die übrigen
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Gefangenen
in Sechserreihen aufstellen. Ich zog eine Rotkreuzbinde an und habe
denen, die nicht gut zu Fuß waren, irgendeinen Verband angelegt, damit
sie auf einem Fahrzeug mitfahren konnten. Verpflegung gab es keine.
Aber ich merkte, dass die Straße immer nur einige Kilometer nach
Österreich zeigte. Andern Tags fragte ich eine Frau, durch welchen
größeren Ort wir noch kämen. „Das ist Zlabinsk" sagte die Frau. Das war
für mich eine Himmelsbotschaft, denn ich war vor einer Woche mit
Verwundeten durchgekommen und habe die Wohltaten der Leute schätzen
gelernt. In Zlabinsk stiegen einige Landser beim ersten Haus ab, wir
dann beim zweiten. „Liebe Frau, versteckt uns", baten wir, „wir setzen
uns hier ab." Sie führte uns ins Oberstockwerk der Scheune, brachte uns
Kaffee und Kuchen auf der Leiter hinauf. Wir schwitzten vor Angst und
hörten ständig Kommandos und Musik russischer Besatzung: Als es Abend
geworden war, nahmen wir, mein Kamerad Hein-
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rich
und ich, dankend Abschied und sie wies uns in die Richtung nach
Österreich. Weil das Gebiet unsicher war, zogen wir des Nachts weiter
und hielten uns tagsüber im Wald auf. In dem nächsten kleinen Dorf
fanden wir Hilfe bei einem Geistlichen. Ich konnte sogar eine Messe
zelebrieren. Die Haushälterin besorgte uns Zivilkleider. Am folgenden
Tag zogen wir, mit einer Hacke auf der Schulter wie Landarbeiter
aussehend, weiter, manchmal sogar an Russenkolonnen vorbei. Am
Pfingstsonntag kamen wir glücklich auf der amerikanischen Seite an.
Unterwegs trafen wir ein Schwesternhaus, das mich aufmerksam machte
auf ein Manufakturgeschäft, das schwarze Hosen und Gehröcke feilbot.
Bezahlen konnte aber niemand von uns. So wurden diese Sachen geschenkt
und die Schwestern nähten ein Kollar, sodass ich nun ein fertiger
Kaplan war. In einem anderen Ort mit Bürgermeisteramt gingen wir, es
hatte sich noch ein dritter uns angeschlossen: ein Theologe aus
Arnstein, dem Klos-
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ter
nah der Lahn ins Pfarrhaus, baten um ein Mittagessen, was gerne
genehmigt wurde. Als ich dem Pastor sagte, dass wir keinerlei Ausweise
und Papiere hätten ging er mit uns zum Amt, wo wir polizeiliche
Abmeldescheine erhielten. Zusätzlich gab mir der Pastor einen Schein
mit Pfarrstempel, dass ich bei ihm dienstlich gewesen sei. Das wurde
später in einem Pfarrhaus ins Englische übersetzt, was uns sehr half.
Den Österreichern gebührt großer Dank für ihre enorme
Hilfsbereitschaft. In der Gegend von Cham in Bayern trennten wir uns.
Jeder schlug einen eigenen Weg nach Hause ein. (Meine Mitwanderer
kamen wohlbehalten in der Heimat an.) Drei Wochen waren bis jetzt
vergangen. In einem Pfarrhaus erhielt ich ein Fahrrad, mit dem ich
über Darmstadt, Bad Kreuznach (viele Kontrollen wegen der dortigen
Gefangenenlager), über die Hunsrück-Höhenstraße nach Koblenz radelte.
Dort habe ich mich an- und wieder abgemeldet. Am 10. Juni 1945 kam ich
glücklich in Neunkirchen an.
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