Natur und Landschaft
Dohnenstrich und Krammetsvögel
Heinz Hürth, Steffel n
Eine sehr zahlreiche Gruppe von Singvögeln bilden die Drosseln (Turdus), kräftige Vögel, die in Europa, Asien und Nordamerika leben. In früheren Zeiten waren sie sämtlich Waldvögel, aber in den letzten hundert Jahren lassen sie auch vielfach in Parks und Gärten ihren herrli­chen Gesang erschallen. Ihre Beliebtheit ist leider nicht allein auf ihre wunderbaren Stimmen zurückzuführen,
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denn bis vor hundert Jahren noch hatten sogenannte Fein­schmecker sie zum „Fressen" gern.
Der Krammetsvogel - sein eigentliche Name lautet Wa­cholderdrossel (Turdus pilaris) - war bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts vom ersten September bis zum dreißigsten November jagdbares Wild. Eigens für den Fang wurde der soge­nannte „Dohnenstrich" erfun­den, der nichts an­deres war als eine aus dünnen Gerten gefertigter Rahmen mit eingebundenen starken Pferdehaar-stricken. Diese Fangvorrichtungen wurden in Abstän­den von zwanzig Schritt, den soge­nannten Dohnen in Mannshöhe an Bäumen und Sträu­chern aufgehangen. Sobald im Herbst die ersten Drosseln erschienen, wurden Büschel von Eber­eschen oder Holun­derbeeren an den Fallen befestigt, die die auf dem Vogel­zug befindlichen
Tiere anlockten. Sie waren so aufgehangen, dass der Vogel beim Versuch, sich eine Beere zu nehmen, in eine Schlinge geriet und beim Versuch ab­zufliegen, erdrosselt wurde. Besonders an trüben und nebligen Tagen fingen sich in diesen Strickfallen nicht nur Wacholderdrosseln, sondern auch andere Vögel, die dann zu Hunderten ebenfalls qual­voll ihr Leben lassen mussten. Da ist vor allen die Singdros­sel oder Zippe (Turdus musi-cus), dann die Misteldrossel, auch Schnarre genannt (Turdus vissivorus), die Wein oder Rotdrossel (Turdus iliacus), die Amsel oder Schwarzdrossel (Turdus merula), die bei uns Jahres­vogel ist.
Viele Jahrzehnte hat es ge­dauert, bis dieser Vogelmord gesetzlich verboten wurde. Der Drosselgesang ist den Liebhabern des Vogelgesangs nächst dem der Nachtigall der liebste, und dies mit Recht, denn man kann auch an den Gesang der verschiedenen Drosselarten die höchsten Ansprüche stellen. Die Voll­kommenheit ihres Gesanges kann nur von Kennern in ihrem feinsten Silberton beurteilt werden.
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