Der Spatz oder Sperling
vom Aussterben
bedroht?
Heinz Hürth, Steffel n
Diese Vögel haben viele Namen. Von den drei bei uns vorkommenden Sperlingsar­ten ist der Hausspatz wegen seiner List, Zudringlichkeit und Dieberei ein nicht gern gesehener Gast. Der Feldsper­ling (Passer montanus), sowie der sehr seltene Steinsperling (Passer petronius) sind nicht so beliebt wie der Haussper­ling. Der Sperling gehört zu der größten Vogelgruppe aller Vogelarten und ist weltweit zu finden. Wo es Menschen gibt, gibt es auch Spatzen, selbst auf den entferntesten Inseln.
Sparo nannten ihn unsere Vorfahren vor tausend Jah­ren, was soviel wie Straßen­vogel bedeutet. Wer einen Garten besitzt und Samen ausbringt, wer ein empfindli­ches Ohr hat, der hat oft Grund, ihm böse zu sein oder ihn zu jagen. Es gab Behör­den, die diese Maßnahmen belohnten. Der Spatz jedoch besitzt eine große Anpas­sungsfähigkeit, ist klug und
misstrauisch. Eine Vogel­scheuche aus Hemd und Hut erkennt er sofort. Zu allen Zeiten war der Spatz für seine grenzenlose Vermehrungsrate bekannt. Die Raufszenen bei der Balz kann man wohl kaum als Liebeswerbung be­zeichnen; keine andere Vogel­art geht derart rau mit der Angebetenen um, wie dies ein Spatz tut. Zum Nisten ist ihm jeder Platz recht, er muss nur seinem Höhleninstinkt ein wenig entgegen kommen. Als Nahrung nehmen die Haus­sperlinge alle Arten von Abfällen, Brot, Gemüse - alles was ein Vogelmagen verdau­en kann. Auf Getreidefeldern ist er genau so zu finden wie in Obstgärten; auch Insekten verzehrt er eifrig. Seine Brut wird nur mit Insekten aufge­zogen. So leistet er eine um­weltverträgliche Schädlings­bekämpfung. Er ist übrigens der einzige Vogel, der Kartof­felkäferlarven verspeist. Die Hühnerhaltung war für Sperlinge eine ideale Ganz­jahresversorgung, denn der Einflug in Ställe ist kein Hin­dernis, und kein anderer Vogel ist so dreist wie er. Ge­treidefelder wurden gerne zur Zeit der Reife in Schwärmen aufgesucht. Dabei wurde beobachtet, dass immer nur wenige Augenblicke gefressen
und dann gleich in eine Hecke oder einen Baum zurück ge­flogen wurde - ein taktisches Verhalten, denn so kann sich kein Feind auf einen Angriff einstellen. Es gibt bei uns in Europa keine Vogelart, die sich so schnell und selbstver­ständlich auf eine neue Situa­tion einstellt wie der Spatz. In meinem ornithologischen Bericht an der Oberen Kyll habe ich 1996 folgendes ge­schrieben: „Große Einbußen sind in diesem Jahr wieder bei den beiden Spatzenarten (Passer montanus) und (Passer domesticus) festzustellen, wobei der Feldsperling nach meinen Beobachtungen auf die rote Liste der vom Aussterben bedrohten Arten gehört. Mag es noch so un­wahrscheinlich klingen, aber meine Beobachtungen übers Jahr, auch außerhalb meines Betreuungsgebietes an der Oberen Kyll, ergeben eine niederschmetternde Bilanz. Bei meinen Nistkastenkon­trollen von fast eintausend Kästen im Sommer und Herbst ist mir schon das Fehlen der Feldsperlinge auf­gefallen, aber da dieselben ja auch andere Nistplätze wie Baumhöhlen benutzen, habe ich mir keine allzu große Sor­gen gemacht. Durch meine Beobachtungen über Jahre an
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Fotos: Gerd Prokoph, Gerolstein
mehreren Winterfutterstellen an der Oberen Kyll, wie auch im Kölner Vorland, kann man von einem Minimalvorkom­men sprechen. Der Bestand an Haussperlingen ist ebenfalls weiter rückläufig, auch hier gibt es Anlass zur Sorge. Das nur der Mangel an Nistmög­lichkeiten zum Rückgang bei­trage, wie manche Experten meinen, kann ich nicht nachvollziehen. In den letzten zwanzig Jahren waren es
nach meinen Aufzeichnungen immerhin im Schnitt vierzig bis sechzig Nistkästen die mit Feldsperlingen an der Oberen Kyll besetzt waren, heute ist es selten, einen beflogenen Nistkasten mit Sperlingen zu finden."
Freilaufende Hühner sind heute sehr selten geworden, also fällt diese Futterquelle auch fort, offene Scheunen sind kaum noch zu finden. Druschabfälle, Wildsämereien
und Getreidereste über Winter auf den Feldern gehören der Vergangenheit an. Kaum ist ein Feld abgeerntet, so ist schon der Pflug da oder der erste Güllewagen: Aber wel­cher Vogel wird solche Äcker nach Fressbarem absuchen? Der Spatz scheint vom Aus­sterben bedroht. Es gibt leider immer noch Leute, die glauben, sie wären nur etwas weniger geworden, aber die Realität sieht anders aus.