Auf Spurensuche in einem Grenzgebiet
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Hubert Pitzen, Stadtkyl l
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Lage und Flurbezeichnungen
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den Ortsgemeinden Jünkerath/Glaadt - Stadtkyll -Dahlem und Baasem liegt
auf etwa 530 Meter Höhenlage ein historisch interessantes Gebiet. Fast
alle Spuren sind verwischt, hinter Bäumen versteckt oder vom Zerfall
bedroht. Auf etwa fünf Quadratkilometer finden sich geschichtliche
Zeugen beziehungsweise Areale, die einen Zeitraum von fast 2000
Jahren widerspiegeln. Von der Römerzeit bis in die 90er Jahre des 20.
Jahrhunderts zieht sich der Zeitrahmen. Ein Teilbereich dieses
Grenzlandes steht heute unter Naturschutz. Auf der Kartenaufnahme der
Rheinlande (Tranchot-Karte) von 1803-1820 findet man folgende
Flurbezeichnungen: Sickenberg, Auf der Heiter, Dalemer heyd, Hall und
Königesbusch. Da die Flurnamen auf der Tranchot-Karte häufig nicht
exakt wiedergegeben sind, müsste es bei „Auf der Heiter" sicherlich
„Auf der Heide" heißen. Die Karten wurden in französischer Zeit auf der
Grundlage von Karten der Feudalzeit erstellt. Heute heißen die
offiziellen Flurbezeichnungen: Auf der Heide, Auf der Heid, Fuchskaul
und Am Gericht. An den Gemarkungsgrenzen Stadtkyll,
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Baasem
und Dahlem findet sich die Bezeichnung „Im Leger". Unter „Heide"
verstand man ein Ödlandgebiet, das landwirtschaftlich kaum genutzt
wurde. Heute sind diese Flächen fast gänzlich verschwunden. Das Land
wurde melioriert. Sowohl
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Glaadter, Dahlemer, Stadt-kyller und Baasemer Aussiedlungshöfe bewirtschaften das Gebiet.
Das Grenzland
Ein vermooster alter Grenzstein weist heute noch auf die Grenzlage des Gebietes hin. In
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Ausschnitt
aus der Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot und v. Müffling
1803-1820. Hier ist das Grenzgebiet in französischer Zeit dargestellt.
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der
Feudalzeit gab es Grenzprobleme zwischen den Grafen von Blankenheim
und Ge-rolstein. Nach der Feudalzeit fiel das Gebiet an das
französische Kaiserrreich und seit dem Wiener Kongress (1815) an
Preußen (Rheinprovinz). Die neu geschaffenen Kreise Schleiden (Dahlem -
Baasem), Daun (Glaadt) und Prüm (Stadtkyll) liefen hier zusammen. Nach
dem 2. Weltkrieg grenzten hier die britische und französische
Besatzungszone. Als 1947 der preußische Staat aufgelöst wurde,
entstanden die Länder Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Beide
Bundesländer stoßen in dem zu beschreibenden Gebiet zusammen. Nach
der Kommunalreform in Rheinland-Pfalz und der Auflösung des Kreises
Schleiden grenzen jetzt die Kreise Daun und Euskir-chen hier aneinander.
Das Naturschutzgebiet
Ein
Teilbereich, katasteramtlich als „Auf der Heid bei Stadtkyll"
bezeichnet, wurde 1995 aufgrund des Landes-pflegegesetzes von 1991 als
Naturschutzgebiet ausgewiesen. Das Gebiet umfasst eine Größe von 5,7
Hektar. Schutzzweck ist die Erhaltung von Borstgrasrasen,
Feuchtheiden, Zwergstrauchheiden und Gebüschkomplexen als Lebensraum
bestandsbedrohter Tier- und Pflanzenarten. Hier sind vor allem
Vogel-und Insektenarten zu nennen. Weiterhin steht der Erhalt des
charakteristischen durch kulturhistorische Landnutzungsformen
entstandenen Zustan-
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des von Natur und Landschaft im Vordergrund.
Blicken
wir nun in die Vergangenheit zurück! Dieser Blick erfolgt am Besten in
chronologischer Reihenfolge, wobei dann die räumliche Nähe der zu
beschreibenden Objekte außer Acht gelassen werden muss.
Römische Spuren
Beginnen
wir unsere geschichtliche Reise und versetzen uns in die Zeit der
römischen Besatzung, die mit der Eroberung der Eifel durch Caesar
(58-51 v. Chr.) begonnen hatte. Nachdem die Römer die keltischen
Machtstrukturen zerschlagen
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hatten,
begann die Romani-sierung der Eifel. Das Landschaftsbild prägten ein
Netz von Straßen, vereinzelte Gutshöfe und Villen (Landhäuser). An den
Straßen entstanden „vici" (Straßensiedlungen), die die Funktion von
Pferdewechselstationen (Mutationen) und Herbergsorte (Mansionen)
hatten. In der Dahlemer Gemarkung liegt der Distrikt „Im Leger". Hier
fand man 1930 weit verstreute Ziegelreste, die auf eine römische
Anlage hindeuteten. Außerdem kamen zwei römische Münzen zu Tage; ein
Sesterz des Kaisers Hadri-an (117 - 138 n. Chr.) und ein Sesterz der
Lucilla, der Gemahlin des Kaisers Lucius
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1=Naturschutzgebiet 2=Römische Funde 3=Wüstung „Linzfeld" 4=Richtstätte des Stadtkyller Hochgerichts 5=Der „Seelenseifen" 6=Westwallbunker 7= „Decca-Station" 8=Wegekreuz 9=Wegekreuz 10=Wegekreuz 11=Haus Gösgen
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Vetus
(161 - 169 n. Chr.). 1934 stieß man etwa 250 Meter von der
Siedlungsstelle entfernt auf Brandgräber mit grauen und rötlichen Urnen
sowie kugelartige Kinderrasseln mit Steinchen. Welche Funktion diese
Ansiedlung hatte, ist bis heute nicht geklärt. Vermutlich hat hier ein
römisches Landhaus gestanden, da in der Hocheifel größere römische
Ansiedlungen nicht nachweisbar sind.
Die Wüstung „Linzfeld"
Blickt man vom „Hubertushof“
in östliche Richtung, erkennt man einen breiten Taleinschnitt, der von
dem Glaadtbach und der Eisenbahnlinie Trier-Köln durchzogen wird.
Folgt man dem Bachlauf „Seckenbach", der in den Glaadtbach mündet,
gewahrt man ein terrassiertes Gelände. Hier stand an der Grenze des
Dahlemer Gemeindebannes „Auf den
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Höfen" das Dorf Linzfeld. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts nannte man dieses
Gelände „Linzfelder Wiesen". An der Wende des 15./ 16. Jahrhunderts
verschwand das Dorf und wurde zur Wüstung. Die in einem Weistum von
1501 erwähnten Flurbezeichnungen erlauben eine ungefähre
Lokalisation. Die be-
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Gezeichnet nach einem Handriss vom Jahre 1669, LHA Koblenz, Best. 29 F, Nr. 159
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schrieb
ene Grenze lief von Stadtkyll nach Norden und von dort ein Stück
entlang der Straße nach Dahlem. Südlich von Dahlem bog sie nach Osten
ab, bis sie auf den Oberlauf des Glaadtbaches stieß. Diesem folgte sie
bis zur Mündung des Seckenbaches, der dort damals wie heute die Grenze
zwischen Dahlem und Glaadt bildet. Weiter verlief die Grenze bis zu
einer Eiche und dann zu dem gesuchten Linzfeld.
Die
Nachweise der Existenz des Dorfes führen uns ins 14. Jahrhundert. 1322
gerieten die Söhne Johanns von Dollendorf Friedrich I. von Kronenburg
und Gerhard IV. von Dollendorf wegen des Zehnten zu Dahlem und
Linzfeld in einen Streit. Ein Sühnbrief von 1327 spricht dem Gerhard
von Dollendorf unter anderem den Besitz von Linzfeld zu. Friedrich von
Kronenburg verzichtete 1328 auf seine Ansprüche auf den Hof
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„Lynfeld"
und erklärte, dass dieser Hof ein Burglehen des Arnold von Blankenheim
sei. Ein Jahr später trugen die Grafen von Blankenheim dem König Johann
von Böhmen außer anderen Dörfern auch das Dorf Linzfeld zu Lehen auf.
Bis zum 16. Jahrhundert sind die Spuren Linzfelds anhand einiger
Erbkäufe zu verfolgen. 1566 fiel Linzfeld an die Grafschaft Gerolstein.
Am Stadtkyller Hochgericht und Seelenseifen
Dort,
wo die Gemarkungsgrenzen von Stadtkyll, Dahlem und Baasem
zusammentreffen, befand sich auf der linken Seite der Landstraße L 110
(alte Bundesstraße 51) der Richtplatz des Stadtkyller Hochgerichts. In
früherer Zeit kreuzten sich hier die Stadt-kyller-Dahlemer Straße und
der Weg von Glaadt nach Baasem. Das Hochgericht war durch ein Kreuz
gekennzeichnet. Leider ist es verschwun-
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Ein vermooster alter Grenzstein erinnert auch heute noch an das Grenzland.
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unschuldige
Menschen eine tödlich endende Prozedur. Zwei der Angeklagten blieb der
Gang zum Hinrichtungsort erspart. Möden hatte sich auf alle Prozesse
sorgfältig vorbereitet und sichergestellt, dass ihm eine nicht geringe
Zahl von „Hexen" in die Hände fiel. Belastende Aussagen wurden von ihm
akribisch gesammelt. Zu dem gespenstischen Verfahren der Prozesse
gesellte sich die düstere Szenerie des ein Jahr vorher abgebrannten
Fleckens Stadtkyll, der am 18. Mai 1632 durch die Willkür einer
wütenden Soldateska ein Raub der Flammen geworden war. Vor dem
Hochgericht, bestehend aus dem „Hexenjäger" Möden, dem Stadtkyller
Schultheißen Schneiß, dem Lissendorfer Schöffen Gerhard von Benrad und
dem Stadtkyller Schöffen Leinen, erschien am Donnerstag, dem 1.
September 1633, Marga-rethe Schmidt aus Stadtkyll. Zeugen hatten sie
der Zauberei bezichtigt. Sie sei am Beinhaus auf dem Kirchhof
angetroffen worden. Bereits vor 30 Jahren hatte man sie zur „peinlichen
Befragung" geladen und der „Hexenprobe" unterzogen, wobei sie nicht im
Wasser versunken war. Sie gab zu, dem „Feind" (=Teufel) im Kuhstall den
Willen getan und damit Gott abgesagt zu haben. Der Teufel sei als
schwarzer Mann gekommen und habe sich hinter der Stalltür mit ihr
vermischt. Anschließend sei sie auf einem Bock in Teufels Namen zum
„Hexentanz" geflogen. Dann verriet sie andere Teil-
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Meist drei Delinquenten wurden in einer Reisighütte aneinanderge-bunden, stranguliert und anschließend verbrannt.
Aus: „Cautio criminalis"
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den, weil man seine Bedeutung nicht erkannte. Der Flurbereich „Am Gericht" liegt etwas abseits in östlicher Richtung.
In
der Nähe der Richtstätte verläuft ein Taleinschnitt in Richtung
Stadtkyll, der im Volksmund „Seelenseifen" genannt wird. Er erinnert
ebenso wie die Richtstätte an die schlimme Zeit der „Hexenverfolgung".
Nach dem Volksglauben sollen hier die Seelen der Hingerichteten ruhelos
umhergeirrt sein. Wie kann man sich die Richtstätte vorstellen?
Die
als „Hexen" zum Tode verurteilten Menschen wurden zunächst in einer
Reisighütte an einen Pfahl gebunden und anschließend mit einer
Würgekette stranguliert. Dann zündete der Scharfrichter die
Reisighütte an. Meist wurden bis zu drei Verurteilte hingerichtet und
verbrannt, weil man die Kosten für die
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Beschaffung
des Materials und die Vorbereitung des Richtplatzes gering halten
wollte. Vielleicht hat das heute noch in einigen Orten der Eifel
übliche „Burgbrennen" am ersten Fastensonntag mit dieser
Hinrichtungsart zu tun. Blicken wir zurück in die Zeit der
„Hexenverfolgung". Hauptsächlich während des 30-jährigen Krieges
(1618-1648) geriet die Eifel in das Räderwerk des
„Hexenverfolgungsmaschinerie". Vor allem Frauen wurden bezichtigt,
einen Teufelsbund eingegangen zu sein, mit dessen Hilfe sie Menschen
schadeten. Eine unrühmliche Rolle spielte der „Hexenanwalt" Dr.
Johannes Möden, der in den Herrschaftsbereichen Stadtkyll und
Lissendorf der Grafschaft Gerolstein auftauchte und hier eine
Prozessionslawine in Gang setzte. Vor dem Stadt-kyller Hochgericht
begann am 1. September 1633 für 13
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nehmer
am „Hexensabbat". Anschließend habe sie in der Wirft (Stauseegebiet)
durch ein Feuer Wetter gemacht. Zwei Tage später, am Samstag, dem 3.
September, wurde die Angeklagte morgens um 9 Uhr erneut vor das Gericht
zitiert. Nach Anbringen der Beinschrauben gestand sie, dass der Teufel
zu ihr ins Gefängnis gekommen sei und ihr geraten habe, ihre
Bekenntnisse zu widerrufen und mit den Übeltaten fortzufahren. Sie
gab wiederum zu, auf den „Hexentanzplatz" gewesen zu sein. Danach habe
sie mehrere Kühe und Pferde vergiftet. Ihre Anwesenheit am Beinhaus
erklärte sie so: Vor 24 Jahren habe sie ein totes Kind ausgegraben und
das Herz an sich genommen. Nichts anderes wollte das Gericht hören. Als
sie auf den Peinstuhl geschnallt wurde, nannte sie u.a. eine
Komplizin. Es war die Hanen Sünn (Susanne Hanen) aus Glaadt, der man
anschließend den Prozess machte. Außerdem gestand sie den Mord an
Michael Porz, den sie vor Jahren mit einem Butterweck vergiftet hatte.
Am Montag, dem 5. September bat sie Gott um Vergebung ihrer Sünden.
Danach verlas man ihre Geständnisse. Tags darauf erfolgte in
Anwesenheit beider Schöffen, des Notars und des Dechanten die
Urteilsverkündung: „Nachdeme Schmidt Grethe von Stattkyll im
vorgenommen guit und peinlich exami-ne, auch nach gethaner Beicht und empfangener hl. Communion darbey stand-
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hafft
beharrt, dass sie Gott dem Allmechtigen und seinen lieben Heiligen ab,
dem leidigen Sathan aber zugesagt, mit demselben fleischlich
vermischt und andere zauberische Thaten Inhalts Protocolli begangen,
alß erkennen Scholteß und Scheffen deß Hochgerichts Stattkyll mit Rath
unpartheylichen postulierten Rechtsgelehrten in Gottes Nahmen zu
Recht, dass Keyser Carls deß fünften hochseeliger Gedächtnuß peinlich
Haltzgerichtsord-nung gemeß, gemeldte Greth gleichwohl uff
vorhergehende Strangulation vom Leben zum Todt hinzurichten seye, dazu
hiermit verdammt, die Seel ihrem Schöpfer und Erlöser, der Leib der
Aschen befohlen wirdt." Noch während Margarethe Schmidt vor dem
Stadtkyller Hochgericht stand, wurde die von ihr denunzierte Susanne
Hanen in Glaadt verhaftet und vor das Hochgericht geladen. Auch sie
wurde der Zauberei und der Teufelsbuhlschaft angeklagt. Die Teilnahme
an „Hexentänzen" und Vergiftungen gestand sie ein, denn der Teufel habe
einen so großen Zwang auf sie ausgeübt, dass sie sogar ihren eigenen
Leuten Schaden zufügen musste. Auch sie wurde zum Tode verurteilt. Was
das Gericht bewog, eine dritte als „Hexe" angeklagte Frau frei zu
sprechen, geht aus dem gegen sie ausgesprochenen Urteil nicht hervor.
Jedenfalls hatte Cünnen Lehn (Helene Cünnen) mehrmals die unter der
Folter erpressten Geständnisse widerrufen. Sie
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wurde
wegen des Verdachts der Zauberei und eine „Hexe" zu sein des Landes
verwiesen. Während Margarethe Schmidt und Susanne Hanen den steinigen
Weg zur Hinrichtungsstätte auf der „Stadtkyller Heide" antraten,
stranguliert und verbrannt wurden, führte das Gericht Lehn dreimal um
das Gerichtskreuz, womit sie „für alle Tage ihres Lebens" aus dem Lande
des Grafen von Gerolstein verwiesen wurde. Doch 1634 kehrte sie zurück
und wurde ergriffen. In einem Gnadenakt wurde ihr eine Frist von vier
Tagen eingeräumt, das Herrschaftsgebiet zu verlassen. In den
erhaltenen Abrechnungsakten über den „1. Brand" vom 6. September 1633
ist Cünnen Lehn aus Birgel zusammen mit Schmidt Grethe und Hanen Sünn
aufgeführt. Die Kosten für die drei Prozesse sind mit 1051/2
Reichstaler angegeben
Der
„2. Brand" fand am 12. September statt, als Barbara Feyen und Katharina
Sohns, beide aus Basberg, auf der „Stadtkyller Heide" ihr Leben lassen
mussten. Am 13. September begann Möden eine Serie von drei Prozessen,
die mit dem Verfahren gegen Margarethe Deutz aus Stadtkyll begann.
Auch bei ihr wurde die Folter rücksichtslos angewendet, weil Antworten
ausblieben oder unzureichend erschienen um das einkalkulierte
Todesurteil fällen zu können. Einen Tag später begann der Prozess
gegen Margarethe Hermes aus Basberg. Wie in fast allen vorangegangenen
Fällen
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brachte
das Gericht den Peinstuhl, die Beinschrauben und den „Zug" zu
Anwendung. Beim „Zug" wurden die auf dem Rücken mit einem Strick
zusammengebundenen Hände mit einem Wirbel angezogen, sodass der Körper
in der Luft schwebte. Schwere Gewichte an den Füßen erhöhten die
Qualen. Die oder der Gequälte zog man so weit hoch, dass sie noch
gerade auf den Fußspitzen stehen konnte. Verweigerte der Gefolterte
das Geständnis, straffte der Henker die Stricke und der Körper
baumelte schließlich in der Luft. Hermes Grethe gestand unter einer
23-stündigen Folter mehrere Ehebrüche, weigerte sich aber, Zaubereien
begangen zu haben. Das Gericht fällte am 19. September das Urteil:
„Durch den Scharpf-richter mit dem Schwert vom Leben zum Todt gericht
und verbrannt werden wegen Ehebruchs und - hochverdächtig -der
Zauberei." Noch am gleichen Tag begleitete die Deutz Grethe zum
Hinrichtungsplatz, wo beide den Tod fanden.
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In
dem Gedicht „Die Hexe von Reuth" vom ehemaligen Stadtkyller Lehrer und
Heimatforscher Heinrich Delvos wird eine Frau Grethe von „bösen
Zungen" bezichtigt, Zauberei zu betreiben. Auf dem Richtplatz aber wird
sie begnadigt und ihr ein zweites Leben geschenkt. Mit der Realität hat
dieses Gedicht insoweit zu tun, dass eine Mar-garethe („Greth") aus
Reuth tatsächlich vor dem Stadtkyller Hochgericht stand, aber durch
die Aussage der Nachbarn, sie führe einen untadeligen Lebenswandel,
frei gesprochen wird. Lediglich eine Strafe von 11 Albus hatte Grethe
aufzubringen. Einen „4. Brand" am 19. Oktober fielen Hexel Peter aus
Duppach, Heinen Grethe aus Kerschenbach und Mehls Veigde aus Birgel zum
Opfer. Der fünfte und letzte „Brand" fand am 24. Oktober statt. Drauden
Thonniß aus Basberg, Meyers Threin aus Lis-sendorf und Theiß Vrew aus
Birgel gingen ihren letzten Weg zum Stadtkyller Richtplatz „auf der
Heide".
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zen
vorhanden waren, setzte man Steine als Grenzmarken. Einige Tage vor den
Gerichtssitzungen der Feudalherren (Jahr- oder Herrengedinge) wurden
die Grenzen von einer Kommission abgeschritten und hinterfragt, ob
zwischen den Dörfern „Eintracht" erzielt werden konnte. Oft war dies
nicht der Fall, weil es häufig zu Grenzverletzungen und folglich zu
Streit kam. Bis heute sind diese Grenzbeschreibungen in den
Weistü-mern erhalten geblieben. Auf der „Stadtkyller Heide" liefen auch
in der Feudalzeit die Grenzen verschiedener Herrschaftsbereiche
zusammen. Stadtkyll und Niederkyll gehörten zur Grafschaft
Man-derscheid-Gerolstein, Glaadt zur Grafschaft
Manderscheid-Blankenheim, Dahlem und Bassem zur Herrschaft Kronenburg,
die wiederum ein Lehen von Luxemburg war. Im Jahre 1669 beschwerten
sich die Bürgerschaft von Stadtkyll über Grenzverletzungen der
Glaadter. Da beide Dörfer zu verschiedenen Grafschaften gehörten,
traten die Territorialherren auf den Plan. Auf dem Schloss Jünke-rath
kam es zwischen Ferdinand Ludwig von Gerolstein und Salentin Ernst von
Blan-kenheim zu einer Übereinkunft. Im Vertrag heißt es: „Ist
verglichen dasselbige haltzgericht auf Killer und Gerolsteiner Hocheit
allein stehen bleiben und etwan fünf Schritt davon ab nacher Gladt zu
gegen den seiffen ein rund scheidt stein (=Grenzstein), wo der
dahlemer weg uber den seyffen
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Grenzstreitigkeiten
Genaue
Festlegungen der Grenzen zwischen Dörfern spielten wegen des Weidgangs
und der Waldnutzung eine große Rolle. Bachläufe, Höhenrücken, allein
stehende Bäume oder Hecken markierten die Gemarkungen. Dort, wo keine
natürlichen Gren-
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Gezeichnet nach einem Handriss vom Jahre 1719, LHA Koblenz, Best. 29 F, Nr. 159 Grenzstreitigkeiten mit Glaadt
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und
dann wo selbiger dahlemer weg über den glaadter weg gehet, alwohe das
Creutz stehet, gesetzt werden soll. Also dass dieser dahlemer weg in
der mitten in zwey gleiche Theill getheilt und künftig die Graentz
Schei-dungh zwischen Stattkill und glaad von ggl. (=erwähnten) Stein an
dem Gericht biß auff den Stein ahm dahlemer weg gegen soll. Von danne
dem dahlemer weg nach bis uff den Glaadter weg an dass Creutz, wo ein
Stein zu setzen und die Länderey, welche zwischen diesem Bezirk
nemblich von dem Stein ahm Gericht biß uff den Stein ahm Dahlemer Weg
und biß ahn den seyffen, wo der Dahlemer weg übergehet..." Doch es
blieb bei den Problemen in diesem Grenzgebiet, wo Stadtkyll,
Niederkyll und Glaadt gemeinsam Weide und Wald nutzten. Am 6. Juli
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Der unter Denkmalschutz stehende Westwallbunker ist durch ein Geländer und Fledermausgitter abgesichert und nicht mehr begehbar.
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1690 kam es erneut zu einer schriftlichen Vereinbahrung.
Der Westwallbunker
Orts- und Zeitwechsel! Genau an der Gemarkungsgrenze zwischen Dahlem und Baasem liegt im Flurbereich
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„Im
Leger" ein Westwallbunker in einem Kieferwäldchen versteckt.
Unversehrt hat der unter Denkmalschutz stehende Bunker den 2.
Weltkrieg und die Nachkriegszeit überstanden. Es handelt sich um einen
Bunker des Regelbau-
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Das langsam verfallende Dienstgebäude der „Decca-Station"
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typs
11 in spiegelbildlicher Ausstattung. Auffallend ist, dass der Bunker
etwa drei Kilometer hinter der Westwalllinie entstand. Er diente dem
Führungsstab als Unterkunft. Der Bunker ist noch vollständig erhalten,
aber nicht mehr begehbar. Der Eingang und die Fenster sind durch
Fledermausgitter verschlossen. Der Gruppenunterstand diente der
Besatzung als Aufenthaltsraum, in denen auch Betten untergebracht
waren. Der Westwall zog sich von Basel bis Aachen auf einer Länge von
630 Kilometer. Er war als Gegenanlage der französischen Maginot-Linie
gedacht. Der Westwall bestand aus etwa 17.000 durch Schützengräben
miteinander verbundenen Betonbunkern. In der Eifel, im Saarland und im
Pfälzer Wald gab es zwei Bunkerlinien. 1937/38 glich die Eifel einer
riesigen Baustelle, als man mit dem Bau des Abwehrbollwerks begann.
Die Organisation Todt (OT) mit ihrer Baugruppe „Westwall" war mit der
Abwicklung beauftragt. Bei Erdarbeiten war ebenso der
Reichsarbeitsdienst (RAD) eingesetzt. Die OT übergab aber auch
Bauarbeiten an große Baugemeinschaften oder Subunternehmer. Außer den
Bunkern erinnern die Panzersperren, „Höckerlinie" genannt, an den
Westwall. Es wurden acht Millionen Tonnen Zement, 1,2 Millionen
Tonnen Eisen, über 20 Millionen Kubikmeter Sand und über 950.000
Festmeter Holz verbaut. Ab Mai 1938 bildete sich der Name „West-
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wall"
heraus. Bei Amerikanern, Briten und Franzosen setzte sich der Begriff
„Siegfried-Linie" durch. Aber auch der Begriff „Pill-Boxes"
(=Pillendose) kam wegen der bis zu 50 Tonnen schweren Stahlkuppen, die
die Bunker krönten, ins Gespräch. Letztendlich bedeutete der Westwall
kein großes Hindernis für den Einmarsch der alliierten Truppen 1945.
Nach dem Krieg wurden die meisten Bunker gesprengt. Die Bunkerreste
gingen in den Besitz der Bundesrepublik als Rechtsnachfolgerin des „3.
Reiches" über. Einige Bunker haben aber die Kriegsund Nachkriegszeit
wie der Bunker „Im Leger" überlebt.
Die Decca-Station
Plötzlich war er verschwunden, der rot-weiß gestrichene
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„Funkturm"
auf der Stadtkyl-ler Heide, der an der oberen Kyll so etwas wie ein
„Wahrzeichen" darstellte. Direkt an der L 110 gelegen, stieg der 1952
errichtete Gittermast des „Decca-Navigationssystems" 100 Meter und 1
Zentimeter in die Höhe. Heute erinnert das langsam zerfallende
Dienstgebäude an die Anlage, die in der Zeit des „Kalten Krieges"
entstand. Das Flug-Navigationssystem steckte 1948 noch in den
Kinderschuhen, als amerikanische und britische Piloten mit ihren
„Rosinenbombern" die alte Reichshauptstadt Berlin ansteuerten. Der
„Schnapps-Kompass" war für die Flugzeugführer neben der Landkarte die
einzige Orientierungshilfe. So verloren viele Piloten beim Versuch,
trotz Schneesturm in Berlin zu landen, ihr Leben. Bis zur
Wiedervereinigung flogen alliierte Verkehrsmaschinen in drei
Luftkorridoren in circa 3.000 Meter Höhe von Köln, Hamburg und
Frankfurt nach Berlin, wobei sie an der „sicheren Leine" des
Stadtkyller Decca-Sys-tems hingen. Ein Gerät zeigte bis auf fünf Meter
genau die Position des Flugobjektes an, wobei die Reichweite bis über
1.000 Kilometer betrug. Das Navigationssystem bestand insgesamt aus
vier Sendern. Außer Stadtkyll standen noch Anlagen bei Hamburg, Coburg
und in der Nähe von Brilon (Sauerland). Das Gelände, das die
elektronischen Anlagen beherbergte, der Gittermast und ein schweres
Diesel-Stromaggregat gehörte
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Der Gittermast der „Decca-Station" erhob sich wie ein Wahrzeichen über die Stadtkyl-ler Höhen.
Foto: Heinrich Hütter, Dahlem; Sammlung: Sonny Klimpel,
Dahlem
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der
Bundesvermögensverwaltung. Die elektronische Anlage betrieb der
Londoner Decca-Konzern, der durch die Unterhaltungselektronik „Tel-dec"
bekannt wurde. Ende des 2. Weltkrieges war das Decca-System
ursprünglich für die Schifffahrtsnavigation aufgebaut worden.
Bis
1991 betrieben die Engländer den Funkpeiler mit alter Röhrentechnik,
die allerdings im Zeitalter der Satelliten-Navigation nicht mehr
zeitgemäß war. Mit großem Aufwand ersetzte man die Rohre durch Computer
gesteuerte Geräte mit einem Kostenaufwand von 10 Millionen Mark. Doch
dann kam das Ende der „Decca-Station", als sich die beiden deutschen
Staaten vereinigten. Die Luftkorridore nach Berlin waren überflüssig
geworden. An-tony Fortnum, der viele Jahre seinen Dienst auf der
„Stadt-kyller Heide" versah, schaltete
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am 31. März 1992 den Turm und die Anlagen ab.
Wegekreuze
In
dem gesamten Terrain befinden sich noch zwei Wegekreuze, die
Ereignisse aus vergangenen Zeiten wach halten sollen. Ein Kreuz an der
L 110 ist nach dem 2. Weltkrieg verschwunden. Es stand an der letzten
Kurve in Fahrtrichtung Dahlem vor der Decca-Station. Das Kreuz aus
rotem Sandstein erhob sich 40 Zentimeter über dem Boden und erinnerte
an ein Unglück, das sich im Jahre 1885 ereignete. An dieser Stelle
verunglückte ein Fuhrmann namens Grün aus Dahlem tödlich. Von Dahlem
transportierte man täglich Eisenerz zum Jünkerather Hüttenwerk. Dazu
benutzte man zweirädrige Karren. Die abschüssig ins Kylltal
verlaufende Straße war für solche Transporte ungeeignet. Fuhrmann
Grün saß auf seinem Karrengestell hinter seinem Pferd. Plötzlich fiel
er vom Gestell und wurde von der Karre überrollt und tödlich verletzt.
An
der Gemarkungsgrenze Dahlem/Baasem steht in der Flur „Im Leger" ein 82
Zentimeter hohes Steinkreuz mit der Inschrift R.I.P. Somit handelt es
sich um ein Totenkreuz. Nach der mündlichen Überlieferung soll das
Kreuz an einen Überfall erinnern, bei dem ein Mann auf dem Weg nach
Baasem von Räubern überfallen und getötet worden sei. Das Kreuz diente
aber auch als Orientierungshilfe bei der Vermessung ei-
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Das Kreuz am „Spelzen-Knipp"
nes
in der Nähe liegenden Bergbaudistriktes. Ein weiteres Kreuz steht
direkt an der L 110 etwa 800 Meter vom Ortseingang Dahlem entfernt an
einer Fichtenkultur. Das Kreuz ersetzte ein Holzkreuz, das auf der
gegenüberliegenden Straßenseite gestanden hatte. Dieses Kreuz war Ziel
und Wendepunkt der Dahlemer Bittprozession in der Christi
Himmelfahrtswoche. Wegen des zunehmenden Autoverkehrs nahm die
Prozession einen anderen Weg. Das verwitterte Holzkreuz wurde durch
ein Friedhofkreuz einer aufgelösten Grab-stelle ersetzt. Es zeigt den
Gekreuzigten mit den Buchstaben INRI. An den Seiten des Gekreuzigten
fangen Engel das aus den Wunden tropfende Blut in Schalen auf
(Kelchengelkreuz). Die Füße Jesu sind nebeneinander an das Kreuz
genagelt (Viernagelkreuz). Zu den Füßen hockt ein Engel in tiefer
Trauer.
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Das „Baasemer-Kreuz" erinnert an einen Überfall.
Foto: Sonny Klimpel
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Quellen- und Literaturhinweis:
Karten: Tranchot-Karte und Topogra-fische Karte 1:25 000 LHA Koblenz: Best. 29 A, Nr. 170 und 232
Dahlem/Eifel, Heimatbuch, Schleiden 1978
Delvos H., Stadtkyller Chronik, Manuskript
Grasser/Stahlmann,
Westwall, Magi-notlinie, Atlantikwall, Leoni 1983 Hansen H.J. (Hrsg.)
Auf den Spuren des Westwalls, Aachen 1997 Kettel A., Von Hexen und
Unholden, Prüm 1988
Pitzen
H., Die Wüstungen Sengersdorf und Linzfeld. In: Chonik
Jünkerath-Glaadt, Trier 1989 Pitzen H., Die Zeit der Hexenverfolgung.
In : Chronik Jünkerath-Glaadt, Trier 1989
Rechtsverordnung über das Naturschutzgebiet „Auf der Heide bei Stadtkyll"; TV vom 22.6.1994
Mein
Dank gilt folgenden Personen, die mir Quellenmaterial zur Verfügung
gestellt haben: Frau Susan Maus, Stadtkyll; Herrn Karl Müller,
Stadtkyll (VG-Verwal-tung Obere Kyll); Herrn Frank Hütter, Schmidtheim
(Gemeindeverwaltung Dahlem) und Herrn Sonny Klimpel, Dahlem.
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Einsam und verlassen - das Haus „ Gösgen "
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Haus Gösgen
Versteckt
hinter Bäumen und Hecken liegt etwa 50 Meter von der Straße „Fuchskaul"
-Baasem entfernt ein unbewohntes Gebäude. Dort, wo sich Fuchs und Hase
Gute-
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nacht
sagen, lebte bis in die 50er Jahre die Familie Gösgen. Abseits, wie in
einer Eri-mitage, fristete die Familie ein zurückgezogenes Leben. Seit
dem Tode der Eheleute steht das Gebäude leer.
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