Lehrer Nikolaus Hennen aus Brockscheid
Beitrag zur Volksschulgeschichte im Kreis Daun
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Monika Esser, Burgbrohl
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Nikolaus
Hennen stammte aus Brockscheid. Nahezu sein ganzes Leben war er Lehrer
in Welling bei Mayen. Aus seinem handschriftlichen Nachlass, verfertigt
1933, eingereicht von der Urenkelin Monika Esser aus Burgbrohl, stammen
folgende (gekürzte) Auszüge. Sie gewähren dem heutigen Leser äußerst
anschauliche Einblicke in das Berufsbild eines Lehrers und die sozialen
Gegebenheiten des Kreises Daun ausgangs des 19. Jahrhunderts.
In
dem Bauernhause auf der Brockscheider Mühle erblickte ich am 15.
November 1862 das Licht der Welt. Mein Großvater väterlicherseits war
Nikolaus Hennen, in erster Ehe verheiratet mit einer geborenen Anna
Barbara Bläser von der Strohnermühle. Aus dieser Ehe stammt mein Vater
Peter Hennen (* 2.4.1829;
4.11.1892 in der Brockscheider Mühle). Er war verheiratet mit Gertrud
Fresinger aus Udler. Ich war der einzige Nachkomme aus dieser Ehe. Mein
Großvater stand in jungen Jahren in glänzenden Vermögensverhältnissen, besaß eine Mahlmühle und daneben viele Wiesen und Felder, also großen Ackerbau.
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Durch
eine unglücklich übernommene Bürgschaft verlor er indes den größten
Teil seines Vermögens. Er musste die Mühle und die meisten und besten
Wiesen verkaufen und richtete sich in den Ökonomiegebäuden der alten
Mühle ein Wohnhaus her; dies war meine elterliche Wohnung. Es war ein
einfaches Gebäude. Im Erdgeschoss war eine Küche, eine Wohnstube und
eine Kammer, im ersten Stock noch zwei Zimmer. Meine Eltern waren arme
Bauersleute, die sich um das tägliche Brot recht tüchtig plagen
mussten. So lernte ich früh, mich mit Wenigem zu begnügen und mir
manches zu versagen.
Meine
Hauptbeschäftigung außer der Schulzeit war im Sommer das Hüten unseres
Rindviehs. Tag für Tag ging dasselbe auf die Weide und ich musste es
dort betreuen. Neben oder durch die Wiesen schlängelte sich die Lieser,
die zu der Zeit reich an Fischen und Krebsen war. Diese zu fangen war
meine größte Freude. So plätscherte ich dann im Sommer in allen freien
Stunden in der Lieser herum und hielt zu jeder Zeit in einem Korbe
Krebse vorrätig. Die Bäche waren
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damals
nicht verpachtet und jeder konnte nach Belieben fischen. Da kamen dann
jede Woche Fischer und Krebsfänger von Gillenfeld und Man-derscheid,
legten nachts ihre Netze - „Wachteln" genannt -und am Morgen nahmen sie
auch meinen Vorrat an Krebsen mit: 100 Stück zu 50 Pfennig.
Nachdem
ich schulpflichtig geworden, besuchte ich die Volksschule in
Brockscheid. Der Weg von unserer Mühle zur Schule und zurück war ca. 10
km und führte fast nur durch den Wald. Im Sommer ging ich ihn zweimal
am Tag hin und zurück. Im Winter blieben wir zwischen dem Vor- und
Nachmittagsunterricht meistens im Schulsaale und aßen dort unser
Mittagessen in Gestalt eines ordentlichen Butterbrotes. In einigen
Wintern war ich auch in einem Privathause einquartiert und bekam dann
etwas Kaffee oder auch einen Teller Suppe zu meinem Butterbrot. Doch
das alles war nicht schlimm und wurde freudig ertragen. Schlimmer war,
dass man oft mit mangelhaftem Schuhwerk und zu leichter Bekleidung und
oft durch-nässt zur Schule kam, die Strümpfe nicht wechseln
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konnte und so den ganzen Tag mit nassen Füßen sitzen musste.
Mein
erster Lehrer war der Lehrer Kaufmann, ausgebildet im Lehrerseminar in
Brühl. Bei ihm erlernten wir an Lesetafeln nach der Lautiermethode
das Lesen. Eine Lesefibel bekamen wir erst, nachdem wir an den
Lesetafeln schon ziemlich lesen konnten. Bei allen Übungen im Lesen,
Rechnen und in der biblischen Geschichte standen wir klassenweise vor
den Bänken um den Lehrer herum. Nach ihm kam Lehrer Hubert Schomers aus
Walsdorf ( 2.9.1933 in Bonn). Hervorstechender Fleiß und eine fast
unbegrenzte Energie, das einmal Begonnene auch durchzuführen, waren
seine hervorragendsten Eigenschaften. Seine Schule war eine
ein-klassige mit im Sommer ca. 110 Kindern der drei Dörfer Brockscheid,
Tettscheid und Udler. Da der Schulsaal höchstens 70 Kinder
gleichzeitig fassen konnte, brachte er die andern in den Zimmerchen
seiner Wohnung unter. Um diese zu beaufsichtigen bediente er sich drei
von ihm auserwählter Schüler, zu denen auch ich gehörte. War der
allgemeine Schulunterricht nachmittags um 4 Uhr beendet, durften wir
drei unser Butterbrot essen und dann ging es nach halbstündiger Pause
an die Arbeit. Erst kam die Vorbereitung für den nächsten Schultag.
Jeder erhielt sein Zimmer, seinen Jahrgang und seinen Stoff zur Durchnahme angewiesen. Es wurden kleine Lehrproben
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Schule
verfolgten wir den Gang der Ereignisse mit großem Interesse. Wir hatten
jeden Tag eine unterrichtsfreie Stunde, in welcher wir von zu Hause
mitgebrachte alte Leinwand zu Charpie zupften. Die Siege unseres Heeres
wurden festlich begangen, besonders der Sedan-tag. Deutschlands Sieg
über Frankreich wirkte sich auch auf die Brockscheider Schule aus. Zu
den Fächern Lesen, Schreiben, Religion, Rechnen kamen nun die Realien.
Wir erhielten verschiedene Landkarten, verschiedene naturkundliche
Tafeln, einen Globus, alles uns bis dahin unbekannte Dinge. Wie
bestaunten wir die fremden Tiere und unbekannten Pflanzen auf den
Tafeln, Arten, die wir vorher nie gesehen hatten. Das zweite politische
Ereignis war der „Kulturkampf“, den wir in Brockscheid in seiner ganzen
Schärfe kennen lernten. Er richtete sich hauptsächlich gegen die
katholische Kirche und ihre Diener. Wir hatten in Brockscheid einen
jungen Geistlichen, Herrn Anton Jox aus Namedy. Er war ein
glaubenstreuer junger, feuriger Geistlicher. Sein Religionsunterricht
war mustergültig, seine Predigten eindringlich und voll Feuer. Er
geriet mit dem Kanzlerparagraphen in Konflikt und saß deshalb zwei
Monate auf der Feste Ehrenbreitstein. Er kam auch dann noch zur
Christenlehre in die Schule, als ihm dies verboten war. Die
Pfarrkirche Brockscheid wurde gesperrt. Kein Geistlicher durfte
dieselbe öffentlich betreten.
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Peter Hennen
* 2.4.1829; 04.11.1892
in der Brockscheider Mühle
veranstaltet.
Andern Tags musste jeder sich mit seinen Schülern an die Arbeit geben.
Gegen Schluss der Stunde kam Herr Schomers selbst und überzeugte sich,
inwieweit das gesteckte Ziel erreicht war. Nach der Vorbereitung für
den Schulunterricht widmete er sich dann unserer Weiterbildung, indem
er uns Unterricht in allen Fächern mit Ausnahme der Musik gab. Leider
wurde Herr Schomers, nachdem er seine 2. Lehrerprüfung gemacht hatte,
nach Saarburg versetzt. Schulverwalter der Brockscheider Schule wurde
Lehrer Hill von Schalkenmehren. Er gab sich auch alle Mühe mit uns,
allein in der alten Weise konnte das nicht mehr geschehen, da er ja
auch in Schalkenmehren seine Schule zu betreuen hatte. In meine
Schulzeit fallen auch zwei erwähnenswerte politische Ereignisse. Das
erste war der deutsch-französische Krieg 1870/71. In der
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So
hatten wir jahrelang keinen Gottesdienst mehr. Die Kranken wurden
heimlich versehen. Die Toten fuhren wir bis an die Grenze der nächsten
Pfarrei. Dorthin kam im Geheimen der Nachbarseelsorger und segnete die
Leiche ein, worauf wir sie auf unserem Kirchhofe einfach ohne Sang und
Klang begruben.
Ostern
1877 wurde ich aus der Volksschule entlassen. Meine Eltern wollten mich
unbedingt zu Hause als Arbeiter in der Mühle behalten, ich aber wollte
Lehrer werden. Im Kreise Daun waren zwischenzeitlich zwei
Präpa-randien errichtet worden, in Pelm und in Schalkenmehren. Alle,
die Lehrer werden wollten, mussten eine dieser beiden
Vorbereitungsschulen besuchen. Ich wurde Schulamts-aspirant bei dem
damaligen Kreis-Schulinspektor, Herrn Pastor Konter von
Schalkenmehren, wohin ich mittwochs und samstags nachmittags gehen
musste. Dort erhielt ich Unterricht von Pfarrer Konter und den Lehrern
Hill (Schalkenmehren) und Graf (Steiningen). Unterricht wurde in
allen Elementarfächern mit Ausnahme der Musik erteilt. Sehr viel wurde
in diesem Kursus nicht gelernt. Das lag wohl daran, dass sämtliche
Schüler - 45 - 50 - in nur einer Abteilung unterrichtet wurden bei
unterschiedlichem Alter (14 bis 25 Jahre) und völlig verschiedener
Auffassungsgabe. Viele junge Leute konnten dem Unterrichte nur
schlecht folgen, während sich die älteren bei den immer
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wiederkehrenden
Wiederholungen langweilten. Am 1. November 1877 erhielt ich meine
Berufung zum Winterlehrer nach Schutz. Wie weit meine geographischen
Kenntnisse damals reichten, geht aus meiner erstaunten Frage hervor:
„Wo liegt denn das Schutz?" Es lag doch nur 11/2
Stunde von meinem elterlichen Hause entfernt. Ich hatte wohl vieles vom
Rhein, von Elbe, Weser, von Provinzen und Erdteilen gehört, aber meine
nächste Umgebung kannte ich nicht. Ich war noch keine 15 Jahre und
wanderte freudig und frohen Mutes nun mit meinem Vater, der Tränen in
den Augen, dem längst erhofften Ziele entgegen. In Bleckhausen stellte
mich mein Vater dem Ortsschulinspektor Pfarrer Dillmann vor. Als der
mich sah, sagte er: „Du bist aber noch ein kleines Kerlchen!" Das war
meine erste pädagogische Enttäuschung, die mich tief kränkte. Ich war
doch Winterlehrer von Schutz. So stand es schwarz auf weiß auf meiner
Berufungsurkunde. Ich war jetzt Lehrer und musste mit „Herr Lehrer"
angeredet werden -und nun kommt einer, der das zudem auch wissen
musste, und nennt mich „kleines Kerlchen". O, welche Erniedrigung, so
was zu erleben und das gleich am ersten Tage. Im Laufe meines späteren,
langen Dienstlebens habe ich denn doch erfahren, dass es im Lehrerleben
Kränkungen gibt, die tiefer treffen, wie jene des
Lokalschulinspektors. Schutz hatte eine Winter-
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schule.
Im Sommer besuchten die Kinder die Schule in Bleckhausen. Es waren 28
Schüler in der Klasse. Der Schulsaal war ein einfaches Zimmer von ca. 7
m Länge und 4 m Breite, ein Anbau des Hirtenhauses - der Wohnung des
Schäfers - und hatte mit diesem einen gemeinsamen Eingang. Im
Schulsaale waren 6 Bänke, ein kleiner Tisch, ein wackeliger Stuhl und
eine Schultafel. Oben im Schulzimmer war ein Stück der Decke
eingefallen und gewährte einen freien Durchblick auf den Speicher und
diente gleichzeitig der Ventilation auf sehr primitive Weise. Lehr-
und Lernmittel waren keine vorhanden außer einem Antwortenheft zu
einem Rechenbuche, in welchem auf der ersten Seite eine Reihe meiner
Vorgänger ihre Namen verewigt hatten, denen sich dann pflichtgemäß der
meinige anreihte. Man wird erstaunt fragen, was denn so ein junger,
unerfahrener Mensch mit den 28 Kindern anfing. Nun, etwas
„Schulhalten" hatte ich ja bei meinem Lehrer Schomers gelernt, und so
gab ich mich ans Werk, so gut und so schlecht ich es eben konnte. Es
war natürlich nach meinen heutigen Begriffen ein unverantwortlicher
Leichtsinn einer damaligen Schulbehörde, einem Schulkinde - denn mehr
war ich doch nicht - eine Zahl von 28 Kindern zum Unterrichten und
Erziehen zu überweisen. Man wurde eben einfach wie ein bis dahin in
Ketten liegender Hund auf die Menschheit losgelassen. Was ich in
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der
Schule gemacht und wie ich's gemacht, weiß ich heute nicht mehr genau,
nur das weiß ich noch, dass ich mich eifrig bemühte, meinen Schülern
Kenntnisse zu vermitteln. Am guten Willen hat's jedenfalls nicht
gefehlt. Von Zeit zu Zeit, etwa jeden Monat einmal, kam Herr Lehrer
Kaspar von Bleckhausen einmal herunter und erkundigte sich nach meiner
und meiner Schüler Wohlergehen oder nach dem, was wir noch nicht
konnten oder versäumt hatten. Dann kam die ganze Klasse etwas in
Unruhe, wenn man ihn am Fenster hatte vorbeikommen sehen, denn seine
Handschrift unfolgsamen Kindern gegenüber war ziemlich derb und
hinterließ gewöhnlich ihre Spuren. So
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verging
der Winter und mit ihm das erste halbe Jahr meiner schulischen
Wirksamkeit. In dem Hause des Herrn Matthias Tombers, einem Bruder des
damaligen Ortsvorstehers Jakob Tombers, fand ich liebevolle Aufnahme,
Kost und Logis. In späteren Jahren bin ich dann wieder in dieses Haus
zurückgekehrt, lernte hier die jüngste Tochter des Hauses, Barbara
Tombers, kennen, schätzen und lieben. Sie wurde später meine Frau. Die
Besoldung eines Winterlehrers betrug in Schutz 36 Taler = 108
Reichsmark für das Winterhalbjahr. Dazu kamen noch zwei Taler, weil
ich auch die Küsterei übernahm, das heißt, ich hatte dreimal am Tage
Angelus zu läuten und, wenn Messe in Schutz
war,
auch dem Geistlichen beim Ankleiden zu helfen, die Kerzen anzuzünden
und was sonst noch dazu gehört. Nur das Singen besorgte ein anderer,
weil ich ja zu der Zeit noch kein Lied anstimmen oder singen konnte.
Von den 38 Talern musste ich 24 Taler für Kost und Logis zahlen. Die
Bezahlung war sehr gering, und doch habe ich zu Ostern meinem Vater
vierzehn bare Taler auf den Tisch gezahlt und brachte von den im
Herbst mitgenommenen 15 Groschen noch neun zurück. Vater meinte, ich
würde wohl das
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Schulhalten satt haben. Aber dem war nicht so. Meine Lust war größer geworden. Man war mit mir
zufrieden gewesen und mein erstes Zeugnis über Fleiß und gute sittliche Führung, ausgestellt vom Lokalschulinspektor, war gut.
Am 15.7.1878 bekam ich meine Berufung zum Hilfslehrer von Birgel, in eine ein-klassige Schule mit 60-65 Kindern.
Dort war zu der Zeit der alte Lehrer Weirich, über 50 Jahre im Dienst.
Es gab zu der Zeit noch kein Pensionsgesetz und die Gemeinde wollte
freiwillig keine Pension zahlen. So beließ man den 73-jährigen in
seinem Amte und gab ihm einen Aspiranten, der ihm den Schulunterricht
hielt. Und das war ich. Meine Besoldung dort setzte sich aus 45 RM
monatlich zusammen, aus 30 RM, welche Lehrer Weirich abtreten musste,
und aus 15 RM, welche die Gemeinde zuschoss. Dem alten Lehrer taten die
30 RM monatlich bitter wehe. Er hatte zwar seine vielen Kinder
versorgt und lebte mit seiner Frau und einer Enkelin zusammen. Aber
die 30 RM waren eine starke Abgabe für ihn. Ich kam mit ihm überein,
dass er mir dafür Kost und Logis geben sollte, was er denn auch
bereitwillig tat. Die alte Frau Lehrer kochte zwar gut, brachte alles
auf den Tisch und verteilte die Speisen auf die 4 Teller. War der
Teller leer, gabs nichts weiter mehr. Die alte Frau Lehrer nahm das Maß
an dem Appetit alter Leute, nicht aber an dem eines jungen, im Wach-
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Gertrud Hennen, geb. Fresinger aus
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* 28.1.1830; 3.2.1897
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sen
begriffenen Menschen. Der alte Lehrer Weirich schlief gewöhnlich
morgens bis gegen 10 Uhr. Nachdem er dann Kaffee getrunken, steckte er
sich die unvermeidliche lange Pfeife an und ging damit spazieren. Hier
und da kam er auch in den Schulsaal und setzte sich, die lange Pfeife
pfaffend, in einen für ihn bereitstehenden Rohrsessel. Er folgte dann
meinem Unterrichte und wurde ärgerlich, wenn die Kinder nicht immer
die richtige Antwort fanden. Er konnte dann schimpfen wie ein
Rohrspatz, besonders hatten die Kinder zu leiden, denen irgendein
körperliches Gebrechen anhaftete. Diese Schimpfereien empörten mich
innerlich und ich habe mir damals vorgenommen, niemals ein Kind wegen
körperlicher Gebrechen meinen Missmut fühlen zu lassen. Bald erhielt
ich meine Berufung an die Volksschule zu Feusdorf in der Pfarrei Esch.
Ich hieß nun Schulverwalter, denn dort war ich allein und stand unter
keiner direkten Aufsicht eines älteren Lehrers. Die Schule war auch
einklas-sig, hatte aber weniger Kinder als in Birgel. Es war ein neues
Schulhaus mit Lehrerwohnung dort, welch letztere aber von der Gemeinde
verpachtet war. Meine Besoldung hier war die gleiche wie in Birgel. Ich
bekam die Kost in dem Bauernhause Klinkhammer für monatlich 18 RM. Eine
bittere Pille gab es allerdings in Feusdorf. Das war der weite Weg zu
meinem Fortbildungskursus nach Pelm. Das waren 31/2 - 4
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Stunden Weg, zum Teil nur Fußpfad oder gar kein Weg. So dachte ich mit Grausen an die Mittwoch- und Samstagnachmittage.
Des Morgens hielt man von 7-10, im Winter von 8-10 Uhr seinen
Schulunterricht. Dann nahm man ein tüchtiges Stück Butterbrot mit und
begab sich,
beladen mit einer Last Bücher und Hefte, auf die Reise. Im Winter war man voller Eis und Schnee, bei Regenwetter oben und unten durchnässt und im Sommer vom Schweiße gebadet. So kam man denn
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Lehrer Nikolaus Hennen * 15.11.1862 in Brockscheid; 1.5.1951 in Burgbrohl
Fotos: Monika Esser
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gegen 1/2 2 Uhr
in Pelm an. Nun sollte man einem Unterrichte folgen und war doch so
müde. In Pelm wurde der Unterricht von den drei Lehrern von Pelm,
Gerolstein und Hil-lesheim erteilt. Herr Müller von Pelm eröffnete den
Unterricht mit Religion und Deutsch. Gegen drei Uhr waren auch die
anderen Herren da. Dann tranken sie gewöhnlich eine Stunde oder noch
länger Kaffee. Während dieser Zeit lagen wir im Sommer in den Hecken
hinter den Kalköfen und rauchten irdene Pfeifen. Gegen 1/2 5 begann dann der Unterricht wieder und dauerte bis abends 7 oder 1/2 8 Uhr. Dann wurde der Heimweg angetreten. Wer den Weg von Pelm nach Feusdorf
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Er
ging der Straße nach bis vor Rockeskyll. Hier führte eine Brücke über
die Kyll, dann ging's am Schlossbrunnen vorbei, und ein verlorener Weg
führt dem Wiesental entlang nach Bewingen. Von dort hatte man dann
wieder einen einigermaßen guten Weg bis Niederbettingen. Von da bis
Oberbettingen war dann der Bahn entlang nur ein Fußweg, der öfters
durch sehr sumpfige Stellen führte. Von Oberbettingen bis Birgel war
wieder nur ein Fußpfad durch den Wald bis man auf die Hillesheimer
Straße kam. Von Birgel nach Feusdorf ging ja der Weg einigermaßen.
Matt und ermüdet kam man dann nachts gegen 11-12 Uhr heim. Die Kostleute
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kennt, dem wird es grausam. lagen dann meistens schon zu
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Bette
und hatten das Essen auf den Herd gestellt. Man warf schnell etwas
hinunter, um nur möglichst rasch ins Bett zu kommen. Das waren
Strapazen. Dabei stand das, was man in den Kursen lernte, in keinem
Verhältnis zu der dafür aufgewandten Mühe. Unsere Kinder hatten es doch
besser.
Ostern
1881 wurde die Schulstelle in Feusdorf mit einem geprüften Lehrer
besetzt. Ich wurde nun Schulverwalter in Oberbettingen und ab Oktober
1881 kam ich nach Gees, einer Filiale von Gerolstein. Die Schule war
wieder eine einklassige, hatte aber nur 35-40 Schüler. Die
Lehrerwohnung war auch hier frei und so stellte ich meinen Tisch mit
Bücherbrett und Stuhl wieder in meinem Zimmer auf. Hier habe ich aber
viel Angst ausgestanden. Das Schulhaus stand nämlich auf dem Kirchhof.
Aus meinem Fenster konnte ich die Kreuze sehen, die bis dicht an mein
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Fenster
herankamen. Da habe ich denn abends, wenn ich nach dem Essen hierhin
ging, manche Angstwelle über mich ergehen lassen müssen. Wenn ich erst
einmal im Zimmer war und die Fensterläden von innen geschlossen hatte,
dann kam allmählich Ruhe über mich.
Die zweite Epoche meiner Lehrervorbereitung begann im Frühjahr 1882 mit meiner Aufnahmeprüfung an dem Lehrerseminar
in Münstermaifeld. Weil der Kreis Daun zu der Zeit eine so große Zahl
von Schulamtsaspiranten hatte - es waren deren über 100 - so beschickte
der Kreisschulinspektor fast alle Seminare der Rheinprovinz, so
Wittlich, Münstermaifeld, Linnich, Cornelimünster usw. Wir Dauner
hatten in unseren Kursen eigentlich keine genügende Vorbildung für ein
Seminar erhalten. Unsere Kenntnisse wiesen überall Lücken auf. Ganz
besonders waren wir im mündlichen
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Ausdruck
sehr schlecht gefördert, so dass wir das, was wir beherrschten, nur
schlecht an den Mann bringen konnten, wir waren darum fürs Examen
schlecht geeignet. Doch auch die drei äußerst harten und entbehrungsreichen
Seminarjahre gingen vorüber. Am 1. April 1885 wurde ich mit dem
Lehrerpatent entlassen. Ich begab mich nach Hatzenport zur Bahn. Noch
ein letzter Händedruck mit den dreijährigen Leidens- und
Schicksalsgenossen und ein „herzliches Lebewohl, auf baldiges
Wiedersehen" und das Dampfross entführte uns nach allen
Himmelsrichtungen hin, woher wir vor drei Jahren gekommen waren. Recht
bald bekam ich einen gelben Brief von der Regierung. „Wir übertragen
Ihnen hiermit die provisorische Verwaltung der Schulstelle Wel-ling im
Kreise Mayen". Dort begann ich am 15. Mai mit dem Unterricht.
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