Hillesheimer Altstadt Krippenspiel
Eine volkstümliche Tradition lebt wieder auf
Hermann Meyer, Hillesheim
Wir begleiten Maria und Josef auf ihrem Wege von Jerusa­lem nach Bethlehem. Das war das Motto des ersten Krippenspieles in fünf bibli­schen Szenen an fünf ver-
schiedenen Orten der Altstadt Hillesheim am Dritten und Vierten Advent 2002, darge­stellt von 28 Laienspielerin­nen und Spielern in bibli­schen Kostümen unter der Re-
gie von Pfarrer i. R. Hermann Meyer.
Unser christlicher Glaube hat viele Formen, in denen er sich ausdrückt und sinnenhaft er­lebbar und erfahrbar wird. So
kennen und pflegen wir die Prozessionen und Wallfahr­ten, die Passionsspiele und die Krippenspiele. Diese Spie­le gehen zurück in eine Zeit, da die meisten des Lesens und Schreibens noch unkundig waren. Deshalb stellte man die wichtigsten Geschichten der Bibel bildlich oder an­schaulich in Spielszenen mit lebenden Figuren d.h. mit Menschen und Tieren dar. Vornehmlich spielte man in Kirchen, aber auch in den Burgen. Die vielen Weih­nachtslieder, die im 16. und 17. Jahrhundert aufkamen, gaben oft die Vorlage der ent­sprechenden Szene. Etwa das Lied: „Die Heilgen Dreikönig mit ihrem Stern " oder „Ihr Hirten erwacht vom Schlum­mer der Nacht" die Szene des sogenannten Hirtenschlafes. So wie einst die „einfältigen" Hirten und die mächtigen Herrscher dreier Erdteile -drei Könige - den Erlöser angebetet hatten, so sollten nun auch die Gläubigen aller Stände und Schichten in einer späteren Zeit ihrer Frömmig­keit Ausdruck verleihen. Die barocken Krippenspiele beschränkten sich nur nicht auf die spärlichen Hinweise der Evangelien, sie greifen weit vor und beginnen bei­spielsweise mit der Verkündi­gung des Engels an Maria, erwähnen Josefs Zweifel, rücken das Schätzungsedikt des Kaisers Augustus in den Vordergrund. Es schließt sich an die Herbergssuche in Bethlehem und die Hirten-schlafszene auf dem Feld, wo die Hirten durch den Verkün­digungsengel mit dem
„Gloria" aus ihrem Schlaf ge­weckt werden.
Solche Gesprächsspiele, die im wesentlichen auf die Jesuiten zurückgehen, lassen sich schon 1566 in Prag nachweisen. Im gleichen Jah­re wurde „ein Dialog über die Geburt Christi" bei den Jesui­ten am Bischofshof zu Olmütz von 30 Personen szenisch dargestellt. Jedoch 1586 be­klagte sich der Ordensgeneral, dass diese Spiele in der Kirche überhand nähmen und wollte sie von Rom verbieten lassen. Als Grund gab er an: „Diese Dialoge bringen in dieser heiligen Zeit zuviel Zerstreuung. Am Tage der Aufführung ist soviel Lärm, dass es im ganzen Kolleg kein ruhiges Plätzchen mehr gibt. Das Volk strömt durch die Sakristei und Türen in die Kirche."
Dieser Einspruch hatte jedoch keinen großen Erfolg, denn
Anfang des 17. Jahrhunderts verbreiten sich diese Dialog­spiele besonders in Bayern aus, wo sie „mit viel Beifall und Erfolg" aufgenommen werden. Die Benediktiner er­weitern sogar diese Dialoge zu größeren Spielen. Eine Variante dieser Krippenspiele ist das „Illertissen Krippen­spiel". Zwei Männer im Hir­tenkostüm und eine Frauens­person als Engel im weißen langem Kleide mit goldenem Gürtel ziehen von Haus zu Haus mit einer tragbaren Krippe und dem Jesuskind. Diese wird auf den Tisch ge­stellt und dann beginnt die Bescherung des Jesuskindes. Der Sängerlohn war ein Hut­zelbrot, Rauchfleisch und ein wenig Geld.
Die Spiele waren nach der Methode der Jesuiten so an­gelegt, dass mit Hilfe der Er­innerung das Heilsgeschehen in die Gegenwart versetzt wird und der Betrachter sich
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Krippenszene. Die hl. Familie im Stall zu Bethlehem
Foto: Rosenkranz, Hillesheim
mit dem Geschehen und den Personen identifizieren kann. Solche Krippenspiele waren nicht auf die katholische Kirche beschränkt. Es gab sie auch im reformatorisch-pro­testantischen Raum, nur hielt man sich in der Regel stren­ger an den Bibeltext und betonte stärker ihren lehrhaft erzieherischen Charakter.
Martin Luther, der sich zu­nächst gegen diese „Brauch­spiele" wandte, sah bald ein, dass sich das Spielen sehr gut eignete für die Vermittlung der evangelischen Glaubens­lehre. Schließlich empfahl er sogar die Aufführung bibli­scher Geschichten durch die Schuljugend, der er das Wort Gottes auf diese Weise nahe zu bringen versuchte. Auch seine Lieder „Vom Himmel hoch da komm ich her" oder „Gelobet seist du Jesu Christ" bezog er in die Spiele mit ein.
Dem Geiste der Frühaufklä­rung im 18. Jahrhundert fiel allerdings aufgrund eines herzoglichen Verbotes man­ches Krippenspiel zum Opfer. Darin heißt es: „wie wenig es sich zieme mit dergleichen hohen Mysteriis wie die Weihnachtsgeschichte ein Spiel zu treiben. Es sei doch besser, wenn die Leute anstatt zu dieser Coemedi sich fleißig zur Kirchen und der Kirchen-lehr verfügen, auch ansonsten die feyeretage mit anderen geistlichen Übungen Christ­löblich und in Stille zubrin­gen. "
Die Krippenspiele wurden dennoch vor allem im refor­matorisch-protestantischen Kirchenraum bis heute sehr gepflegt und fanden auch im katholischen Lande immer mehr Nachahmung, beson­ders nach dem Krieg, als man sich wieder mehr auf altes
kirchliches und bürgerliches Brauchtum besann. Und das soll auch in Hillesheim wieder neu belebt werden. In einer Zeit, wo die Weihnacht, die biblische Kindheitsgeschichte Jesu durch eine märchenhaf­te, verkitschte und von Kom­merz durchdrungenen Art und Weise in Fernsehen und in der Werbung verfälscht und verdeckt wird, in einer Zeit, wo vor allem die Jugend nicht mehr viel mit Weih­nachten anfangen kann, da will ein solches Krippenspiel wieder hinführen auf den Ursprung der christlichen Weihnacht, nach Bethlehem. Die Spiele wollen weiterhin der aus Amerika kommenden Witz- und Werbefigur des so­genannten „Weihnachtsman­nes" entgegenwirken. Zudem soll die soziale Verantwor­tung schon bei den Kindern geweckt werden. Sie sollen sich nicht nur beschenken lassen, sondern auch selbst schenken. Deshalb die Aktion mit den Heubüscheln, die die Kinder kaufen, sie in die Krippe legen und deren Erlös kranken und armen Kindern zugute kommt. Der Gewinn des Jahres 2002 in Höhe von 735 EURO wurde an einen bekannten Pater in Brasilien geschickt.
Bleibt zu hoffen, dass dieser Brauch sich festsetzt im kul­turellen Angebot der Stadt Hillesheim, aber auch in den Herzen aller, die ein ehrliches christliches Wehnachtsfest feiern wollen.
Literatur:
Dietz - Rüdiger Moser, Bräuche und Feste im christlichen Jahreslauf, Verlag Styria
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König Herodes befragt die Schriftgelehrten
Foto: Rosenkranz, Hillesheim