Otto Pankoks Eifelbilder in Daun
Franz Josef Ferber, Daun
Man darf es getrost einen Glücksfall nennen, dass der frühere Leiter der ehemaligen Abteilung Schulen und Kultur bei der Kreisverwaltung Daun einen Mann kennen lernte, der uns nach Jahren noch außergewöhnlich nützlich sein würde: Karlheinz Pieroth, über drei Jahrzehnte Chefre­dakteur der Kirchenzeitung für das Bistum Aachen und langjähriger Geschäftsführer der Otto Pankok-Gesellschaft, „ein kulturell hochinteressier­ter Mann", wie eine Aachener Zeitung anlässlich seiner Verabschiedung in den Ruhe­stand über ihn schrieb. Es war 1988, als Rektor Gilbert Dup-pich und die Dauner Kreisver­waltung zum 100. Geburtstag von Alfred Holler eine Kunst­ausstellung initiierten und sie, zusammen mit der Deutschsprachigen Gemein­schaft Belgiens, der Stadt Eupen, der Wittlicher Galerie Knops sowie der Kreisspar­kasse Daun, in Daun und Eupen präsentierten. Damals begann auch die freund­schaftliche Verbindung zu Herrn Pieroth. Sie führte schließlich dazu, dass es nun glückte, 33 großformatige, künstlerisch hochwertige Kohlegemälde von Otto Pankok nach Daun zu holen. Sämtliche Exponate waren Leihgaben des Otto Pankok-Museums in Hünxe-Dreve-
nack/Niederrhein. Frau Eva Pankok, die Tochter des Künstlers, hat sie freundli­cherweise zur Verfügung gestellt, und ihre tüchtige Mitarbeiterin, Frau Waltraud Meyering, hat sie für diesen Zweck fachgerecht aufgear­beitet.
Einer der bedeutendsten Malern des 20. Jahrhunderts
Otto Pankok wurde am 6. Juni 1893 als Sohn eines Land­arztes in Saarn bei Mülheim/ Ruhr geboren. Nach dem Abi­tur besuchte er die Kunstaka­demien Düsseldorf und Wei­mar. Von 1914 bis 1917 war er Soldat, schwer verwundet kehrte er aus dem Ersten Weltkrieg heim. 1920 ging er nach Düsseldorf, wurde Mit­glied der Künstlergruppe „Junges Rheinland" mit nam­haften Malerkollegen wie Gert Wollheim und Otto Dix im Kreis um Johanna (Mutter) Ey, der Frau, die zahlreichen jungen Künstlern Ausstel­lungsmöglichkeiten in ihrem Kaffeeausschank bot, der sich nach und nach zu einer Gale­rie entwickelte. 1921 heiratete er die Journalistin Hulda Droste. In den Jahren 1924 bis 1931 reiste er nach Italien, Frankreich, Holland und Spa­nien. 1925 wurde seine Toch­ter Eva geboren. Bei dem Maler, Grafiker und Bildhauer Otto Pankok haben
wir es mit einem Großen der Kunstszene zu tun. Er zählt zu den bedeutendsten Malern des 20. Jahrhunderts. Sein reiches Lebenswerk weist ihn als führenden Künstler des Expressiven Realismus in Deutschland aus. Er war der­art genial, dass ihm das Prä­dikat „Deutscher van Gogh" zugeschrieben wurde. Tatsächlich war der holländi­sche Maler sein größtes Vor­bild, aber im Unterschied zu ihm, dem Farbe zum eigentli­chen Baustein des Bildes wur­de, beschränkte sich Pankok ausschließlich auf Schwarz-Weiß. Dies ist eine Besonder­heit seiner Kunst, und deswe­gen ist sie einzigartig. Pankok gehört gleich Käthe Kollwitz und Ernst Barlach zu den sogenannten schwarzen Magiern.
Die Kunst Otto Pankoks ist eine aus dem Herzen kom­mende Antwort auf die Schöpfung: Mensch, Tier und Landschaft stehen im Mittel­punkt. Seine Liebe galt den Verachteten, Unterdrückten und Verfolgten. Von 1931 bis 1934 malte er die Zigeuner im „Heinefeld", einer Armensied­lung am Stadtrand von Düs­seldorf, von Ende der 1930er Jahre bis 1945 „Jüdische Schicksale". 1933 und 1934 entstand sein bekanntester Zyklus „Die Passion", die Lei­densgeschichte Christi in 60
großformatigen Kohlebildern, 1936 gefolgt von einem gleichnamigen Kunstbildband, allesamt Bekenntnisse zu den Leidenden und zugleich An­klage gegen die Schergen der Gewalt. Seine in der Zeit der nationalsozialistischen Ge­waltherrschaft geschaffenen Arbeiten sind das nach Um­fang und Rang bedeutendste Zeugnis des Widerstandes der Bildkunst in Deutschland. Alle diese Werke gingen in große Metropolen in Ost und West, zum Beispiel nach Moskau, Krakau, Verona und Turin. Im Jahr 2003 wird „Die Passion" u.a. in Polen, im größten Mu­seum Warschaus, zu sehen sein. 1990 wurde ein Großteil, begleitet von einem stattli­chen Katalog, im Bonner Bundeskanzleramt ausge­stellt. Damit sollte, so schrieb der Hausherr, Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl, in seinem Geleitwort, der „vor fast ei­nem Vierteljahrhundert ver­storbene rheinische Künstler geehrt werden, dessen Werk uns stete Mahnung bleibe." „Für Otto Pankok besteht ein untrennbarer Zusammenhang zwischen dem Schicksal und dem Leiden seiner Zeitgenos­sen, vor allem der Juden und Zigeuner, und der biblischen Leidensgeschichte", sagte der Bundeskanzler in seiner Ansprache bei der Ausstel­lungseröffnung. Pankok habe Unrecht beim Namen genannt, so Dr. Kohl weiter. Geradezu erschütternd ist die Tatsache, dass die Malerei Pankoks - dem Himmel sei's geklagt - bis zum heutigen Tag erschreckend aktuell geblieben ist.
Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann für Otto Pankok und seine Familie eine Leidenszeit. Den Nazis war Pankok ein Dorn im Auge. Kaum dass sie an der Macht waren, verfolgten sie ihn wie auch viele andere, die ihm nahe standen, bei­spielsweise Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Otto Dix. Seine Bilder wurden aus den Museen verbannt, seine Kunst auf der Münchener Ausstel­lung 1937 als „entartet" ver­femt, er selbst wurde mit Mal-und Ausstellungsverbot be­legt. Solche Schikanen konn­ten ihn jedoch nicht daran hindern, seinen geraden und mutigen Weg fortzusetzen. Wegen der ständigen Bedro­hung durch die Nazis und der Zerstörung ihres Hauses in Düsseldorf zog die Familie Pankok in die Eifel, nach Iversheim (1941) und Pesch (1942). Dort malte der Künst­ler trotz Arbeitsverbots weiter, u.a. Eifelbilder: Men-
schen, Tiere und Landschaf­ten. Zum Glück hatte Pankok bereits 1939 begonnen, seine Bilder zu verstecken. Wäh­rend seines Aufenthaltes in Pesch verbarg er sie im Innern der Bühne eines alten Tanz­saales. Hier in Pesch, dem letzten Zufluchtsort vor dem Kriegsende, tat die Familie et­was menschlich Großartiges: In ihrer Dachkammer ver­steckte sie monatelang den Maler Mathias Barz und seine jüdische Frau, eine Düsseldor­fer Schauspielerin, die da­durch vor dem KZ bewahrt wurde. Im selben Haus waren zur gleichen Zeit deutsche Wehrmachtssoldaten einquar­tiert (!).
Die Pankoks haben die bittere Zeit der Naziherrschaft überlebt, worüber man sich eigentlich wundern muss, ebenso darüber, dass fast das gesamte Werk erhalten ge­blieben ist. Nach der Befrei­ung durch die Alliierten zo­gen sie heim nach Düsseldorf
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Von links nach rechts: Karlheinz Pieroth, Elmar Schmitz, Eva Pankok, Daniel Ferber, Franz Josef Ferber.
Foto: Brigitte Bettscheider, Kelberg
(1946). Hier an der Kunstaka­demie bekam Otto Pankok von 1947 bis 1958 eine Professur. Danach erwarb die Familie das Haus Esselt bei Hünxe-Drevenack, Kreis Wesel, wohin sie übersiedelte. Dort befindet sich heute das Otto Pankok-Museum, das von Eva Pankok und ihren Freunden betreut wird. Am 20. Oktober 1966 ist Otto Pankok in Wesel gestorben. Er hat eine riesige Fülle Kunst­werke hinterlassen. Sie beste­hen aus mehr als 6000 Kohle­gemälden, fast 800 Holz­schnitten, über 800 Radierun­gen, 500 Lithos, Steinschnit­ten, Monotypien und mehr als 200 plastischen Arbeiten.
Präsentation von Eifelbildern
Wiederholt hat die Dauner Volksbank in ihren Geschäfts­räumen Ausstellungen, zum Teil auch bekannter Maler wie zum Beispiel Fritz von Wille, präsentiert. Sie alle fanden die Aufmerksamkeit vieler Kunstfreunde. Jedoch Kunst-
werke eines so großen Kön­ners wie Otto Pankok in der „Provinz" vorzeigen zu kön­nen, das kommt weiß Gott nicht alle Tage vor. Von den zahlreichen Eifelbildern, die in Iversheim und Pesch ent­standen sind, wurde zur Erin­nerung an Pankoks Jahre in der Eifel eine bescheidene Auswahl ausgestellt, die mei­sten Bilder zum erstenmal; fast alle sind trotz Malverbots in der Kriegszeit entstanden. Nach sorgfältigen Vorberei­tungsarbeiten war es am 8. November 2002 soweit. Eine stattliche Anzahl Gäste von nah und (mehr noch) von fern war zur Ausstellungseröff­nung ins Volksbankgebäude gekommen, unter ihnen auch die Tochter des Künstlers; Günter Grass, einer der pro­minentesten Schüler Pankoks, hatte sich wegen einer Aus­landsreise entschuldigen lassen. Elmar Schmitz, Vor­standsmitglied der Volksbank RheinAhrEifel eG, ein begei­sterter Förderer dieses großar-
tigen Projektes, begrüßte sie. Dem bereits eingangs er­wähnten Herrn Pieroth war es vorbehalten, sehr gekonnt den Künstler vorzustellen und in sein Werk einzuführen. Auch interessante, weniger bekannte Einzelheiten kamen dabei zur Sprache, zum Bei­spiel, dass Otto Pankok, der seinen verdienten Dauerplatz unter den größten Künstlern des vergangenen Jahrhun­derts gefunden habe, bei den Passionsbildern den bibli­schen Gestalten Züge von ihm persönlich bekannten Menschen gab, wie etwa der weinenden Maria die der klei­nen Zigeunerin Ringela, die später in einem KZ ermordet wurde. Oder, um weitere Bei­spiele zu nennen, Christus am Kreuz bekam das schmerzver­zerrte Antlitz eines von SS-Schergen gefolterten Freun­des, des Malers Karl Schwe-sig. Der fettleibige Hohe Prie­ster gleicht Hermann Göring, während der von einer fanati-sierten Menschenmenge um­gebene Pontius Pilatus an Joseph Goebbels erinnert, und bei den Folterszenen drängt sich unwillkürlich die Paralle­le zu den SA-Schlägerkellern auf. Das musste böses Blut geben. Der unerschrockene Maler, so Pieroth, habe es tatsächlich gewagt, einen Teil dieser Bilder in zwei Ausstel­lungen zu geben, aus denen sie allerdings sofort entfernt worden seien. Ähnliches sei mit den Passionsbildern ge­schehen, die später als Bild­band erschienen sind, sie alle wurden beschlagnahmt. Schließlich erinnerte der Red­ner daran, dass die Deutsche
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Mäher (1945 entstanden, Maße: 150 x 99 cm)
Foto: Daniel Ferber, Daun
Bundespost 1993 zum 100. Geburtstag des Künstlers eine Sondermarke mit einem sei­ner Holzschnitte „Meer und Sonne" herausgegeben hat, die in einer Auflage von 25 Millionen Exemplaren um die
Welt gegangen ist. Um die Ausstellung zu doku­mentieren, hat die Volksbank eine ansprechende Broschüre herausgegeben. Sie enthält unter anderem sämtliche aus­gestellten Exponate in Bild
und Text. Die Ausstellungsbe­sucher nahmen das passende Geschenk dankbar an.
Literatur:
Material aus dem Archiv des Otto Pankok-Museums Hünxe-Drevenack