Frostbeulen, Hühneraugen und Rosenwasser
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Hausmittel aus alter Zeit
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Marita Kohl, Trier
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Beim Ordnen des Pfarrarchivs Rockeskyll entdeckte ich unter anderen historischen Büchern auch ein Intentionenbuch1 des ehemaligen Dominikanerklosters2 in Trier. Die Dominikaner (Predigerorden) wurden bereits um 1230 in Trier hinter dem Dom
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ansässig
und bauten dort ein Kloster. Noch heute zeugt der Name
Dominikanerstraße von dieser Niederlassung. Mit der Französischen
Revolution wurde das Kloster 1794 aufgehoben. Die Gebäude wurden 1801
umfunktioniert, nämlich zunächst zu einem
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Männergefängnis bis 1902, nach dessen Abriss befindet sich an dieser Stelle seit 1914 ein Gymnasium3.
Das Buch im Quartformat ist 18x21,5 cm groß und nur 1 cm dick, mit
Lederrücken und lederverstärkten Ecken enthält es Stiftungen und Anni-
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versarien
von und für vornehme Trierer Familien. Irgendwann nach der Auflösung
des Klosters gelangte das Verzeichnis in die Hände eines vielseitig
interessierten Menschen. Wer das war, können wir nur vermuten. Ob es
sich bei dieser Person um den Pfarrer von Rockeskyll August Martin
Scherr4, der von 1833-1860 in Rockeskyll wirkte, handelte?
Immerhin stammte Scherr aus Trier und hatte familiäre Verbindungen zu
gelehrten Theologen. Die Eintragungen von Scherr datieren ungefähr in
diesem Zeitraum. Er nutzte den verbleibenden Freiraum zwischen den
früheren Eintragungen bis zum letzten Millimeter für private und
pfarramtliche Notizen. Papier war wertvoll. So hat Pfarrer Scherr
nicht nur seitenweise Bücher, deren Inhalt und Nutzen aufgelistet,
über Hegels philosophisches System philosophiert, Sprichwörter und
Zitate von Schiller und Voltaire niedergeschrieben, sondern auch
Geschichtliches5 für die Pfarrei Rockeskyll, Verordnungen
und Rechnungen darin vermerkt. Das Hauptaugenmerk soll hier jedoch auf
die im ganzen Buch immer wiederkehrenden Hausrezepte gerichtet werden.
Für jeden Zweck und viele Krankheiten finden sich neue und bewährte
Rezepte: ob ein probates Mittel gegen die Cholera oder die Zubereitung
von Rosenwasser gesucht wird, ob ein Mittel gegen Hühneraugen, ein
Mittel für die, welche den Urin nicht lassen können oder ein Mittel,
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sich
die alten Heringe wieder frisch zu bereiten erforderlich sein
sollte........Für alle Eventualitäten wird ein Rezept bereitgehalten.
Einige werden im Nachfolgenden aufgelistet:
Probates Mittel gen die Cholera
3 Unzen Lindenblüthenwas-ser, 2) 3 Drachmen6 arab [bischen] Gummi in Pulver, 3) 15 Gran Extract von J/Guis-quamo7 und 1/2 Drachmen Schwefelspiritus. Das Ganze mit Camillenthee einnehmen.
Gegen Hühneraugen
Nimm einen Theelöffel voll Theer, einen Theelöffel voll
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groben braunen Zucker u. einen Theelöffel voll Salpeter
- laß
es zusammen warm werden - streiche es auf dünnes Handschuhleder- lege
ein kleines Pflästerchen davon auf das Hühnerauge u. in 2 Tagen ist das
Hühnerauge herausgezogen.
Verschiedenes zur Bestand (?) der Landwirthschafft
- von
2 Tag zu 2 Tag überstreue man den werdenden Schafdünger mit wenigstens
1 Pfund Gyps, wod[urch] der sonst ausdünstende Ammoniak gebunden wird.
- Auf Thonerde ist die Holzasche tauglich.
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- Die
Abmähung des Grases /:Heues:/geschehe, wann der gröste Theil der Gräser
oder hauptsächlich das Obergras abgeblühet hat.
- Staudenhorn zu empfehl[en] im Aug[ust] oder spät[estens] Anfangs Sep[tember] zu säen.
- Ein
Pfund Schwefelsäure /:Vitriolöhl:/mit 100 Pfund Wasser vermischt ist
gut zum Besprengen des Düngers in und außen dem Stalle.
- Bewahrung des Fleisches und anderer Gegen[stände] von Fäulniß, indem man einige Tropfen von dem Creosot8 unter ein Maaß Wasser mischt, in welches man das Fleisch taucht und erhält es längere Zeit vollkommen frisch.
Ausgezeichnetes Mittel gegen Frostbeulen
Man
nehme eine Handvoll der Erde gleich abgeschnittenen Kornsaat, wie sie
jetzt/: im Februar/: auf dem Felde zu finden ist, lege sie in heisse
Butter und lasse selbe etwas braten und presse das Fett aus, so hat man
nach dem Erkalten eine probate Salbe gegen Frostbeulen.
Mittel für die, welche den Urin nicht lassen können
Man
nehme getrocknete Stiele von schwarzen Kirschen, welche auch in der
Apotheke zu haben sind, soviel man mit drei Fingern greift/:eine starke
Pote:/und koche davon eine Tasse Thee, trinke selbe Morgens und Abends,
so wird man bald Linderung verspüren und fahre solange damit fort bis
das Uebel verschwunden ist.
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Mittel, sich die alten Häringe frisch zu bereiten
Man
nehme frische Kuhmilch und lege die alten Häringe 24 Stunden hinein.
Auf solche Art erfrischt sich der Häring, wird fest und erhält einen
angenehmen Geschmack, gleich einem frischen Häringe.
Blumenzwiebeln binnen 3 Wochen zur Blüthe zu treiben
Man
fülle einen Blumentopf fast zur Hälfte mit ungelöschtem Kalk, den
übrigen Raum aber mit Erde an, lege die Zwiebeln wie gewöhnlich und
halte die Erde nur mäßig feucht. Die Wärme, welche der Kalk erzeugt
hebt die Erde zwar in die Höhe, man drücke die selbe doch täglich
nieder und man hat so das Vergnügen, stets die schönsten Blumen und in ganz ungewöhnlicher Jahreszeit entstehen zu sehen.
Ein Mittel gegen die Ameisen
Man mache ein Pulver aus Muschelschalen oder Schneckenhäusern, die man mit Storax9 verbrennt und streue das Pulver auf die Ameisenhaufen, wodurch sie aus den Löchern vertrieben und getödtet werden.
Mittel gegen die Maulwürfe
Der
Geruch des Knoblauchs ist den Maulwürfen sehr zuwider und man kann sie
dadurch vertreiben, wenn man geschälte und geschnittene
Knoblauchzwiebeln in ihre Löcher steckt. Auch gegen die Erdflöhe und
Schnecken ist der Knoblauch gut.
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Steingut oder Fayance zu prüfen
Alle
Glasur irdener Geschirre ist mit Blei versetzt, u. zur Prüfung schreibe
man mit Dinte (Tinte) auf den Teller oder Topf, oder man lege einen
stark gesalzenen Käß darauf u. wasche ihn nach mehreren Stunden ab.
Behält der Teller oder Topf, gegen das Licht gehalten, violette
Flecken, also ist er den Menschen schädlich.
Leinwand=Probe
Man
mache einen Dintenfleck (Tintenfleck) auf die Leinwand; bleibt dieser
rund, so ist es entweder reine Leinwand oder reine Baumwolle. Läuft
der Fleck aber sternartig auseinander, so ist die Leinwand mit
Baumwolle vermischt.
Rosenwasser zu machen
Man
nehme eine irdene Schüssel, breite ein Tuch drüber u. lege eine Menge
Rosenblätter darauf. Dann decke man dieselben mit einem
Tortenpfannendeckel zu, lege glühende Kohlen darauf u. unterhalte die
Hitze bis die Blätter trocken sind. Auf diese Art brennt sich das
Rosenwasser aus den Blättern heraus u. läuft durch das Tuch in die
Schüssel. Die trocknen Blätter entfernt man u. legt wieder neue Blätter
auf u. fährt so fort bis man entweder keine Rosen mehr oder Wasser
genug hat.
Leichtes Rattengift zu präparieren
Man nehme die frischen Wurzeln der zwiebelartigen
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Ranunkel/:eine
Wiesenpflanze :/wel che ein bis 2 Fuß hoch den ganzen Sommer blüht,
stampft solche, und mischt die ganze Masse mit Fett, und man lege
dieses Präparat vor die Löcher der Ratten und Mäuse, welche daran
sterben.
Alle
Geraneum-Blätter/: etwa eines derselben zerdrückt auf Leinwand u.
gelegt auf die Wunde:/heilen jede Art von Schnittwunden und ähnliche
sehr schnell.
Das
durch den Bienenstich verwundete Glied werde mit dem Safte der Beeren
der Jelängerjelieber Staude bestrichen, so verliert sich sehr rasch
Geschwulst und Schmerz.
Inwieweit
diese Mittel auch heute noch angewendet werden könnten, inwieweit sie
sinnvoll und nicht schädlich sind, ob überhaupt noch die entsprechenden
Zutaten erhältlich sind, kann fraglich sein. Ein zur Rate gezogener
Apotheker10, der Hinweise zu
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heute
nicht mehr bekannten Chemikalien und Gewichten gab, warnte eher davor
gewisse Rezepte anzuwenden. Dies ist Gott sei Dank heute ja beim
Cholerarezept eher hinfällig. Vielleicht regt trotzdem das ein oder
andere Rezept
an, es auszuprobieren.......fürs
Gelingen keine Gewähr!!!!
1 BATr.
Abt. R 1100,17 vorl. Nummer 195 (alte Sign. 52) „Verzeichnis der in der
Dominikanerkirche zu Trier gestifteten Anniversarien erneuert um 1800
bis ca. 1802".
2
1223 oder 1227 Gründung einer Niederlassung des Predigerordens
(Dominikaner) östlich des Domes in einem dem Domkapitel gehörenden
Hauses (heutige Dominikanerstraße), 1240 Vollendung des Chores der
Kirche, 1610 Vernichtung der Bibliothek und des größten Teiles des
Klosters durch Brand. 1715 Beginn des Klosterneubaus, 1753 Neubau des
Chores der Klosterkirche, 1794 Aufhebung durch die Franzosen, 1801
Umbau des Klosters in ein Männergefängnis durch die französische
Regierung, 1812 Abbruch der Klosterkirche, nach 1900 Niederlegung der
ganzen Anlage, (aus: Klöster in Trier von der Spätantike bis zur
Gegenwart; eine Ausstellung der Katholischen Erwachsenenbildung 1984).
3 vgl. E. Zenz: Jahreschronik 1953 des Max-Planck-Gymnasiums Trier: „... entschloß sich denn der Minister....am 31. Juli 1906, für das Kaiser-Wilhelm-Gym-nasium einen Neubau auf dem alten Dominikanergelände zu errichten....".
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4 August
Martin Scherr, * 6.10.1799 in Trier als Sohn von Andreas Sch. und
Elisabeth Krepp, Halbbruder des Pfr. Friedrich Scherr, Priesterweihe
21.12.1822 in Metz, 1.1.1823 Kaplan in Niederstadtfeld, 28.6.1826
Pfarrer in Dusemond, 15.12.1833 Pfarrer in Rockeskyll, 2.1.1855
Definitor von Daun, 2.6.1860.
5 Messestiftungen
ab ca. 1735 vieler bekannter Trierer Familien: v. Sötern, Senheim,
Nalbach....; Fundationen für die Kapelle prope Fetzenreich, Liste von
Büchern mit Erscheinungsjahr, Ort, Preis, Inhalt; Verzeichnis der
Jahrgebete Rockeskyll 1834; Lehrer Eifel wird versetzt;
Namenstagsglückwünsche; Kirchenratsprotokoll 1842; Fragebogen 1846/47
über Bau und Zustand sowie Inneneinrichtung der Kirchen und Kapellen
Rockeskyll; Glocken und deren Inschriften, Stiftungen...
6 Drachme: hier Gewicht; griechische Drachme, antik 3,4 -3,9 g.
7 Guisquamo/Juiscquamo,
leider war weder beim Apotheker noch im Internet erfahrbar, um welche
Art von Rohstoff es sich handelt.
8 Creosot: = Kreosot. Durch Destillation von Buchenholzteer gewonnene klare, schwach gelbliche,
ölige
Flüssigkeit. Chemisch ein Gemisch aus Guajakol, Kreosol und Cre-solen.
Früher innerlich als Antisepti-kum bei Lungentuberkulose angewendet.
9 Storax:
= styrax calamitus; Gummiharz, Räuchermittel aus einem in Kleinasien
und Syrien vorkommenden Baum. Wird besonders wegen seiner stark
keimtötenden Wirkung geschätzt. Aus Styras kann auch Sty-ras-Öl
destilliert werden.
10 herzlichen Dank an Apotheker von Ehr für die Auskünfte am 6.2.2003
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