Maartuch aus Schalkenmehren

Heinz-Jürgen Rieden, Schalkenmehren

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Mit der Bezeichnung „Maartuch" ist unauflösbar der Name Anna Lehnert verbunden, 1920 Lehrerin an der Schal-kenmehrener Volksschule und Initiatorin der „Heimweberei-Genossenschaft Schalkenmehren e.G.". Der Zufall ließ sie bei einer Wanderung durch die Eifel einen Rock aus handgewebtem Tuch und in herrlich leuchtenden Farben entdecken. Dieses Tuch, dem Ei-feler seit Generationen als „Tirtig" oder „Tirtey" bekannt, bestand aus Wolle und Leinen in rot-, grün- oder blauschwarzen Streifen, deftig, steif, robust und schier unverwüstlich. Es wurde zum Vorbild der „Schalkenmehrener Bei-derwand", eines Tuches aus Wollschuss und Baumwollkette, das allen damaligen modischen Ansprüchen gerecht wurde; später fanden neben Handspinnwolle auch feinere Kammgarne, Leinen und sogar Seide Verwendung. Den kunsthandwerklichen und pädagogischen Talenten Anna Lehnerts sowie dem Geschick der von ihr angelernten Bauernweber ist es zu danken, dass diese nach alten Techniken handgewebten Tuche unter der Bezeichnung „Maartuch" im ganzen damaligen Deutschland bekannt und geschätzt wurden. Die Genossenschaft ließ sich schon bald nach ihrer Gründung Ende 1926 diese Bezeichnung gesetzlich schützen, denn die industrielle Konkurrenz schlief nicht, und es war schwer genug gegen sie zu bestehen. Das gelang überhaupt nur durch Individualität, Kreativität und ausgewählte Qualität. Das Heimweberei-Museum Schalkenmehren, das die Erinnerung an die ehemalige Genossenschaft und ihre Gründerin Anna Lehnert bewahrt, benutzt heute dieses Markenzeichen weiter und hat es erneut gesetzlich schützen lassen. Schon früh stand es als stolzes Zeichen für eine ungewöhnliche Erfolgsgeschichte. „Grundgeheimnis des Erfolges ist", so liest man in der Kölner Zeitung vom September 1931, „dass die Leiterin in der Farbenzusammenstellung mit sicherem Blick das Schöne, Harmonische trifft. Als Beispiel, was man nur an grünen Farben verarbeitet: Feldgrün, Grasgrün, Mandelgrün, Olivengrün, Resedagrün, Quellgrün. So auch Blau und Rot, in allen Nuancen schimmernd." In einer hessischen Zeitung von 1927 werden geradezu schwärmerisch die „herrlichen Farben des Maartuches" beschrieben: „Jedes Teil hatte seinen Namen nach den Farben, und die waren fein nach der Natur zusammengestellt. Wir fanden die Jahreszeiten in den Farben wieder, den Frühling mit Primel und Schmetterling, den Sommer mit ‚Margreten in der Ley', mit Ginstergold und Salbei, Thymian und Mauerpfeffer.

Der Herbst leuchtete in den Farben der Eberesche zur Reifezeit und denen der Laubwälder, und der Winter schaute ernst und streng aus den herben Farben der Eifelschol-le, der Vulkane und Maarufer, manchmal unterbrochen von den zarten Farben der Dämmerung, des Raureifs und des Nebels. In der Tat, unausschöpfbar wie die Vorbilder in der Natur, war auch die Phantasie Anna Lehnerts bei der Namensgebung für Tuche und Muster: Wilde Hummel, Maienduft, Eberesche, Vulkan, Schmetterling, Mauerpfeffer, Himmelsblau, Winterdämmerung und noch viele andere. Im Statut der Genossenschaft stand u.a., dass sie sich verpflichtet hatte zur „Herstellung guter, schöner, dauerhafter und gediegener Web- und Wirkwaren". Fleiß und Können der Heimweber sind diesem Anspruch mehr als gerecht geworden. Sie haben unter der Anleitung von Anna Lehnert das „Maartuch" zu beeindruckendem Erfolg geführt und das Dorf Schalkenmehren weit über die Eifel hinaus in Deutschland bekannt gemacht. Im Heimweberei-Museum können sich die Besucher auch heute noch von der außergewöhnlichen Vielfalt, Schönheit und Qualität der Handgewebe überzeugen.

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