Drei vergessene Gelehrte aus der Eifel

Die Brüder Johann, Adam und Nikolaus Heyden von Daun

Heinz Schmitt, Trier

Von den drei Brüdern Heyden (Heiden, Heid) war Johann sicherlich der bekannteste und bedeutendste. Er soll deshalb als erster vorgestellt werden, auch weil für ihn die Quellen reichlicher fließen. Im nächsten Jahrbuch sollen dann seine Brüder Adam und Nikolaus folgen.

1. Johann Heyden

Als vor 150 Jahren Georg Bärsch (1778 - 1866), der bekannte Geschichtsforscher und Bearbeiter von Johann Friedrich Schannat` s (1683 -1739) Eiflia illustrata, mit der Anfrage „Wer war Johann Heyden von Daun in der Eifel ... ?" an die Fachgelehrten herantrat, ahnte er wohl kaum, dass seine Frage bis heute weitgehend unbeantwortet bleiben sollte und besagter Johann Heyden selbst in seiner Heimat in Vergessenheit geraten ist.1 Bärschs Anfrage bezog sich auf Hey-dens Übersetzung von Adam Reissners Jerusalembeschreibung vom Deutschen ins Lateinische, die Heyden 1563 in Frankfurt am Main veröffentlicht hatte.2 Bärsch fragt nun: „Wo erlangte derselbe seine geistige Bildung? Wie kam er nach Frankfurt a. M.?" Eine einzige Antwort ging in der Folge ein. Der Würzburger Steuersekretär und Kunstfreund Carl Becker hatte 1854 ein Buch über den bekannten Schweizer Holzschnittzeichner und Stecher Jost Amman (1539-1591) herausgegeben. Bei dieser Arbeit war ihm ein weiteres Werk Johann Hey-dens bekannt geworden, und zwar die Teilübersetzung der Naturgeschichte des berühmten römischen Schriftstellers Gaius Plinius Secundus (um 23 - 79 n. Chr.) vom Lateinischen ins Deutsche. Für die Illustrierung des 1565 ebenfalls in Frankfurt a. M. erschienenen Werkes hatten der junge Jost Amman und der Stecher VirgilSolis(1514- 1562) wunderschöne Holzschnitte geliefert. Becker kann nur einige bibliographische Angaben zu Heydens Pliniusüb ertragung machen, zur Person des Übersetzers selbst ist aber auch ihm nichts Näheres bekannt.3

Dies konnte Bärsch nicht wirklich weiterhelfen und auch anderweitig scheint er nichts über Johann Heyden in Erfahrung gebracht zu haben, denn Bärsch, dem stets daran gelegen war, bei seinen jeweiligen Ortsbeschreibungen in der Eiflia illustrata etwaige berühmte Persönlichkeiten aus Gegenwart und Vergangenheit zu erwähnen, schweigt sich über Johann Heyden aus.4 Hätte er das schon zu seiner Zeit bekannte Jöcher'sche Gelehrtenlexikon zu Rate gezogen, wäre ihm immerhin weiteres über Johann Heydens Leben und Werk bekannt geworden.5 Vor mehr als 80 Jahren erschien dann im 2. Jahrgang der Zeitschrift Trierische Heimatblätter anonym aber wohl aus der Feder des Direktors der Trierer Stadtbibliothek, Gottfried Kentenich, stammend ein kurzer Aufsatz unter dem Titel „Ein vergessener Sohn der Eifel: Johannes Heyden von Daun."6 Hierin teilt der Verfasser die spärlichen damals bekannten Nachrichten zur Biographie des Johannes Heyden mit und ruft dazu auf, „ dem Leben und Wirken dieses Sohnes unserer Heimat nachzuforschen." Dieser Aufruf scheint leider gänzlich ohne Folgen geblieben zu sein, denn in den seither vergangenen acht Jahrzehnten ist offensichtlich nichts Neues über Johann Heyden in der heimatgeschichtlichen Literatur erschienen. Lediglich Peter Neu erinnerte vor 40 Jahren noch einmal an ihn, wobei aber auch er sich auf die Angaben im „Jöcher" beschränken musste.7 Was bisher zur Biographie des Johann Heyden bekannt geworden ist, sei im Folgenden zusammengefasst und den Geschichtsfreunden und vor allem den Menschen des Dauner Landes, der Heimat Johann Heydens, mitgeteilt.

Herkunft und Ausbildung

Bedauerlicherweise ist bis heute Johanns Geburtsdatum unbekannt, auch sind die Namen seiner Eltern nicht überliefert. Aus dem Zeitpunkt seines ersten Auftretens Ende der 50er Jahre des 16. Jahrhunderts dürfen wir seine Geburt um 1520 -1530 ansetzen. Gesichert aber ist seine Herkunft aus Daun oder näherer Umgebung und dafür hat er selbst gesorgt. In seinen Veröffentlichungen gibt er meist stolz Daun in der Eifel als seinen Herkunftsort an. So lesen wir etwa: „Per Johannem Heydenum Eyflandrum Dunensem" oder „Johannem Heyden Eifflender von Dhaun". Er hat sich seiner Ei-feler Herkunft also keineswegs geschämt, wie es bisweilen noch heute vorkommen soll. 1560 veröffentlicht sein Bruder Adam eine kleine Schrift, die von der Schwenck-feldforschung irrtümlich seinem Bruder Johann zugeschrieben wird. Sie ist datiert: „Kaelbergi ex aedibus patys 7. Calen. Maji 1560 " (= aus dem Elternhaus in Kelberg, am 25. April 1560)8 Mit Kaelbergi kann ja nur Kelberg gemeint sein. Nach der 1563 aufgenommenen kurtrierischen Feuerstättenliste wohnten damals in Daun ein Peter Heydt und in Kelberg ein Wilhelm Heidt, beide trierische Untertanen.9 Sie sind sicherlich Verwandte unseres Johann Heyden. Der 1470 als Neumagener Pfarrer zu Köln studierende Heiden Wilhelm Dunen dürfte ein Vorfahre gewesen sein.10 In Kelberg besaß die Adelsfamilie von der Leyen damals zwei Dinghöfe, wovon der eine nach Daun, der andere nach Ulmen gehörte.11 Wenn sich nun 1563 Johanns Brüder Adam und Nikolaus beim Trierer Kurfürsten, der kein anderer war als Johann von der Leyen (1556- 1567), bedanken für die zahllosen Wohltaten, die er ihnen und ihren verstorbenen Eltern erwiesen hat, so können wir fast sicher sein, dass die Eltern zu Lebzeiten den von der Leyen-schen Hof in Kelberg als Hofleute innehatten.12 Sie stammten wohl ursprünglich aus Daun und verzogen dann mit der Übernahme des Hofes nach Kelberg. Der oben genannte Wilhelm Heidt könnte somit ein Bruder Johanns oder gar noch der Vater gewesen sein.

Über Johanns Bildungsweg wissen wir ebenfalls nur Bruchstückhaftes. Sicher ist, dass Adam Reissner (um 1496 - um 1582) sein Lehrer war und er bei diesem die alten Sprachen Griechisch, Latein und vor allem Hebräisch erlernt hat, wie er im Vorwort seiner Übersetzung von Reiss-ner's Jerusalembuch selbst mitteilt. Adam Reissner war eine nicht unbedeutende Persönlichkeit.13 Er hatte seit 1518 in In-golstadt beim bekannten Johann Reuchlin studiert und bei diesem seine später große Bewunderung erregenden Sprachkenntnisse erworben. Er war Hauslehrer bei der Familie von Frundsberg. Mit derem berühmtesten Mitglied, dem Landsknechtsführer Georg von Frundsberg, machte er von 1526 bis 1528 als Geheimschreiber den Italienzug mit und wurde dessen Biograph. Später war er lange Jahre Stadtschreiber in seiner Heimatstadt Mindel-heim. Als Anhänger der Reformation verlor er seine Stellung - seine Herren, die von Frundsberg, waren katholisch geblieben. Seither ernährte er sich durch Privatunterricht und Übersetzungsarbeiten. Völlig unklar ist bisher, wie Johann Heyden in den süddeutschen Raum kam und zu Reissner in Beziehung trat. Anschließend wird Johann Heyden Hauslehrer bei den Herren von Freyberg, denen die Doppelherrschaft Justingen auf der schwäbischen Alb und Öpfingen an der Donau gehörte.

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Adam Reissner, Lehrer Johann Heydens, Federzeichnung 1568, London, British Museum

Der schlesische Edelmann Caspar Schwenckfeld von Os-sig (1489 - 1561) hatte sich schon früh der reformatorischen Bewegung zugewandt, geriet aber schon bald in Gegensatz zu Luther, vor allem in der Abendmahlsfrage. Wir können an dieser Stelle Schwenckfelds Lehre nur mit kurzen Worten ansprechen. Für Schwenckfeld ist Christus im Gegensatz zu Katholiken und Lutheranern beim Abendmahl nicht real gegenwärtig. Für ihn ist das Abendmahl nur ein äußerer Spiegel des inneren Essens des Fleisches Christi. Nur das innere geistliche Essen durch den inneren Menschen führe zum Heil. Diese spirituelle Sicht des Christentums lehnt folgerichtig alle äußeren Hilfsmittel wie Sakramente und Predigt als unnütz ab. Da der Heilsprozeß für ihn also allein ein innerer Prozeß zwischen Gott und dem Menschen ist, bedarf es auch keiner sichtbaren Glaubensgemeinschaft, folglich auch keiner Amtskirche. Er fordert Glaubensfreiheit für den Einzelnen ohne dogmatisches Zwänge, dazu religiöse Toleranz und Trennung von Staat und Kirche. Dass nach Schwenckfeld der Mensch also allein durch den freien inneren Dialog mit Gott zu diesem gelange, brachte ihn gleichermaßen in Gegensatz zur römischen Kirche wie auch zu den übrigen Reformatoren. Bereits die Zeitgenossen zählten Schwenckfeld und seine Anhänger zu den sogenannten „Schwärmern", heute würden wir Sekte sagen.14 Mit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555, der nur für das katholische und lutherische Bekenntnis galt, gerieten die Schwenckfelder auch in Gegensatz zur staatlichen Kirchenpolitik und somit zum Staat selbst, der alle anderen Glaubensrichtungen als illegal ansah. In der Folge hatten die „Schwenckfelder" meist unter stärkster Verfolgung zu leiden. In Süddeutschland und in Schwenckfelds Heimat Schlesien hatte er zahlreiche Anhänger. Anfang des 18. Jahrhunderts wanderten die letzten schlesischen Schwenckfelder unter dem Druck der religiösen Intoleranz nach Pennsylvania in Nordamerika aus. Dort leben noch heute rund 3000 Nachkommen von ihnen.

Anhänger Caspar Schwenckfelds

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Seit 1535 hielt sich Schwenckfeld vorwiegend in Süddeutschland und hier vor allem in Ulm auf. 1539 muss-te er Ulm auf Druck der offiziellen Ulmer Kirchenleitung verlassen. Er fand Zuflucht in Justingen bei den Herren von Freyberg, die schon länger seine Anhänger waren. Nach dem Schmalkaldischen Krieg ging Kaiser Karl V. energischer gegen Schwenckfeld und die Freyberger vor und ließ die Herrschaft Justingen 1547 besetzen. Schwenkfeld musste Justingen verlassen und konnte bis zu seinem Tod nur noch im Verborgenen, von Ort zu Ort ziehend, wirken. Immer wieder war er auch heimlich auf dem Justinger Schloss.15 Hier hat auch Johann Heyden Schwenckfeld kennen gelernt. Johann war Lehrer der Söhne des Michael Ludwig und Ferdinands von Freyberg, der Söhne des Schlossherrn Ludwig von Freyberg. Wenn es im Jö cher-Adelung heißt: „(Johann Heyden) war ein Anhänger Schwenckfelds"16, so war er nicht irgendein Anhänger sondern neben Adam Reissner und Jakob Held von Tieffenau einer der engsten Vertrauten und Mitarbeiter Schwenckfelds.17 Von 1557 bis zu Schwenckfelds Tod 1561 standen beide in dauerndem brieflichen und geistigen Austausch. Auch übersetzte Johann Heyden zahlreiche Werke Schwenckfelds, der fast nur in Deutsch schrieb, ins Lateinische, um sie den Gelehrten in ihrer Sprache näherzubringen. Heyden gab Schwenckfeld auch persönliche Ratschläge. So hatte er ihm beispielsweise in einem Brief nahegelegt, es wäre besser, wenn er Bücher zur Bekräftigung des Glaubens schreiben würde, als sich in Erwiderungen mit seinen Gegnern herumzuschlagen. Hierauf antwortet Schwenck-feld am 7. August 1561 Hey-den mit der Anrede: „lieber frater Johan", dass auch seine Streitschriften lehrreich und somit nützlich wären. Auch der Heilige Augustinus hätte nur deshalb soviel über die Dreifaltigkeit geschrieben, weil es die Arianer gegeben habe.

Viele Jahre hatte Schwenck-feld im Hause der angesehenen Familie Streicher in Ulm verbracht und hier fand er auch seine letzte Zuflucht. Die Schwestern Agatha und Katharina waren überzeugte Anhängerinnen Schwenck-felds. Agatha war eine bekannte Ärztin, deren Hilfe sogar Kaiser Maximilian in Anspruch nahm und auch Katharina übte die ärztliche Kunst aus.18 Katharina pflegte Schwenckfeld in seiner Krankheit bis zuletzt und schrieb die Geschichte seiner letzten Tage und seines Sterbens nieder. Am Abend des 6. Dezember 1561 besuchten Johann Heyden und Freunde den immer schwächer werdenden am Krankenbett. Katharina Streicher schreibt: „Den sechssten seind etlich bruder zu ihm komen, die er geren gehapt aber schwach auffden abend und nit vil ge-ret." Der weinenden Katharina sagte Schwenckfeld: „Was wainstu: ich will ihn himel". Vier Tage später, am 10. Dezember 1561, starb Kaspar Schwenckfeld im Beisein seiner engsten Freunde und wurde heimlich im Keller des Streicherschen Hauses beerdigt. Seine Vertrauten gingen sogleich daran, die Werke Schwenckfelds zu sammeln und in einer Gesamtausgabe herauszugeben. Diese erschien ab 1564 in Frankfurt/M., kam aber nur bis zum 4. Band und wurde dann 1570 von den Behörden unterdrückt und ein weiterer Druck verboten. Johann Heyden erwies seinem verstorbenen Freund einen letzten Dienst, indem er zusammen mit seinem Bruder Adam die Titel aller Werke Schwenckfelds zusammenstellte und 1561 in Ulm veröffentlichte.19

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Titelblatt der Übersetzung des Propheten Esra, Halle 1620


Zu Johann Heydens schriftlichem Werk

Die Erstausgaben von Heydens Werken erschienen alle in Frankfurt/M. bei Sigmund Feyerabend und seinen verschiedenen Compagnons. Sigmund Feyerabend war der bedeutendste und erfolgreichste Verleger des 16. Jahrhunderts.

Heydens erstes Werk war die Übersetzung des 3. und 4. Buches Esra, die er 1559 fertigstellte und der unten erwähnten Feyerabend-Bibel beigab. Ein anonymer Liebhaber gab diese Arbeit 1620 in Halle dann noch einmal heraus. Danach veröffentlichte er die schon erwähnte Übersetzung von Adam Reissners Jerusalembeschreibung vom Deutschen ins Lateinische. Die vom 13. März 1563 aus der Druckerei des Georg Corvi-nus, eines Compagnons von Feyerabend, datierende Widmung ist an den Mäzen vieler Gelehrter, an Johann Jakob Fugger, gerichtet. Heyden sagt, dass er zurzeit Gast bei Corvinus sei und er aus Dankbarkeit gegen diesen und seinen lieben Freund und Lehrer Adam Reisner die Übersetzung angefertigt habe. Er unterschreibt mit Johan Heyde-nus Eyfflandrus Dunensis. Seit 1560 gab Sigmund Feyerabend die berühmte „Fey-erabendsche Bibel" Biblia Deutsch nach Martin Luther heraus. Hierfür verfasste Johann Heyden sein Biblisch Namen und Chronick Buch, worin alle biblischen Eigennamen aufgeführt und erklärt sind.20 Die erste bekannte Ausgabe erschien 1563. Das Namenbuch erschien sowohl selbstständig als auch an die Feyerabend-Bibel angebunden. Separate Ausgaben erschienen 1563, 1567, 1569, 1579, 1584 und 1598. Ebenfalls zur Feyerabend-Bibel gehörte Heydens Zeit- und Tagkalender, der die biblische Chronologie erläutert. Bekannt sind Ausgaben von 1565, 1567, 1584 und 1598.21 Das Chronik und Namenbuch rief sogar den Protest des streitbaren Theologen Matthias Flacius Illyricus (1520-1575) hervor. Erverfasste 1564 eigens eine an die Frankfurter Kirchenleitung adressierte Streitschrift wider Johann Heyden. Mit dem Titel: „Verwarnungsschreiben an das Evangelische Ministerium Franckfurt a. M. betreffend einen Schwenckfeldia-ner, Joh. Heyden, so seinen Irrthumb daselbst in einem außgegangenen Nahmen-Buch aussaen w olte." Auch auf die zweite Ausgabe von 1567 antwortete Flacius 1568 von Straßburg aus zusammen mit Johann Marbach und Johann Flinner mit einem „Er-innerungs- und Warnungsschreiben an das Evangelische Ministerium Franckfurt a. M......"22

Ebenfalls in Frankfurt am Main veröffentlicht Heyden dann 1565 sein wohl bekanntestes und verbreitestes Werk, die Teilübersetzung der Naturgeschichte römischen Schriftstellers Plinius d. Ä., der 79 n. Chr. beim Ausbruch des Vesuvs ums Leben kam. Die Übersetzung umfasst die Bücher 7 bis 10 und Teile des 11., worin Plinius über den Menschen, die vierfüssigen Tiere, die Fische, die Vögel und die Schlangen handelt. Bisher sind acht Auflagen nachgewiesen: 1565, 1571, 1572, 1582, 1584, 1600, 1618 und 1651.23

Sein Verleger Feyerabend hatte die Übersetzung angeregt und „ihn ersucht, ja so hart und viel angehalten, daß ichs ihm nicht lenger abschlagen noch in seiner bitte habe ungewehret konnen lassen hingehen.", wie es in der Widmung heißt. Als Vorlage hatte er die 1543 in Straßburg erschienene Übersetzung Heinrichs von Eppendorf benutzt, wie er dort ebenfalls mitteilt.24 Die Ausgabe widmet er seinen ehemaligen Schülern und Gönnern „Den edlen und Eh-renvesten Michael Ludwigen und Ferdinandt von Freyberg, Gebrüderen zu Justingen und Oepffingen etc., meinen Großgünstigen Junckherrn. Edle, ehrenveste, Günstige Junckerrn. E(uer) E(dlen) seyn meine unterthanig, beflissen, willige Dienste zuvor. Ehrenveste liebe Junckherrn." Dann bedeutet er ihnen mit anschaulichen Worten, dass die Erkenntnis eine Gabe Gottes ist, die man schätzen soll: „Da der Herr Christus spricht, man sol die Perlen nicht für die Saew werffen, auffdaß sie dieselbigen nicht zertreten mit ihren Füßen (Matth. 7,6) Kann man solchen Spruch richtiger außlegen, wenn einer weiß, daß die Perlin von den Meermuscheln auß dem schönen Himmelthaw empfangen werden und der Saw eygenschafft ist, nur auff ihren Bauch sorgen unnd sich in Kot waltzen auch nach der Schwemme. Darumb so bedeuten die Perlen die Himmlischen Gaben deß erkenntnis Gottes um Christi. Die sol man nicht für die Säw werffen... " Mit der Widmung begehrt er, sich „bekänntlich und danckbar für E. E. vielfältige Gutthaten mir unwir-digen biß daher bewießen, zu erzeigen und dar zu stellen." Und sie möchten seine Arbeit „für den unnützen Tadelern schützen und vertheidigen helffen" und schließt mit „E. E. Undertheniger gutwilliger Johannes Heyden von Dhaun."

Wie wertvoll Heydens Übersetzung war, lassen die Worte Johann Friedrich Degens vom Ende des 18. Jahrhundert ahnen: „Noch zwei volle Jahrhundert verflossen von Heydens Übersetzung an, bis sich ein deutscher Mann an das Unternehmen wagte" (Die Übersetzung des ganzen Plinius). Im Jahre 1600 erschien dann von Heyden eine Übersetzung des römischen Schriftstellers Solinus.25 Es ist nicht ganz sicher, ob dies die Erstausgabe ist, denn das würde ja bedeuten, dass Johann Heyden damals wohl noch gelebt hätte oder wenigstens erst kurz zuvor verstorben wäre. Jedenfalls ist nicht bekannt, wo er sich nach dem Tode Schwenckfelds aufgehalten hat, ebenso, wo und wann er gestorben ist.

Wie nah Johann Heyden Kaspar Schwenckfeld ehemals gestanden hat, mag die Geschichte einer aus dem Besitz Schwenckfelds stammenden Bibel verdeutlichen. Schwenckfeld hatte um 1530, wohl in Straßburg, eine Kopie der sog. von Peter Schöffer gedruckten „Wormser Bibel" von 1529 erworben. Diese hatte er mit zahlreichen Randnotizen versehen. Aus Dankbarkeit schenkte er sie 1555 im Falle seines Todes an Katharina Streicher. Diese wiederum vermachte sie Johann Heyden, als sie 1581 starb. Von Johann Heyden kam sie an den Elsässer Pfarrer Daniel Friedrich, von dessen Sohn Samuel schließlich an den bekannten Handschriften und Liedersammler Daniel Sudermann, der sie nicht für 60 gebotene Gulden - ein Vermögen - hergeben wollte. Sudermann vermerkt handschriftlich, dass die elsässischen Schwenck-feldgemeinden in Rappoltsweiler (Ribeauville) und Mar-kirch (Saint Marie aux Mines) Miterben der Bibel waren. Vielleicht ist Johann Heyden also in seinen letzten Jahren im Elsass gewesen und dort gestorben. Die Bibel befindet sich heute in der Schwenckfel-der-Bibliothek zu Pennsburg, USA.

Es bleibt zu hoffen, dass die vorstehenden skizzenhaften Ausführungen uns die Person des Johann Heyden aus Daun etwas näher gebracht haben und uns seine Person und sein Lebensweg jetzt um einiges klarer erscheinen, als dies bisher der Fall war. Wohl niemand wird bestreiten wollen, dass er zu den bedeutenden Gestalten des Kreises Daun gehört und ganz unverdient in Vergessenheit geraten ist.

1 ANZEIGER für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. 2, 1855, Sp. 190; Der eigentliche Name war wohl Heid, aber um keine zusätzliche Verwirrung zu stiften, wollen wir die von BÄRSCH eingeführte Form Heyden beibehalten.

2 REISSNER, ADAM, Jerusalem, die Alte Haubstat der Jüden, wie sie vor der letzten zerstörung auff hohem Gebirg.... ein vorbildt der ewigen statt Gottes war, Frankfurt/ M. 1563 (Rab, Feyerabend, Han), vgl. VERZEICHNIS der im deutschen Sprachbereich erschienenen Drucke des XVI. Jahrhunderts (=VD 16), hg. v. d. Bayerischen Staatsbibliothek München in Verbindung mit der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, Stuttgart 1983-95, Bd. 17, S. 65 Nr. R 1058 ; Der Titel von Heydens Übersetzung lautet: HEYDEN, JOHANN, Jerusalem, vetustissima illa et celeberrima toti-us mundi civitas: ex sacris literis et ap-probatis historicis ad unguem descrip-ta..., quae Adamus Reisnerus.... Germania lingua delineata edidit. Nunc autem Latine omnia perscripta...., tractata & in septem libros digesta sunt. Per Johan-nem Heydenum Eyflandrum Dunensem, Frankfurt/ M. 1563 (Georg Corvinus/ Si-gismund Feirabend/ Wigand Gallus Erben); Das VD 16 a. a. O. liest unrichtig „Eystandrum" statt „Eyflandrum"!

3 ANZEIGER für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. 2, 1855, Sp. 221 f.

4 SCHANNAT, JOHANN FRIEDRICH / BÄRSCH, GEORG, Eiflia illustrata oder geographisch historische Beschreibung der Eifel, Köln/ Aachen/ Leipzig 1824-55 (=ND Osnabrück 1966 ), Bd. III, 2, 1, S. 8 ff.

5 JÖCHER, CHRISTIAN GOTTLIEB, Allgemeines Gelehrtenlexikon, Leipzig 1750, Bd. II, Sp. 1582 (=ND Hildesheim 1961); JÖCHER - ADELUNG, JOHANN CHRISTOPH, Allgemeines Gelehrtenlexikon, Leipzig 1787, Ergänzungsband II, Sp. 1989 (= ND Hildesheim 1960)

6 (KENTENICH, GOTTFRIED), Ein vergessener Sohn der Eifel: Johannes Heyden von Daun, in: Trierische Heimatblätter 2, 1923, S. 60-61

7 NEU, PETER, Art. Heyden Johannes, in: Kurzbiographien vom Mittelrhein und Moselland, Koblenz 1967, S. 119

8 CORPUS SCHWENCKFELDIANORUM (=CS) (= kritische Gesamtausgabe der Werke Caspar Schwenckfelds), hg. v. Chester D. Hartranft / Elmer E. Schultz Johnson / Selina Gerhard Schultz, Leipzig / Pennsburg Pa., USA 1907-1961, Bd. XV, S. 259; Auf Adam Heydens Schrift von 1560 (Antitheses Cacodoxorum et orthodoxorum...) kommen wir später noch zurück.

9 BROMMER, PETER, Die Ämter Kurtriers. Grundherrschaft, Gerichtsbarkeit, Steuerwesen und Einwohner - Edition des sogenannten Feuerbuches von 1563, Mainz 2003, S. 271, 291 (=Quell. u. Abh. z. mrhein. Kirchengesch. 106)

10 KEUSSEN, HERMANN (Hrsg.), Die Matrikel der Universität Köln, Köln 1931,I, S. 324 (=Publ. Ges. Rh.Geschkde VIII, 1)

11 BROMMER, S. 293 ; JANSSEN, FRANZROMAN, Kurtrier in seinen Ämtern, vornehmlich im 16. Jahrhundert, Bonn 1985, S. 254ff. (=Rhein. Archiv 117) ; MERTES - KOLVERATH, ERICH, Das Gericht Kelberg im Kurtrierischen Amt Daun, in: Landeskdl. Vjbll. 47, 2001. S. 73-76

12 SCHARDIUS, SIMON, Historicum opus, Basel 1574, Bd. III: (1558-1564), S. 2071

13  Zu Reissner vgl. BUCHER, OTTO, Adam Reissner - ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Reformation, Diss. München 1950 ; Ders. Adam Reissner, in: Lebensbilder aus dem Bayerischen Schwaben 4 (1955), S. 170 - 183 ; KSOLL - MARCON, MARGIT, Adam Reissner, in: Bio-Bibliographisches Kirchenlexikon VII, Sp. 1581 - 1584

14 Alles Wichtige zu Schwenckfeld bietet BUBENHEIMER, ULRICH, Art. Schwenckfeld von Ossig, Kaspar, in: Bio-Bibliographisches Kirchenlexikon IX, Sp. 1215-1235 ; ausführlich die Biographie von SCHULTZ, SELINA GERHARD, Caspar Schwenckfeld von Ossig, Pennsburg Pa. 1977

15 Weber, Franz Michael, Kaspar Schwenckfeld und seine Anhänger in den freibergischen Herrschaften Justingen und Öpfingen, Stuttgart 1962 (Ver-öff.Komm.gesch.Ldskde Baden-Württemberg Reihe B: 19)

16 JÖCHER-ADELUNG, II, Sp. 1989

17  SCHULTZ, SELINA GERHARD, S. 357 f., 387

18  SPORHAN-KREMPEL, LORE, Agatha Streicher - Ärztin von Ulm (um 1520-1581), in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken VII, (1960), S. 52 - 61

19 Catalogus oder Register der bücher Herren Caspar Schwenckfelds, die er mehr dann von XXX jaren her geschriben und was durch ihn inn truck ist khommen..., Ulm 1561, 2. Auflage 1595 ; CS I, S. X ; CS XVII, S. 675 ff. Doc. MCLX

20 HEYDEN, JOHANN, Biblisch Namen und Chronik Buch: darinnen die Hebraische, Chaldaische, Syrische,Griechische und Lateinische Namen Gottes und dess Herren Christi item der Menschen, Volcker, Abgotter, gotzen, Konigreich, Länder, Stätt, Wasser, und viler ander örter eigene Wort und Reden...gantz eigentlich gedeutet, Frankfurt/M. 1563

21  HEYDEN, JOHANN, Zeit- und Tagkalender, Frankfurt/M. 1565

22 RITTER, JOHANN BALTHASAR, Eigentliche und umständliche Beschreibung Des Lebens / Handels und Wandels / der Streiten und Schriften / wie auch endlich des Todes M. Mat. Flacii Illyrici, Frankfurt/M. 1723, S. 140 - 144 ; CS XV, S. 258

23 HEYDEN, JOHANN, Caii Plnii Secundi, Des Furtrefflichen Hochgelehrten Alten Philosophi Bücher und schrifften von der Natur, art und Eigentschafft der Creaturen oder Geschöpfe gottes. Als nemlich: Von den Menschen, ihrer Geburt, Gestalt, Aufferziehung, Wandel, Gebräuchen, Künsten, Hanthierung, Leben, Krankheit, Sterben, Begräbniß...von den vierfüssigen Thieren...,Fischen...,Vögeln und Schlangen..., Frankfurt/M. 1565

24 DEGEN, JOHANN FRIEDRICH, Versuch einer vollständigen Litteratur der deutschen Übersetzungen der Römer, Altenburg 1797, T. 2, S. 259 ff.

25 HEYDEN, JOHANN, Solinus Polyhistor, Zusammenlesung namhafter und gedenkwürdiger Sachen der Welt, aus dem Lateinischen verteutscht, Frankfurt/M. 1600 ; Degen, S. 410