Maria Mengelkoch erinnert sich...

Christine Schmidt, Neroth

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Maria Mengelkoch am Tage der Vollendung ihres 100. Lebensjahres

Maria Mengelkoch erblickte am 24. Februar 1903 - am selben Tag wie der Verleger und Begründer des Burda-Verlages Franz Burda - in Ediger an der Mosel als erstes Kind der Eheleute Straub das Licht der Welt. Ihr Vater war Schneider und Friseur und arbeitete im eigenen Friseurgeschäft, welches sich auch heute noch im Familienbesitz befindet, ihre Mutter war Hausfrau. Die Familie respektiert und erfüllt ihren Wunsch, auch mit über 100 Jahren im Ende der 1960-er Jahre von ihrer Tochter und deren Ehemann errichteten Haus mit Flachdach in der Stadt Daun zu leben. Um dennoch eine ständige Obhut sicher zu stellen, wurde eine Betreuungsperson eingestellt, die Tag und Nacht zugegen ist. Alle Räume befinden sich auf einer Ebene und sind daher ohne Hindernisse gut zu erreichen. Ihre Familienangehörigen wohnen in der Nähe. Enkel Thomas und seine Frau Marlu wohnen mit ihren Kindern Katharina und Helena im Haus direkt gegenüber. Enkelin Christel wohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn Holger im nahen Boverath. Die Enkel und Urenkel schauen mehrmals täglich nach der Oma und Uroma und sind so oft wie möglich um sie herum.

Zum Gespräch im Wohnzimmer, das durch den angegliederten Wintergarten sehr hell und freundlich ist, erscheint Maria Mengelkoch lediglich unterstützt von einer Gehhilfe. Der gesunde braune Teint und fülliges, schön frisiertes weißes Haar lassen sie um Jahre jünger erscheinen. Für den kleinen Blumengruß bedankt sie sich mit den Worten „Blumen sprechen mit zartem Mund von Liebe und Leid aus Herzensgrund." Auf das Gespräch freue sie sich. Dankbar nehmen wir die Möglichkeit wahr, uns in ungezwungener Atmosphäre mit einem aufgeschlossenen Menschen zu unterhalten, der in der Kaiserzeit geboren wurde, den 1. Weltkrieg, die Währungsreform 1923, die Weimarer Republik, den Nationalsozialismus, den 2. Weltkrieg, die Nachkriegsjahre, die Währungsreform 1948 mit der Einführung der Deutschen Mark, die Gründung der Bundesrepublik Deutschland, das geteilte Deutschland und die Wiedervereinigung sowie die Währungsreform 2002 mit der Einführung des EURO miterlebt hat. Nicht nur politische Entwicklungen von weitreichender Bedeutung prägen die Zeitspanne eines Jahrhunderts, auch kulturelle und wirtschaftliche Ereignisse, wie zum Beispiel der Bau und die Eröffnung des Nür-burgrings 1927 entspringen dieser Epoche. Ihr Mann verstarb im November 1977 im Alter von 77 Jahren. Ihre einzige Tochter Ludwina verlor sie kurz nach ihrem 100. Geburtstag, sie wurde 76 Jahre alt. Bei Maria Mengelkoch stand immer die Familie an erster Stelle. Ihr Mann sicherte - meist durch selbstständige Tätigkeit - den Lebensunterhalt. Auch heute noch ist Maria Mengelkoch der Mittelpunkt der Familie. Dies wurde auch im Laufe des Nachmittags deutlich. Am Gespräch nehmen ebenfalls Enkelin Christel und die Frau von Enkel Thomas, Marlu, teil. Zwischendurch klingelt es an der Tür. Enkel Thomas schaut kurz herein, verabschiedet sich mit den Worten „Oma, ich komme gleich noch einmal wieder." Auch die Urenkelin Katharina sieht zwischendurch nach der Uroma. Christel und Marlu bescheinigen der Oma einen starken Willen und positives Denken; sie habe sich in ihrem Leben „nie unterkriegen lassen" und sei immer sehr offen und modern gewesen. Ihr Mann und die Familie haben ihre Art sehr geschätzt und sie stets auf Händen getragen. Maria Mengelkoch geht es nach eigenem Bekunden gut. Sie höre und sehe zwar nicht mehr gut und könne nicht mehr allzu gut laufen, aber ansonsten würde ihr Arzt, der ihr alle drei Wochen einen Hausbesuch abstatte, ihr bescheinigen, dass sie gesund sei. Sie erinnert sich:

Schulzeit

Ihre Schulzeit verbrachte sie in ihrem Geburtsort Ediger. Ihr unmittelbar an der Mosel erbautes Elternhaus habe nahe der Schule gelegen. Durch den Unterricht führten zwei Lehrer und eine Lehrerin. In den Pausen habe man miteinander gespielt. Ein beliebtes Spiel war das „Fänken" (Fangen).

Maria Mengelkoch: „Wir sind manchmal so weit gelaufen, dass wir die Pfeife nicht gehört haben, wenn die Pause beendet war. Einmal hatten wir Unterricht mit dem Lehrer, da haben wir die Pfeife nicht gehört. Die Lehrerin hat das gemerkt, sie hatte unten die Klasse. Wir standen dann da mit vier Mädchen. Das erste Mädchen, ‚Klatsch' hat einen gekriegt, das Zweite, ‚Klatsch' hat einen gekriegt und in der Zeit war ich schon oben. Das vierte hat auch wieder einen gekriegt.... Ich war immer flink, konnte gut laufen, da hat sie mich nicht erwischt. Knauf hieß die Lehrerin, das weiß ich noch. Ein Fräulein, ein altes Fräulein. Die zwei Lehrer waren verheiratet. Der eine hat auch in der Schule gewohnt." Am Nachmittag traf man sich zum Spielen. Oft habe man sich einen Spaß daraus gemacht, sich an die Postkutsche zu hängen. Maria Mengelkoch: „Die Postkutsche hat uns nicht mitgeholt. Da haben wir uns als Kinder schon einmal hinten dran gehangen. Da kam die Peitsche hintenrum." Sie erinnert sich daran, dass sie stets gerne ihre Ferien bei ihren Großeltern väterlicherseits in Poltersdorf verbrachte. Oft habe sie sich bereits am ersten Ferientag - natürlich zu Fuß - auf den Weg zu den 21 Kilometer entfernt lebenden Großeltern »Oma und Opa Kochems« gemacht, um dort die Ferien zu verbringen. Maria Mengelkoch: „Die 21 Kilometer ist mir kaum einer begegnet auf der Straße, ab und zu mal ein Mann oder eine Frau, die im Weinberg arbeiteten; sonst ist mir keiner begegnet, kein Spaziergänger, nichts. Das gab es nicht."

Jugendzeit

Enkelin Christel erzählt, dass es sie heute noch ärgert, dass die Mädchen nicht zum Schwimmen in die Mosel durften. Das war nur den Jungen erlaubt. Die Mädchen mussten zu Hause mit anpacken.

Maria Mengelkoch: „Wir durften ja nicht. Die Jungen gingen alle auf die Grippe. Wo die Grippen in die Mosel reingingen, dazwischen waren Kümpel mit Wasser ohne Strömung. Die Jungen haben darin gelernt und wir Mädchen durften uns nicht sehen lassen. So konnten wir nicht schwimmen lernen und ich hätte es so gerne Schwimmen gelernt... Wir Mädchen mussten zu Hause die Arbeit machen, im Garten helfen, im Haus und überall. Ich war auch in verschiedenen Haushalten zum Lernen. Einmal war ich als Zimmermädchen in Altenahr in einem Hotel.... Wir selbst hatten keine Weinberge. .. Mit der Großmutter in Poltersdorf bin ich schon einmal mitgegangen zum Binden, die abgeschnittenen Bündel wurden im Backofen verbrannt.... Wir haben auch selbst Brot gebacken. Die Mutter hat das Brot immer selbst gebacken. Meistens 14 Tage sind wir ausgekommen mit einer Bäckerei. Es waren ca. zehn Brote. Das Brot wurde alle gegessen, bis aufs letzte Stückchen...Wir hatten immer einen Pastor im Ort. Wir Kinder sind, wenn wir draußen am Spielen waren und der Pastor vorbei kam, direkt zu ihm gelaufen, haben uns gekniet, ihm die Hand gereicht und gesagt:‚Gelobt sei Jesus Christus' und er sagte dann ‚In Ewigkeit, Amen'. Wir haben sogar noch eine Kniebeugung gemacht. Der Pastor war auch sehr nett. Manchmal hat er uns noch gedrückt. ... Wir hatten regelmäßig Christenlehre."

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Maria Mengelkoch im Alter von 21 Jahren

Kennenlernen und Heirat

„Meinen Mann habe ich in Wengerohr im Wartesaal kennen gelernt (Lachen). Ich wartete auf meinen Zug. Damals war die Regiezeit, da fuhren die Franzosen die Hauptstrecken Trier - Koblenz. Die fuhren selten, man musste lange warten. Ich bin von Wengerohr bis Ediger mit dem Zug gefahren. Da kamen die Leute aus dem Zug. Bei denen, die ausstiegen, war mein Mann auch dabei. Ich saß in Wengerohr in einer Ecke hinter der Tür. Ich hatte ein Buch zum Lesen, damit die Zeit nicht so lang war, und hatte mir ein Gläschen Wein bestellt. Ich sah auch meinen Mann reinkommen, ich hab' so ein bisschen geguckt, wer rein kam. Der Mann hat dauernd auf mich geguckt. Auf einmal kam er zu mir an den Tisch. Er sagte: ,Gestatten Sie, Fräulein?'. Ich sagte: ‚Bitte schön.' Da hat er sich gesetzt. Ich habe weiter gelesen. ,Ist das Buch so interessant?' fragte er. ,Ja', sagte ich, ,das Buch gefällt mir, es ist schön. Ich lese auch gerne.' ,Darf ich Sie zu einem Gläschen Wein einladen?', fragte er., Ja, da wäre ich nicht abgeneigt. Ich trinke gerne ein Gläschen Wein.' Da haben wir ein Gläschen Wein zusammen getrunken und uns länger unterhalten. ,Darf ich Sie noch bis zum Zug begleiten?', fragte er. Ich hatte nichts dagegen. Dann hat er mich zum Zug begleitet und wir haben uns am Zugfenster noch etwas unterhalten. ,Ich darf doch auch fragen, ob Sie gut angekommen sind?' Er wollte meine Adresse haben, die habe ich ihm auch gegeben (Lachen). Der erste Sonntag, ich war in der Küche beim Spülen, das Fenster stand offen, da habe ich gehört, als jemand auf der Straße fragte, wo Familie Straub wohnt. Und wir sind die einzigen in Ediger, die Straub heißen. Dann kam er rein. Die Eltern waren oben. Ich hatte erzählt, was ich für Gesellschaft hatte. Dann sind wir rauf gegangen und ich habe ihn vorgestellt. Das ist der junge Mann von Wenge-rohr, von dem ich Euch erzählt habe. Es war Sonntagnachmittag, was soll man schaffen. Ich schlug vor: ‚Wir fahren mit dem Schiff bis nach Cochem und abends um sieben Uhr mit der Bahn, mit dem Zug wieder zurück bis Eller.' Das war ihm recht. Das haben wir auch so gemacht. Er ist weiter gefahren. So haben wir uns kennen gelernt. Dann kam er nachher öfters. Ich bin auch schon mal nach Daun gefahren. Da hat der Opa noch gelebt und eine Tochter, die hat den Haushalt geführt. Da waren auch noch ein paar Schwägerinnen, die Lena, das Mariechen. Nach kurzer Zeit haben wir dann -ich war 21 Jahre alt - geheiratet. Wir sind 1924 in Koblenz auf dem Arenberg getraut worden. Da wohnten meine nächsten Verwandten. Sonst war alles zu teuer. Ich bin direkt mit nach Daun in den Bahnhofsweg (Anmerkung Enkelin: Schweizstraße, 2. Haus links) gefahren."

Währungsreformen

Maria Mengelkoch: „Man sagte immer Mark. Drei Mark waren ein Taler. Ich weiß noch, der Otto und der Menz waren Viehhändler und Metzger. Sie haben auf dem Viehmarkt auf dem Marktplatz in Daun gehandelt. (Geste: Handschlag) ‚Bäes' ‚Schuk', Schuk war eine Mark."

Lebensunterhalt

Maria Mengelkoch: „Mein Mann hat damals ein Geschäft angefangen. Das war kein Dummer. Mit so allerhand Kleinigkeiten... mit Obst und Gemüse. Ich weiß es gar nicht mehr richtig. Nachher hat er mit gebrauchten Möbeln gehandelt, da haben wir viel Geld verdient. Die Möbel waren zum Verkauf. Er hat sie gekauft und wieder verkauft. Da hat er gut dran verdient. Das war vor dem 2. Weltkrieg. ... Mein Mann war auch im Krieg, in Griechenland, und in Gefangenschaft."

Tägliche Arbeit

Maria Mengelkoch: „Ich hatte immer meine Arbeit. Wenn ich daheim nicht war, dann war ich sonst wo - im Garten. Wir haben selbst die Kartoffeln gezogen.

Die meiste Zeit war ich zuhause, da habe ich die Pflänzchen, weißen und roten Kappes, Wirsing, Blumenkohl, Salat, in unserem Garten gezogen. Ich habe viele Pflanzen gezogen und dann verhamstert. Für ein 25er Bündel habe ich drei Eier bekommen. Meistens bin ich von Daun aus in die Struth gegangen. Die Kinder haben später »Eierwiesel, Eierwiesel« gerufen. Unsere Tochter Ludwina war zu dieser Zeit schon auf der Welt, sie wurde bereits 1925 geboren."

Der 2. Weltkrieg

Maria Mengelkoch: „Die Kriegsjahre habe ich in Daun verbracht. Wenn man den Bahnhofsweg runter geht, auf der rechten Seite stand unser Haus. Dort geht es auch heute noch tief in einen Keller herunter. Ich stand dort und unten im Keller war ein Luftschutzkeller. Ich habe noch mit jemandem gesprochen. Da fiel eine Bombe in den Hof. Vom Luftdruck fiel ich in den Keller. Ich hatte das Knie kaputt und konnte nicht mehr aufstehen. Meine Mutter war dann 14 Tage bei mir in Daun. Es war ja keiner da, der Haushalt musste weiter gehen. Ich hatte sechs Wochen Gips."

Steinbrüche im Layen und in Neunkirchen

Maria Mengelkoch: „Mein Mann hat so vieles direkt angefangen. Da war einer, der war richtig eifersüchtig, als mein Mann im Steinbruch angefangen hat. ‚Das geht nicht lange, dann ist der bankrott', hat der gesagt. Es war damals ein gutes Geschäft, da alle Straßen gebaut wurden. Bruchsteine und Grenzsteine wurden gebraucht. Zuerst war der Steinbruch im Layen, dann folgte ein Steinbruch in Neunkirchen."

Bäckerei in Daun

Maria Mengelkoch: „Die Bäckerei war eine Wette zwischen Serwaty und meinem Mann. Mein Mann musste ja einen Chef haben, er war ja kein Bäckermeister. Da ist sein Bruder eingesprungen. Er hatte ein Café in Berlin und in Köln." Der Bruder Karl hat sodann den Namen gegeben, Herr Mengelkoch hat die Bäckerei geführt" (Anmerkung: Enkelin Christel).

Maria Mengelkoch: „Der ist eingesprungen für meinen Mann, dass war Mitte der 1950-er Jahre. Er war auch oft hier in Daun. Er hatte sämtliche Kinder hinter sich. Er war auch so gut zu den Kindern, hat ihnen immer was gegeben und mitgebracht, hat immer was gehabt für die Kinder aus der ganzen Verwandtschaft. Der Karl war ein guter Mensch." Anmerkung Enkelin Christel: „Mein Vater Alfred (Schwiegersohn von Maria Mengelkoch) hat im Steinbruch mitgeholfen. Nachher hat er in der Bäckerei gearbeitet und den Meister gemacht. Er war Sprengmeister, Bäckermeister und hat noch Maler- und Anstreicher gelernt. Bevor er die Mama kennen gelernt hat, war er auch noch in der Verwaltung tätig. Seine Mutter ist früh gestorben. Die zweite Mutter in den Bomben umgekommen. Die Kinder sind damals in Üdersdorf aufgezogen worden."

Maria Mengelkoch: „Die Bäckerei war immer in unserem Besitz. Man hat sich zwar später zurückgezogen und die Kinder arbeiten lassen, die Bäckerei ist aber nie überschrieben worden. Sie wurde später aufgegeben, weil sie sich nicht mehr getragen hat. ... Ich habe die Kinder meistens groß gezogen. Die Tochter war immer im Büro - ich habe daher die Kinder gehütet."

Zeit, als es weder Strom noch Fernsehen noch Telefon gab

Maria Mengelkoch: „Ich erinnere mich - wir hatten eine Küchenlampe. Die wurde betrieben mit Petroleum und hatte hinten so ein Blatt. Anstatt Fernsehen haben wir gespielt, Karten und was es so gab. Beim Kartenspiel musste man noch zählen, ich weiß aber nicht mehr wie es ging. ... Windeln wurden auf der Hand gewaschen. Da ich ständig Kopfschmerzen wegen der Lauge bekam, haben wir eine Waschmaschine gekauft. Das war die erste Waschmaschine in Daun. Diese wurde in den Boden einbetoniert. Vorher haben wir im Waschkessel im Keller mit Feuer die Wäsche gekocht.... Geheizt haben wir mit Holz -wir hatten einen schönen großen zweistöckigen Eisenofen. Er hatte Doppeltüren unten und oben. Wenn es im Schlafzimmer kalt war, dann war es eben kalt. Ich habe schon mal eine Bettflasche mitgenommen.... Als Kind habe ich mir mit meiner Schwester ein Bett geteilt. Die war so ängstlich - vor dem Gewitter, wenn es gedonnert hat. Einmal lagen wir im Bett und es war ein schweres Gewitter. Es hat geklatscht, geregnet. Ich sagte:"Dubrauchst nicht zu zittern und keine Angst zu haben.' Es war ganz schlimm. Dann sagte ich: ‚Wenn es jetzt noch einmal donnert, dann trifft es dich, dann bist du dran'. Und dann hat mich mein Vater aus dem Bett rausgeholt und mit mir geschimpft."

Besonderes Erlebnis in der Kinder- und Jugendzeit

Maria Mengelkoch: „Der Leh-mener Turm! Der steht heute noch zwischen Ediger und Nehren, das ist das nächste Dorf nach Poltersdorf. Da war ein Eulennest oben auf dem Turm, da konnte man hoch klettern. Ich musste zu dieser Zeit immer noch die Kinder hüten. Meine Schwester Lud-wina lag im Wagen. Da sind wir in den Turm gegangen, ich war ja nicht alleine, es waren noch ein paar andere bei mir. Ich bin hinauf geklettert und habe die jungen Eulen aus dem Nest geholt. Im Kinderwagen meiner Schwester habe ich sie sodann nach Hause mitgenommen. Auf dem Stauhaus über dem Stall, so eine Art Speicher, da war noch etwas Platz, wo man Sachen unterbringen konnte. Da habe ich dann das Nest hingemacht. Ich habe sie mit Abfall gefüttert. Wie lange die Eulen da waren, weiß ich nicht mehr. Sie waren auf einmal weg. Ob sie von selbst weg geflogen sind, kann ich nicht mehr genau sagen."

Tagesablauf

Anmerkung Enkelin Christel: Die Oma kann bereits seit einigen Jahren wegen der verringerten Sehfähigkeit keine Zeitungen mehr lesen. Sie schaut jedoch gerne fern, wobei sie das Geschehen mehr durch Hören als durch Bilder verfolgen kann. Maria Mengelkoch: „Ich sehe nur noch Umrisse. Ich gucke nachmittags, da sind oft die Gerichtssendungen, die stelle ich dann laut. Wenn ich das eine Zeit lang gehört habe, bekomme ich Kopfschmerzen vom lauten Ton. Dann mache ich das Fernsehen aus und lege mich zurück und ruhe ein bisschen.

Meistens, wenn Musik im Fernsehen ist, höre ich mir die Sendung an. Und die alten Lieder singe ich mit. Die Nachrichten höre ich ebenfalls im Fernsehen. Ich verstehe im Fernsehen nicht immer alles genau, kann mir jedoch einiges zusammen reimen, so dass ich ein bisschen davon habe."

Anmerkung Enkelin Christel: „Bis vor drei Jahren besuchte sie noch regelmäßig am Sonntag den Gottesdienst. Wir tun alles für sie, was wir können. Sie könnte auch heute noch am Gottesdienst teilnehmen, es bereitet jedoch sehr viel Aufwand. Transport im Rollstuhl vom Haus zum Auto, ins Auto, aus dem Auto wieder in den Rollstuhl, in die Kirche und dann alles wieder zurück." Maria Mengelkoch: „Die letzte Zeit gehen mir so von heute auf morgen die Gedanken weg. Dann will ich etwas erzählen, habe es im Kopf und - weg ist es.... Daun hat sich in 80 Jahren sehr verändert. Minninger und das Elternhaus meines Mannes erkenne ich jedoch noch."

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v.l.n.r.: Enkelin Christel, Maria Mengelkoch, Marlu (Frau von Enkel Thomas)

Schönstes Erlebnis

Maria Mengelkoch: "Mein schönstes Erlebnis? Feiern! Wir waren immer bei allen Feiern dabei, wir haben immer gerne mitgemacht, wir waren gerne unter Menschen. Im Leben geht es auf und nieder, Sorgen kommen immer wieder, drum sei lustig und sei froh, denn was kommt, das kommt ja sowieso." Auch wenn Maria Mengelkoch erklärt, dass sie nach einem eineinhalbstündigen Gespräch noch nicht müde sei, möchten wir sie nicht überbeanspruchen, obwohl wir noch stundenlang mit ihr plaudern könnten. Maria Mengelkoch ist eine aufgeschlossene und liebenswerte Frau, die mit ihrem herzlichen Wesen für die Menschen in ihrer Umgebung eine wahre Bereicherung ist. Wir danken ihr ganz herzlich für das Gespräch. Zum Abschluss sagt uns Maria Mengelkoch fehlerfrei, ohne auch nur einmal zwischendurch zu stocken, das nachfolgend niedergeschriebene Gedicht "So einer war auch er" auf. Eine beachtliche Leistung für einen Menschen, der vor kurzem das 102. Lebensjahr begonnen hat! Das Gespräch führten Helmut Klassmann und Christine Schmidt.