So einer war auch er
Liegt ein Dörflein mitten im Walde,
überdeckt vom Sonnenschein,
und vor dem letzten Haus an der Halde,
sitzt ein steinalt´ Mütterlein.
Sie lässt den Faden gleiten,
und Spinnrad Spinnrad sein,
und denkt an die alten Zeiten,
und nickt und schlummert ein.
Heimlich schleicht die Mittagsstille,
durch das flimmernde grüne Revier.
Alles schläft, selbst Drossel und Grille,
und vorm Pflug der müde Stier.
Da plötzlich kommt es gezogen,
blitzend am Wald entlang,
und vor ihm hergeflogen,
Trommel- und Pfeifenklang.
Und in das Lied vom alten Blücher,
jauchzen die Dörfler: »Sie sind da!«
Und die Mädels schwenken die Tücher,
und die Jungen rufen: »Hurra!« Gott schütze die goldenen Saaten,
dazu die weite Welt;
des Kaisers junge Soldaten,
ziehen wieder ins grüne Feld.
Sieh, schon schwenken sie um die Halde,
wo das letzte der Häuschen lag,
schon verschwinden die ersten im Walde,
und das Mütterlein ist erwacht.
Versunken in tiefes Sinnen,
wird ihr das Herz so schwer,
und ihre Tränen rinnen:
»So einer war auch er!«
(Arno Holz, 1863-1929)