Sputzzopp

Maria Fritschen, Gerolstein

„Unser tägliches Brot gib uns heute", so beten wir vor uns hin. Denken wir dem tiefen Sinn dieser Worte nach, kommt uns zu Bewusstsein, wie selbstverständlich wir den Brotkauf in der heutigen Zeit für uns in Anspruch nehmen. Doch das war nicht immer so. In der Kriegs- und Nachkriegszeit - den sogenannten Notjahren - waren die Landwirte als Voll-Selbstversorger eingestuft. Sie erhielten Lebensmittelkarten für den lebensnotwendigen Einkauf. Den sehr strengen Abgabelieferungen ihrer Produkte mussten sie unbedingt Folge leisten. So konnte man in einer Tageszeitung von Mittwoch, 13. August 1947 lesen:

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Die Getreidebewirtchaftung

Für das Getreidewirtschaftsjahr 1947/48 (vom .1. Juli 1947 bis 30. Juni 1948) gelten folgende Bestimmungen:

Bei Brotgetreide besteht totale Ablieferungspflicht für Roggen, Weizen, Gerste und Gemenge aus diesen Getreidearten. Abzuliefern ist alles, was über den Saatgutbedarf, der 2 dz je ha beträgt, und die Selbstversorgerration, die mit 150 kg pro Selbstversorger und Jahr in Ansatz gebracht werden darf, hinausgeht. Die Verfütterung von Brotgetreide ist untersagt und wird bestraft, Unter das Verbot fällt auch die Verfütterung von Gerste. Das Brotgetreide ist sofort zu dreschen und unmittelbar nach dem Drusch an den zugelassenen Handel, die Genossen schatten und aufkaufsberechtig-ten Mühlen gegen Ablieferungsbescheinigungen abzuliefern.

Bis auf weiteres darf Gerste nicht von Mühlens sondern nur vom Handel und von Genossenschaften aufgenommen werden, Mälzereien und Brauereien dürfen Gerste weder unmittelbar beim Erzeuger kaufen noch für dessen Rechnung einlagern. Der Handel darf Gerste an Brauereien und Mälzereien nur auf Grund von Einkaufsberechtigungsschei-nen. die vom Landesernährungsamt ausgestellt sind, abgeben. Handel und Genossenschaften haben außer der jeweiligen Brotgetreidebereitstellungspflicht eine besondere Andienung in bezug auf Gerste monatlich vorzunehmen.

Die Aushändigung der Mahlkarte und die Erteilung der Schlachtgenehmigung darf durch Ernährungsämter und Kar-tenstellen nur vorgenommen werden, wenn die Ablieferungspflicht erfüllt ist. Was Futtergetreide und Rauh-futter anbetrifft, so erhält für Hafer und Heu jeder Erzeuger durch den zuständigen. Landrat bzw. das Kreisernäh-rungsamt eine bestimmte Umlage, deren Höhe noch festgesetzt wird. Bis zur Erteilung dieser Umlage können Hafer und Heu nur an aufkaufsberechtigte Händler und Genossenschaften abgegeben werden. Ein unmittelbarer Verkauf von Er-zeuger zu Erzeuger oder an Verbraucher ist nicht statthaft.

Durch diese Vorschriften hatten selbst Landwirte nur das Nötigste zum Essen. Eltern mussten Einfallsreichtum haben, um ihre Kinder satt zu bekommen. In der Nachbarschaft existierte noch eine ganz alte Schrothammermühle, in der Hafer für das Vieh zerkleinert wurde. Die besten, groben Haferstückchen siebte und sortierte man mit viel Mühe und Ausdauer aus, um eine Hafersuppe daraus zu kochen. Abwechselnd wurde sie mit Magermilch oder Gartenkräutern schmackhaft gemacht. Trotz einer aufwendigen Auslese blieben immer noch Haferschalen in dem wertvollen Nahrungsprodukt. Diese Stückchen setzten sich so gerne zwischen den Zähnen fest. Das war für die Kinder unangenehm. Geringschätzig wurde die Suppe „Sputzzopp" genannt.

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In dieser großen Notzeit kamen viele Menschen aus der Stadt in die Bauerndörfer „hamstern". Zum Tausch wurden Hausgegenstände angeboten. Als eines Tages ein müder, abgespannter Mann bei einer Großfamilie eintrat und seine selbstangefertigten Steingutwaren zum Tausch anbot, war Essenszeit. Er wurde zum Mitessen eingeladen. Ganz einfach stellte man einen Teller mit dem nötigen Besteck in die Tischrunde. Der Gast konnte sich bedienen. Als er sich nach dem Essen so lobend für die wohlschmeckende Mahlzeit bedankte, bekam die Hafersuppe für uns Kinder eine ganz andere Wertvorstellung. Aus dieser Bekanntschaft wurde Freundschaft.

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