„Franzosenhiebe im Amt Daun

Plünderung der Gemeindewälder durch die Besatzungsmacht

Friedbert W i ß k i r c h e n , Daun

Zur Wiedergutmachung des Schadens, der während des II. Weltkriegs in Frankreich und Luxemburg entstand, erging im Jahre 1946 durch die damalige französische Militärregierung in Baden-Baden eine „Allgemeine Anordnung", wonach in der französischen Besatzungszone 1,4 Millionen (in anderen Unterlagen ist von 2,0 Millionen die Rede) Festmeter Holz eingeschlagen werden mussten. Dass der Holzeinschlag von langer Hand geplant war, ergibt sich daraus, dass die Französische Besatzungsmacht bereits am 8.8.1945 Anweisung erteilte, die in Gefangenschaft befindlichen Forstbeamten, Waldarbeiter und Holzfuhrleute beschleunigt frei zu lassen. Die Ortsbürgermeister mussten Nachweisungen erstellen, welche Wagen sich für die Holzabfuhr eigneten, Zugfahrzeuge und Pferde in den Gemeinden waren zu melden. Im Vergleich zur englischen oder amerikanischen Besatzungszone lagen die Holzlieferungen an Frankreich wesentlich höher. „Auch in der historischen Literatur gilt die französische Politik im Vergleich zur Besatzungsherrschaft der Briten und Amerikaner bislang als besonders hart, eigennützig und revanchistisch."1 Neben dem Staatswald waren auch Privatwaldungen, vor allem aber die Gemeindewälder stark betroffen. Dabei blutete gerade in Eifel und Hunsrück der Waldbestand besonders stark aus, während die wirtschaftlich stärkeren Gebiete an Mosel und Pfalz wenig betroffen waren. Im Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Trier mussten allein 550.000 Festmeter Nadelschnittholz an dieBesatzungsmacht abgeliefert werden. Das Landesforstamt hatte 1946 mit den französischen Behörden einen Vertrag abgeschlossen, der - ohne Mitwirkung oder Einverständnis der Kommunen -hauptsächlich gemeindliche Waldungen umfasste. Vertragliche Vereinbarungen für die Zwangsexporte von Holz zwischen 1947-49 gab es scheinbar nicht. Die einzelnen Forstämter wurden angewiesen, der Besatzungsmacht entsprechende hiebreife Bestände zu melden, die dann von französischen und luxemburgischen Firmen, teilweise mit Unterstützung deutscher Arbeiter, zwischen 1946 und 1949 eingeschlagen und abgefahren wurden. Den deutschen Forstbeamten war der Zugang zu den Einschlägen verwehrt. Die Gemeinden in verkehrsgünstiger Lage, vor allem die Stadt Daun mit dem Bahnanschluss, waren besonders betroffen. Aus einer Nachweisung des Forstamtes Daun-Ost vom 16.3.1949 geht hervor, dass von 1946 - 1948 im Staatsforst 16.400 Festmeter mit einem Wert von 333.500 DM, in den Gemeindewäldern des Amtes Daun 26.500 Festmeter - Wert: 576.500 DM und im Amt Gillenfeld 4.250 Festmeter - Wert: 85.000 DM an Zusatzhieben erfolgten. Hierin ist der Einschlag des Jahres 1949 nicht enthalten. Insgesamt mussten die Gemeinden des Amtes Daun 32.700 Festmeter Fichtenstammholz und Buchen an Reparationen für Frankreich und Luxemburg erbringen.

Amtsbürgermeister Drückes machte in einem Schreiben vom 23.9.1949 an Landrat Feldges Unverständnis und Verärgerung über die überproportionale Belastung des Amtes Daun deutlich. „Die schwer kriegsbeschädig-te Gemeinde Daun ist am stärksten (von Reparationshieben) betroffen. Mit dem Abtrieb des Fichtenbestandes im Distrikt: „Gödderscheid" hat der Dauner Gemeindewald das letzte schlagreife Holz dieser Art hergegeben. Unerklärlich ist, warum der Schwerpunkt der Lieferungen an die Besatzungsmacht, die das Land Rheinland-Pfalz zu leisten hat, bei den Gemeinden des Kreises, insbesondere bei denen des Amtsbezirks Daun liegt."

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Wiederaufforstung bei Ellscheid Ende der 1940er Jahre - bei der Mittagsrast

Der wirtschaftliche Schaden

Deutschen Firmen war es nach dem 2. Weltkrieg verboten, Waren im Ausland einzukaufen oder zu verkaufen. Der Export lag ausschließlich in Händen der französischen Besatzungsmacht, die sich hierzu Agenturen wie der OFICOMEX und der JEIA (Joint Export-Import Agency) bedienten. Beide Institutionen wurden 1948 vereinigt; die JEIA musste sogar später Liquidation anmelden. Vor der Währungsreform am 20.6.1948 zahlten OFICO-MEX/JEIA in Reichsmark, verkauften das Holz aber zu Marktpreisen in Dollar, später wurde das Holz in DM beglichen, aber weit unter dem tatsächlichen Wert. Dabei mussten die Forstbehörden Fichtenstammholz zwangsweise zu einem „Schleuderpreis" von 10,50 DM pro Festmeter verkaufen, während bei deutschen Holzkäufern der doppelte Erlös erzielbar gewesen wäre. Außerdem wäre der Grundstoff Holz zum Aufbau Deutschlands selbst dringend benötigt worden. Der durch nicht marktgerechte Preise entstandene Schaden belief sich nach einer Aufstellung der Amtsverwaltung vom 10.12.1949 auf mindestens 450.000 DM. Hinzu kamen noch die Verluste der Gemeinde Kirchweiler (aus dem Forstamt Gerolstein) für die Lieferung von Buchenschwellen, die 1949 allein 16.000 DM ausmachten. Von den mehr als 32.000 Festmetern aus den Gemeindewäldern geschlagenen Holz waren viele Bestände noch nicht hiebreif, so dass durch den vorzeitigen Abtrieb weitere wirtschaftliche Verluste von 80.000 - 100.000 DM die Folge waren. Aber auch die Wegeschäden erreichten erhebliche Dimensionen; die Gemeinde Brück beklagte, dass durch die Abfuhr aus dem Staatswald „Wurmerich" ein Schaden von 20.000 DM entstanden sei; auch Dockweiler und Darscheid meldeten Schäden von zusammen 30.000 DM an Wegen und Straßen. Die vor der Währungsreform am 20. Juni 1948 noch in Reichsmark gezahlten Kaufpreise waren für die Gemeinden fast wertlos, denn die Umrechnung zur DM erfolgte im Verhältnis 1:10. Auch die Zahlungsmoral der Besatzer war Anlass für Beschwerden. Die Amtskasse Daun bekam Zahlungsprobleme, weil sie die gemeindlichen Waldarbeiter entlohnen mus-ste, der Holzkaufpreis von den Besatzern bzw. JEIA / OFICO-MEX mit Verspätung, gar nicht oder nur teilweise bezahlt wurde, wie Amtsbürgermeister Drückes am 17.3.1949 beklagte. Dadurch, dass die JEIA 1949 zahlungsunfähig wurde, blieben viele Holzrechnungen unbeglichen. Auch die Trierer Landeszeitung vom 11.5.1955 verwies in einem Artikel „Sind die Besatzungshiebe in Eifel und Hunsrück vergessen?" auf die immer noch offenen Rechnungen. „Von den 30 Millionen DM, die Rheinland-Pfalz für seine überwiegend unbezahlten Holzlieferungen an französische und luxemburgische Firmen zu fordern hat, entfällt ein erheblicher Teil auf die Eifel- und Hunsrückkreise." Und die Landeszeitung bemerkte in einem Artikel vom 29.12.1955: ...„die zusätzlichen Entnahmen von wertvollem Nutzholz aus ihren Waldungen (Anmerkung: der Eifel- und Hunsrückgemeinden) in den Jahren 1946 bis 1949 gehen in die Millionen DM..." Die Nachhaltigkeit der Waldwirtschaft war durch diese zwangsweise und ungeplante Nutzung erheblich gestört. Die durch die Kahlschläge eingetretenen Nachteile für den Wasserhaushalt, den Windschutz und die hohen Aufwendungen der Gemeinden zur Wiederaufforstung sind in den wirtschaftlichen Schäden noch nicht einmal berücksichtigt. Zusätzlich waren viele Gemeindewälder durch Kriegseinwirkungen ohnehin geschädigt.

Die Hoffnung der Gemeinden, durch Erlass des Kriegsfolgen-schlussgesetzes die Wald- und Holzverluste durch die Bundesrepublik ganz oder teilweise entschädigt zu bekommen, blieb unerfüllt. 1958 schwand die letzte Hoffnung der Gemeinden auf eine Entschädigung für die „Franzosenhiebe". Das Verwaltungsgericht Trier lehnte in einem Musterprozess die Klage eines Waldbesitzers gegen das Land wegen der Reparationsschäden ab. Das Ausmaß des Waldverlustes und der Aufbauleistungen der Gemeinden wird an einer Zahl sichtbar. Von 1947 bis 1955 wurden im Amt Daun 751.000 DM für die Wiederaufforstung der Gemeindewälder aufgewendet, in einer Zeit, als die Gemeinden mit den Folgen des Wiederaufbaues und der Nachkriegslasten - nicht nur im Wald - schier unüberwindliche Probleme bewältigten. Die Wiederaufforstungsmaß-nahmen der durch die Besatzungshiebe entstandenen Kahlflächen, trugen nur wenige Früchte. Sie fielen als 40 - 50jährige Bestände teilweise 1990 und 1994 den Stürmen „Vivian" und „Wieb-ke" zum Opfer, die Gemeinden mussten abermals einen großen Rückschlag bei der Waldbewirtschaftung hinnehmen. Die heutige unbefriedigende Altersstruktur im Gemeindewald ist nicht zuletzt auf die massiven Reparationshiebe in den Jahren 1946 -1949 zurück zu führen.

Quellen:

Archiv Verbandsgemeindeverwaltung Daun Gert Kollmer - v. Oheimb-Loup in „Wirtschaft in der Nachkriegszeit"
www.lpb.bwue.de -Trierer Landeszeitung - verschiedene Ausgaben

1„Rheinland-Pfalz entsteht-Zur Politik der französischen Besatzungsmacht v. Reiner Hudemann"