Endstation: „Nohner Mühle"

1946: Eine Orgelreparatur mit Hindernissen

Thomas R o m e s , N o h n/H i l l e s h e i m

Ein Briefwechsel aus dem Jahre 1946, soll hier vorgestellt werden, der zeigt, dass schon bald nach Kriegsende, neben dem nackten Überlebenskampf auch die feierliche Verehrung Gottes in den Mittelpunkt rückte. So ist der hier vorgestellte Wunsch des Nohner Pfarrers nach einer intakten Orgel verständlich, nachdem das wertvolle mittelalterliche Geläut für den „Endsieg" geopfert werden musste.

Improvisieren und Motivieren

In der Schulchronik heißt es, dass es ab Anfang Dezember 1944 in Nohn „sehr ungemütlich" wurde. Ausgerechnet am Weihnachtstag wurden fünf Häuser total zerstört, neun Zivilisten und vier Soldaten fanden den Bombentod. Auch die Pfarrkirche in Nohn hatte durch Bombenabwürfe und Granat-beschuss gelitten, die Fenster waren zerstört und auch die schöne alte Barockorgel hatte ihr Teil abbekommen. Ein unheilvolles Vorzeichen setzte ein Pfuscher mit dem Ausbau des wertvollen Registers Mixtur (144 Pfeifen) bereits 1933, dem Jahr der Machtergreifung. Seit dem war kein „Orgelbauer" mehr am Instrument. Pfarrer Peter Ludes hatte die schlimmen Kriegsjahre mit seinen Pfarrkindern durchlitten, jetzt sehnte er sich nach einem würdigen „Ewig Gebet" , das auf den 4. August 1946 angesetzt war. Damals ein Hochfest in jeder Pfarrgemeinde, an dem alle Priester der Umgebung teilnahmen und für das man sich Urlaub nahm, falls es auf einen Wochentag fiel. Schon bald nach Kriegsende hatte der Pfarrer Kontakt zu Orgelbaumeister Willi Peter in Köln-Nippes aufgenommen. Dieser Briefwechsel, der besonders die Schwierigkeiten mit den Besatzern festhält, soll hier auszugsweise wiedergegeben werden. Schon das erste Schreiben vom 16. Juni 1946 zeigt, dass der Geistliche auch ein Mann der Praxis war: „Ich hoffe, dass Sie Nohn noch nicht vergessen haben und dass ich im Juli mit den Orgelarbeiten rechnen kann. Da bei der Reparatur der Orgelmotor doch sehr beansprucht wird, und wir im Monat nur 8 kw Strom verbrauchen dürfen, hätte ich noch für Juli die Möglichkeit, einen transportierbaren Zähler zwischenzuschalten, der im August zum Lohndrusch gebraucht wird." Sorge macht er sich auch um die Motivation des herbeigesehnten Lehrers: „Zudem soll ich auch demnächst einen neuen Organisten bekommen, dem, wenn er die Orgel in diesem Zustand antrifft, alle Lust zum Spielen genommen wird." Lehrer Jakob Jores war am 17.1.1940 gestorben, sein Schwiegersohn Hubert Helten, der den Organistendienst nun übernehmen sollte, wurde eingezogen und starb an einer Verwundung, am 3.7.1945. Nun sollte dem neuen Lehrer Wilhelm Specht, nicht schon zum Amtsantritt die Lust an der schönen, aber ramponierten „Choralpumpe" genommen werden. Pastor Ludes kann dem Orgelbauer schließlich die günstigste Bahnverbindung angeben, viele Brücken waren im Juni 1946 schon wieder hergestellt, so dass er als nächste Bahnstation Ahütte nennen konnte, von Köln über Remagen - Düm-pelfeld erreichbar. Die Verbindung über Lissendorf und Hillesheim war noch nicht wieder hergestellt.

Grenzkontrollen meiden

Wenn wir heute „Zonengrenze" hören, so denken wir an Mauer, Ostzone oder DDR. Vor sechzig Jahren war aber auch unsere Heimat Zonenrandgebiet mit ihren eigenen Problemen mit den Besatzungsmächten. Der „britische" Orgelbauer Peter berichtet von seinen unangenehmen Grenzformalitäten an der französisch-britischen Zonengrenze. Diese will er verständlicherweise künftig umgehen, oder besser gesagt umfahren. Am 21.6.1946 schreibt er: „Bei meiner Rückfahrt von Brück (Anm.: heute Ahrbrück) habe ich RM 100,- Strafe bezahlen müssen (Pass-kontrolle usw.), besteht nicht die Möglichkeit, dass ich über Euskirchen - Kall fahren kann und dann per Rad weiter? Denn Sie können sich vorstellen, dass ich nicht ein zweites Mal Strafe zahlen möchte, trotzdem ich auch noch einen Passantrag laufen habe." Die „grüne" Grenze zum nahen britischen Ahr-dorf, wurde natürlich bevorzugt. Die Verhältnisse in der britischen Zone waren dort -nicht nur für Kriegsgefangene - durchweg angenehmer als auf französisch besetztem Territorium.

Mit dem Postauto oder zum Bahnhof: Nohner Mühle?

Pfarrer Ludes freut sich, dass der Kunsthandwerker noch für Juli sein Kommen zusagt. Kaum jemand hat ein eigenes Fahrzeug und so ist Pfarrer Ludes über den Nahverkehr gut unterrichtet. Am 2. Juli gibt er wertvolle Reisetipps: „Wenn Sie nicht mit der Bahn über Remagen fahren wollen, ich kann das ja verstehen, wo Sie bei der Passkontrolle 100 Mark zahlen mussten, dann können Sie über Euskirchen bis Mecher-nich fahren. Von Mechernich fährt ein Postauto (Omnibus) bis Ahrhütte, etwa 2 Minuten (?) von Nohn. Das Auto fährt um 8 Uhr und 13,30 Uhr in Mechernich ab und hat An-schluss auf die Züge von Euskirchen her. Das Auto ist meist sehr besetzt, sodass man vorher angemeldet sein muss, wie ich gestern erfuhr. Ich weiß nicht ob die Züge schon bis Kall vorfahren, von dort aus kann man per Rad Nohn über Blankenheim -Ahrhütte - Ahrdorf erreichen. Vor Nohn, zwischen Ahrdorf - Nohn ist eine Sperre. Ich glaube aber, dass Sie dort keine Schwierigkeiten haben, wenn Sie nach Nohn fahren. Es werden nur Autos angehalten." Wegen der zerstörten Brücken kommt auch Nohn einmal zu „Bahnhofsehren" : „Wenn Sie mit dem Zuge bis hierhin kommen, dann können Sie bis Nohner-mühle fahren (Endstation). Um 14,57 u 21,08 Uhr kommen Züge, die von Remagen her Anschluss haben, dort an. Das ist natürlich die bequemste Fahrt. Es bliebe ein Fußweg von 20 Minuten" . Er fügt noch einen Ausweis bei, der eventuelle Grenzschwierigkeiten bei der „dringlichen Fahrt zur Instandsetzung der Orgel in der Pfarrkirche zu Nohn, Krs. Ahrweiler" verhindern soll. Ausdrücklich erwähnt ist, dass die „Orgelschäden durch Kriegseinwirkung entstanden" sind. Da Stimmhörner und anderes Instrumentarium des Orgelbauers den Grenzsoldaten verdächtig sein könnten, erklärt der Pfarrer: „Herr Peter führt zur Behebung der Schäden Handwerkszeug u. Material zur Reparatur bei sich." Zusätzlich übernimmt er die Fahrradbeförderung, auf der Rückseite „bahnamtlich" bescheinigt. Welchen Weg er nun für die Hinfahrt gewählt hat, ist aus dem Schriftverkehr nicht zu ersehen.

Rückfahrt ohne „Panne"

Rechtzeitig zum Festtag des ewigen Gebets ist auch die Orgel gereinigt und gestimmt - der neue Organist jedoch, so erfahren wir später, kommt erst Mitte Oktober! Die quittierte Rechnung vom 29. Juli „über Bombenschädenbeseitigung - Reinigung -Nachintonation - Stimmung" lautet über 315 RM einschließlich 53,90 RM Fahrkosten und Spesen. Herr Peter bedankt sich beim Pfarrer und der Pfarrgemeinde für die freundliche Aufnahme. „Die Rückfahrt hat sehr gut geklappt, wir sind mit dem Lastwagen bis nach Köln befördert worden, zu meiner größten Freude ohne „Panne..." Die Anführungszeichen zeigen, dass mit „Panne" die Grenzschikanen gemeint sind.

Zündstoff und Zonensperre

Auf einer Postkarte aus „22b Nohn über Adenau/Eifel" an „Engl. Zone Deutsch (22a) Köln - Nippes" bedankt sich der zufriedene Pfarrer am 23. September, der Orgelbauer hatte ihm ein Einschreibepäckchen mit Zündstoff zukommen lassen: „Der Zündstoff geht leider immer mehr zur Neige. Kann Ihnen auch mitteilen, dass ich am 15. Oktober einen Organisten bekomme und ich bin Ihnen herzlich dankbar, dass Sie die hiesige Orgel wieder so schön instand gesetzt haben". Die Probleme „des kleinen Grenzverkehrs" in die britische Zone gingen aber weiter: „Heute wäre das durch die Zonensperre schon wieder viel schwieriger" stellt Pfarrer Ludes abschließend fest. -Wie hätten sich unsere Dörfer entwickelt, wenn die Rheinprovinz wiedererstanden wäre, das französische Kunstgebilde Rheinland-Pfalz in der Versenkung verschwunden wäre? Man kann feststellen, dass die Beziehungen - zumindest im nördlichen Teil des Kreises -zu Köln und seinem Umland weitaus enger sind als zu Mainz, Rheinhessen und der Pfalz… Heute könnte man sich wenigstens die Grenzformalitäten bei Orgelreparaturen sparen: der nächste Fachmann für heruntergekommene Orgeln hat in Oberbettingen seine Werkstatt!

Quellen:

Pfarrarchiv Nohn, H.- P. Caratiola, Geschichte einer Orgel, 1964 Schulchronik Nohn Lagerbuch der Pfarrei St. Martin, Nohn