Geheime Rezepturen und steingewordene Lebensspuren
Felicitas Schulz, H i l l e s h e i m
Die Eifel entdecken- dazu lud die im Kreis Daun vor Jahren gegründete Organisa­tion "Geologie und Land­wirtschaft" auf einen Bau­ernhof ein. Die Autokennzei­chen zeigten an, von wie weit die Wanderer gekom­men waren. Dazu Urlaubsgä­ste, die die schönste Zeit im Jahr bewusst in unsere Regi­on verlegten. „Und was ist das?" fragte der kleine Jonas aus Wuppertal und zeigte auf ein üppig wachsendes Kraut mit großen breit elliptischen Blättern. Einige ältere Gäste kannten das mit dem Sauer­ampfer verwandte Kraut, die Jüngeren weniger und freu­ten sich, die Bezeichnung Stumpfblättriger Ampfer zu hören. Das Knöterichge­wächs mit seinen kleinen unscheinbaren, grünlichen bis rötlichen Blüten ist in der Vegetationszeit auf Wiesen, Gräben und Wegrainen ein vertrauter Anblick. Die Blät­ter mit ihrem leicht bitteren Geschmack können wie Spi­nat verarbeitet werden. Ebenso das schmalblättrige Weideröslein mit seinen rosa bis purpurroten Blüten, das in den Sommermonaten al­lenthalben durch seine bis zu 150cm Höhe auffällt. Auch das Wiesenbockskraut war eine häufig genutzte Gemü­sepflanze sowie die wilde
Möhre. Sie kann eine Höhe bis zu 80 cm erreichen und ist von den übrigen Dolden-blütlern leicht an der dun­kelpurpurroten, sterilen Blü­te in der Mitte der weißen Blüten erkennbar. Die Menschen wussten sich zu helfen, kannten sich mit den Pflanzen aus. Besonders Hildegard von Bingen trug mit ihrem „Buch der einfa­chen Heilmittel" dazu bei, sie anzuwenden. Das Heilen ih­rer Nutztiere lag den Men­schen sehr am Herzen und scherzeshalber hieß es früher, „an eine neue Frau kommst du schneller, als an eine neue Kuh." Und so war der Gebrauch der heilenden Kräuter für die Bevölkerung eine Notwendigkeit. Manche Rezeptur blieb ein Geheim­nis, die generationenlang gehütet wurde. An einem zerfurchten Acker­weg stand ein ausgewilderter Holunderbaum. Ein Lob auf dieses Gewächs: mit „Rinde, Beere, Blatt und Blüte, jedes Teil ist Kraft und Güte". Alle kannten von ihm Saft, Tee, Bonbons und Marmelade. In Glaubens- und Volksbrauch­tum spielte er eine große Rolle, und in manchen Mär­chen ist vom Holderbusch die Rede. Um gute Hausgei­ster anzuziehen, stand er auf jedem Grundstück und dien-
te zugleich als „Arzenei" für Mensch und Tier. An einer Wiese mit kalkigem Untergrund blieb die Gruppe stehen und staunte über den Heilzist, ein rosa fast purpur­rot blühendes uraltes Allheil­mittel, das gegen vielerlei Wehwehchen herhalten mus-ste.
Man staunte über die üppig blühenden oftmals unbe­kannten Pflanzen, die auf unseren Eifeler Kalkböden gedeihen oder auch in Ver­gessenheit gerieten. An ei­nem Maisfeld blieben wir stehen, denn am Rande la­gen, wie hingestreut, Steine. Es waren Korallen, die in der Mitteldevon-Zeit vor über 390 Millionen Jahren riesige Riffe und Kalkablagerungen bildeten und unsere Region bedeckten. Der kurze steile Aufstieg zum Koberg, auch Galgenberg genannt, be­lohnte mit einer eindrucks­vollen Rundumsicht. Warum heißt der Berg so gruselig, kam eine Frage und man er­fuhr, dass früher hier oben die Verbrecher an den Gal­gen kamen und oftmals eini­ge Tage zur Abschreckung hängen blieben. Dass der Galgen nicht mehr zu finden war, bedauerten einige Kin­der.
Eine trutzige Kirche tauchte auf und man vernahm die
500 Jahre alte Geschichte der Berndorfer Wehrkirche auf dem Kirmesberg, die mehr­mals von der Bevölkerung als Zufluchtsort genutzt wurde und einen Behelfsb­ackofen besaß, wenn der lei­dige Zustand gar zu lange
anhielt. Man sah auch den höchsten Berg der Eifel, die Hohe Acht mit ihren 747 Me­tern, der weit ins Land hin­einragt. Auf dem Rückweg pflückten ein paar Frauen ei­nen Wildblumenstrauß, der mit Scharbockskraut, Mäde-
süß, Echter Thymian und Salbei, Wiesenstorchschna­bel, Wegwarte und Bachnel­kenwurz zu einem Bündel voller bunter Farben und ei­nem Duft heranwuchs, der nur einen Bruchteil der Eifel-schönheiten widerspiegelt.