„Windmühlen" erobern die Eifel

Eine kleine Kulturgeschichte

Hubert Pitzen, Stadtyl l

1. Das Landschaftsbild der Eifel

Das Landschaftsbild der Eifel hat sich im Laufe der Erd- und Menschheitsgeschichte häufig grundlegend verändert. Ein Wechsel im Landschaftsbild brachte zunächst die Erdgeschichte mit sich. So prägte beispielsweise das relativ flache Devonmeer die Eifel, dessen Spuren man noch durch seine Kalkablagerungen und Versteinerungen aufspüren kann. Ungeheurer Druck im Erdinnern ließ den Meeresboden hochstemmen, sodass das Meer verschwand und sich Kalkmulden bildeten; übrigens die ersten Siedlungszonen der ersten Eifelbewohner. Wüstenähnliches Klima folgte, dessen Wirken sich noch an der rötlichen Färbung der Gesteine erkennen lässt. Allmählich wurde das anwachsende Gebirge durch Wind und Wasser erodiert und die Eifel nahm schließlich das Bild der heute typischen Mittelgebirgslandschaft ein. Die relativ spät in der Erdgeschichte einsetzenden Vulkaneruptionen trugen dann nochmals zu einer Landschaftsveränderung bei. Die Maare, die „Augen der Eifel", drückten dem Eifelbild einen fast einmaligen Stempel auf. Wo sich das Wasser verflüchtigte oder versickerte, blieben die Trockenmaare zurück, die oftmals nur von einem geübten Auge erkannt werden. Die positiven Formen, die Vulkankegel, geben der Eifel ein einmaliges Gepräge. Seit den frühesten schriftlichen Quellen ist immer von einem großen Waldgebiet die Rede. Caesar bezeichnete die Eifel als „arduenna silva" (= Ardenner Wald), der nur vereinzelt von Siedlungs- und Ackerflächen unterbrochen war. Durch einen Bevölkerungsanstieg begann seit dem 10.-11. Jahrhundert die Rodungsphase und die Eifel veränderte ihr Bild erneut. Neben großen Siedlungsflächen blieben hauptsächlich Buchen- und Eichenwälder erhalten. Durch die seit dem 17. Jahrhundert einsetzende Eisenindustrie benötigten die Hüttenmeister sehr viel Holzkohle. Nun änderte sich das Landschaftsbild erneut. Die Wälder verschwanden. Erst durch die Preußen begann ab 1815 die Wiederaufforstung der Eifel mit dem „Preußenbaum", der Fichte. Die schnell wachsenden Fichtenwälder lösten nun die typischen Eifel-bäume Buche und Eiche ab. Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hat sich das Landschaftsbild der Eifel nicht mehr wesentlich verändert. Die Eifel besitzt einerseits tief eingeschnittene Flusstäler und Hochplateaus von über 600 Meter Höhenlage; andererseits wieder leicht abfallende Flachgebiete zu den großen Flüssen Rhein und Mosel. Doch in den letzten Jahren trat eine Erscheinung im Landschaftsbild hinzu, die zu Kontroversen der Befürworter und Gegner geführt hat: die „Windmühlen". Überall trifft man heutzutage die rotierenden Flügel der Windenergieanlagen an, die das Landschaftsbild der Eifel verändern. Das ehemals ruhige Eifelland ist im wahrsten Sinne des Wortes in Bewegung geraten. Die klassischen Windmühlen, wie man sie von den Niederlanden kennt, spielten dagegen in der Eifel keine Rolle. Daher bedarf das Auge einer Gewöhnung an diese Veränderung. Doch die Eifeler nutzten seit Jahrhunderten die Kräfte des Wassers. Überall in der Eifel traf man auf Wassermühlen, die allerdings versteckt in Flusstälern lagen. Ihre Existenz störte das Landschaftsbild nicht. Sie besaßen eher einen romantischen Anstrich, wie das Lied „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach" einredet. Gerade die abgelegenen und versteckt liegenden Mühlen waren oft Schauplätze von Raubüberfällen.

2. Wind als Antriebsenergie

Außer seiner Muskelkraft nutzte der Mensch die Kraft des Wassers und des Windes. Erst als im Jahre 1973 eine Ölkrise zum Umdenken zwang, machten sich die Energiekonzerne Gedanken über alte Antriebsformen wie den Wind. Die Nutzung unserer fossilen Energiequellen wie Öl und Kohle neigt sich in den nächsten Jahrzehnten dem Ende entgegen. Allein durch die Gewissheit der Endlichkeit der Ressourcen stießen die Versuche der Energiekonzerne auf offene Ohren. In Kalifornien wurden Hunderte von Windrädern zu riesigen Windfarmen zusammengefasst. Holland, Dänemark und Deutschland entwickelten sich zu den Vorreitern der Alternativenergie Wind. 1983 baute das RWE bei Brunsbüttel die „Große Windkraftanlage" (GROWIAN) mit einem 100 Meter hohen Turm. 1988 wurde der Betrieb wegen Materialschäden aufgegeben. Die Reaktorkatastrophe im ukrainischen Tschernobyl gab den Befürwortern der Alternativenergien einen weiteren Schub. Hauptsächlich in flachen, küstennahen Landschaften Norddeutschlands und in den Mittelgebirgen, wo man glaubt, genügend Windenergie nutzen zu können, installierte man die ersten „Windmühlen". Windanlagen können nur dort laufen, wo Windgeschwindigkeiten mindesten drei Meter pro Sekunde betragen. Somit kam auch die Eifel für die Nutzung der Windenergie in Betracht. Neben den Vorteilen einer unerschöpflichen und sauberen Energiequelle gerieten die Windenergieanlagen aber auch in das Schussfeld der Kritiker. Diese führten eine „Verspargelung" der Landschaft ins Feld. Geräusche der Rotoren stören Anwohner. Der Disco-Effekt durch Schattenwurf und möglicher Eiswurf sind weitere Diskussionspunkte.

Egal, ob man Windenergie für unerlässlich hält oder ein Gegner ist, das Landschaftsbild der Eifel hat eine Veränderung erfahren.

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Windenergieanlage in der Nähe der Ortschaft Scheid

3. Geschichte der Windmühlen

Die ersten Windmühlen wurden nach dem Bericht eines arabischen Historikers aus dem Jahre 950 n. Chr. in einer Landschaft an der Grenze zwischen dem heutigen Iran und Afghanistan errichtet. In der Kreuzritterburg Saphet bei Ak-kon (Israel) konstruierten die Templer Windmühlen. Die erste urkundliche Erwähnung einer Windmühle in Europa stammt aus der Normandie. Das Kloster Saint Sauveur erhielt 1180 eine Landschenkung mit einer solchen Mühle. Eine

schnelle Verbreitung begann. Im 13. Jahrhundert gehörten die Windmühlen zum Landschaftsbild in Nordfrankreich und Flandern. Wo Wasserkraft zur Verfügung stand, lieferte diese die nötige Energie. Der Landesherr besaß das so genannte Mühlenregal, welches ihm das Recht zusprach, solche „Windkraftwerke" zu genehmigen. So legte in England ein Gesetz fest (1315), dass Mühlen zum Immobilienbesitz desjenigen gehörten, auf dessen Grund sie standen. Die erste deutsche Windmühle errichtet man 1222 an der Kölner Stadtmauer. Sie war eine Bockwindmühle, deren Gehäuse auf einem Holzständer (=Bock) ruhte. Dieser Mühlentyp diente fast ausschließlich dem Mahlen des Getreides. Eine ähnliche Funktion wies die Wippmühle auf. Hierbei überträgt eine Achse, an der die Flügel befestigt sind, die Drehbewegung auf eine Welle in den Unterbau. Sie diente der Ent- oder Bewässerung von Land. Die Paltrock-Mühle trieb meist eine Holzsäge an. Die Turmwindmühle mit ihrem konischen oder zylindrischen Gehäuse prägt das Landschaftsbild Südeuropas. Der „Holländer" ist eine Turmmühle. Die Topografie der Landschaft bestimmte letztendlich die Bauform der Mühle. Die Bespannung der Flügel regelte die Arbeitsteilung. Durch die Erfindung von Jalousien durch den Engländer Cubitt 1807 wurde das Auf- und Abnehmen der Segel überflüssig. Die Windrose, ein kleines Windrad, im rechten Winkel zu den großen Flügeln angebracht, ermöglichte eine automatische Steuerung der Mühle zum Wind hin. In Italien erschienen die „Windkraftwerke" schon früh, was durch ihre Erwähnung in Dante Alighieris „göttlicher Komödie" bestätigt wird. Erst später tauchten Windmühlen in Spanien auf. Cervantes lässt 1605 seinen Romanhelden Don Quixote mit den Tugenden eines längst verblichenen Rittertums und Realitätsverlustes gegen sie stürmen. Möglicherweise entstanden die ersten Windmühlen in der La Mancha durch eine Dürreperiode. Der Ritter als Maschinenstürmer kämpft gewissermaßen gegen eine moderne Welt, die die Windmühle verkörpert.

Die idealen Standorte der Windmühlen sind seit jeher die Küstenregionen, Ebenen und Inseln. Meister des Windmühlenbaus waren die Holländer. Sie nutzten die Windenergie für die Mehlproduktion, Ölpresse, zum Walken von Stoffen, Holzsägen und die Papierherstellung. Vor allem aber legten die so genannten Poldermühlen Feuchtgebiete trocken und trugen somit zur Landgewinnung bei. Kein geringerer als Zar Peter der Große studierte inkognito die holländische Mühlbautechnik und importierte dieses Wissen nach Russland, so dass Russland zu einer bedrohlichen Konkurrenz emporstieg. „Mühlenärzte" reparierten Windkraftwerke und reisten quer durch Europa, denn allzu oft fielen die Mühlen Blitzeinschlägen zum Opfer. Staubexplosionen konnten durch offenes Feuer oder heiß gelaufene Mahlsteine, die den schwebenden Mehlstaub explodieren ließen, verursacht werden. Windmühlen waren nicht nur wichtige Faktoren des Wirtschaftslebens, sondern sie dienten auch der Überlandver-ständigung. Über große Entfernungen teilte die Flügelstellung mit, wie es um ihr Anwesen bestellt war. Durch die Industrielle Revolution begann die Wirtschaft die Dampfkraft sowie Diesel- und Elektromotoren zu nutzen. So konnte man die Arbeitszeit genau regeln und unabhängig vom Wind produzieren. Über 1.300 Windmühlen allein in Deutschland verschwanden. Nur wenige sind heute in privaten oder öffentlichen Museen erhalten geblieben. Doch die Möglichkeit, Energie aus Windkraft zu gewinnen, ließ vor allem in flachen Landschaften Norddeutschlands Windenergieanlagen in Höhe schießen. Bis Ende März 2003 wurden dort 13.990 Windturbinen mit einer Gesamtleistung von 13.000 Megawatt installiert. Im Meer sollen Offshore-Anlagen entstehen. Ab Sommer 2004 werden nördlich von Borkum 12 Windturbinen mit je 5 Megawatt in einem Pilotprojekt erbaut. Ein einziger Generator liefert wegen der starken Winde genug Strom, um 5.000 Vierpersonenhaushalte zu versorgen. Bis 2010 sollen noch einmal 208 Windräder hinzukommen. Vor Sylt sind 80 Anlagen mit 240 Megawatt geplant.

In der Eifel konzentriert man die Installation neuer Windenergieanlagen an bereits bestehenden Anlageflächen, um das Landschaftsbild nicht noch weiter zu stören. In der Politik ist ein Streit um die Förderung der Anlagen ausgebrochen. Ingesamt bestehen in Deutschland 14.300 Anlagen mit 12.900 Megawatt, die gut 5 % des Stromverbrauchs abdecken. Ob aber in Zukunft der moderne Abkömmling der Windmühlen so manches Energieproblem lösen kann, bleibt dahingestellt.

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Windpark bei Hallschlag