Vom Korn bis zum Brot

Maria Ferdinand, Neroth

Matthias Gehendges beim Pflügen eines Feldes mit Kuhgespann, Neroth 1938

Im Herbst, wenn die Ernte eingebracht und die Felder kahl und leer waren, wurde schon an die bevorstehende Aussaat gedacht. Um diese Jahreszeit musste das Wintergetreide in den Boden. Das waren hier in der Eifel hauptsächlich Roggen und Weizen, in der Mehrzahl jedoch Roggen, denn daraus wurde Brot gebacken. Man musste damit das ganze Jahr auskommen, denn Brot kaufen war in dieser Zeit finanziell schon schwierig. Und wenn Brot knapp war, wurde mit Kartoffeln ausgeholfen. Dann sah man fast morgens auf jedem Frühstückstisch gebratene „Schrumpern" stehen, wie wir sie nannten.

Das Säen des Getreides war schon eine schwierige Sache, denn die Saat musste gleichmäßig kommen. Und so ging der Bauer mit einem Sack voller Körner, den er sich um die Schulter gebunden hatte, übers Feld, streute die Saat Hand- für Handvoll aus. Danach wurden die Körner noch einmal gut eingeeggt. Zum Schluss wurde ein geweihter Palmzweig in die Erde gesteckt und nun hoffte man auf gutes Gelingen. Die Sonntagsspaziergänge führten uns meistens zu diesen Äckern. Man freute sich von Mal zu Mal, wenn die Pflanzen wieder gewachsen waren, wie die Halme sich bildeten, Ähren kamen und allmählich zur Reife heran wuchsen. Die Farbe grün wich und bald sahen die Felder mattgelb aus. Wenn der Wind die Halme in Bewegung setzte, sah es aus wie ein Meer mit Wellen. Mitte bis Ende August war meistens Erntezeit. Bevor der Schnitt begann, wurde noch einmal geprüft, ob die Frucht auch ihre erforderliche Reife hatte. Dafür nahm man eine Ähre, zerdrückte diese in der Hand. Waren die Körner hart, konnte man mit dem Mähen beginnen. Das Handwerkszeug war eine Sense mit einem Holzgestell, das man Haferkorb nannte. Und eine Sichel brauchte man dazu. Sobald morgens der Nebel fort war, ging die ganze Familie aufs Feld. Als erstes mähte der Mann ganz akkurat Halm für Halm ab. Die Frau ging dahinter, die Sichel in der Hand und raffte das Getreide zu Garben zusammen. Die Garben wurden mit ein paar Halmen zusammen gebunden und dann jeweils neun Stück zu einem Kasten zusammengestellt. Die Kinder mussten die auf dem Boden zurück gebliebenen Ähren sammeln. Nun war die Arbeit getan und die Kasten wurden gradlinig in eine Reihe gestellt, um etliche Tage in der Sonne zu trocknen. Die Qualität des Mehles war davon abhängig. Dies war eine Zeit mit bangem Warten, und man freute sich, wenn es gut war, so dass man es nach Hause fahren konnte. Die erste Fuhre wurde sofort gedroschen. Am Eingang des Dorfes stand eine Dreschmaschine, die von der Gemeinde gestellt war. Sie wurde viel genutzt. Morgens in aller Frühe ging der Betrieb schon los. Man brauchte ja auch wieder neues Saatgut und in manchen Familien war das Mehl auch alle verbraucht und man schaffte sich damit wieder neuen Vorrat. In Neroth waren zwei Mühlen und die hatten in dieser Jahreszeit viel zu tun. Das restliche Getreide wurde mit einem Leiterwagen, einem Gespann von zwei Kühen, in die Scheune gefahren. Die Garben wurden nach System gelagert. Nun wartete man auf die Dreschmaschine, denn sobald die Äcker leer waren, fuhr diese von Haus zu Haus. Zum Dreschen brauchte man schon etliche Leute, die mit anpacken mussten. Am schwersten hatten es die Männer. Sie mussten die Säcke gefüllt mit Körnern über steile Treppen auf den Speicher tragen. Jede Frucht einzeln - durch ein Brett abgetrennt - wurde dann auf den Boden geschüttet. Das gedroschen Stroh kam auch in die Scheune und diente, oft mit dem Heu vermischt, zur Fütterung des Viehs. Aber hauptsächlich wurde es gebraucht als Streu. Am Abend nach getaner Arbeit waren alle sehr müde. Aber trotzdem, ein Gang auf den Speicher musste noch getan werden. Man freute sich über die gute Ernte, freute sich, dass für das nächste Jahr ausgesorgt war.

Und oftmals waren auch noch ein paar Zentner zum Verkauf übrig. Fast jede Familie in Neroth hatte einen Backofen. Der war in der Küche mit Natursteinen eingebaut. Auch benötigte man eine „Mole". Mit vier Holzbeinen und einer Platte wurde diese auch als Küchentisch benutzt. Am Abend vor dem Backtag wurde der selbst gemachte Sauerteig angesetzt, eine Mischung von Mehl und ein Rest von dem Brotteig, der in der Mole für das nächste Backen liegen blieb. Am anderen Morgen wurde dann aus Mehl, einer Hand voll Salz und lauwarmem Wasser ein dünnflüssiger Teig angerührt. In der Regel wurden so 12 bis 13 Brote gebacken. Nun musste es mäßig warm im Zimmer sein, denn der Teig musste aufgehen. Etwa eine Stunde benötigte man dafür. Für Wärme sorgte der Ofen, der jetzt angezündet wurde. Zum Heizen wurde Buchenholz verwendet. Stangen, etwa ein Meter lang und faustdick sollten sie sein. Wenn der Teig schon aufgegangen war, musste er weiter verarbeitet werden. Eine kleine Portion, die ausreichte für ein Brot, kam auf die Platte, wurde tüchtig mit Mehl geknetet, bis es eine feste, jedoch lockere Masse war. Diese wurde dann in ein Geflecht aus Stroh oder Weide getan. Dieses Gefäß nannte man „Körbel". Jetzt musste der Teig noch einmal gehen und man kannte das schon, wenn er gut war. Der Backofen wurde in der Zwischenzeit immer nachgeheizt. Man schaute öfters danach. Alles hatte seine Norm. Wenn die Steine hellgrau waren, hatte er seine Hitze erreicht und der Kohlenrest wurde säuberlich heraus genommen. Dies wurde jedoch nochmals geprüft, indem man eine Ähre an einer Stange befestigte. Diese wurde in den Ofen geschoben und an der Farbe der Ähre erkannte man, ob die erhoffte Wärme da war. Nun kam ein wichtiger Teil. Zwei Frauen standen bereit, um die Brotlaiben in den Ofen zu schieben. Die eine hielt das „Schooß", das war ein langer Stiel, wo ein Brett vorne befestigt war, in der Hand. Sie musste das Brot vorsichtig in den Ofen schieben. Die andere Frau tat den Teig, der die Form der „Körbel" angenommen hatte, auf das „Schooß" stürzen, etwas mit lauwarmem Wasser abwaschen, mit dem Messer einen kleinen Schnitt in die Mitte machen und ab ging es dann in den Ofen. Die Tür wurde zu gemacht und jetzt hoffte man auf ein gutes Gelingen. Die Backzeit betrug eine volle Stunde und dann kam der spannende Moment, wo es heraus genommen wurde. Dafür benutzte man wieder den „Schooß". Nun wurde es zum Abkühlen jedes einzeln auf die Treppe gestellt. Der wohlriechende Duft dieses gutschmeckenden Bauernbrotes breitete sich im ganzen Haus aus. Zum Aufbewahren kam es in den Keller. Dort war ein Brett an der Decke befestigt und dort wurde es dann gelagert. So etwa 14 Tage hielt das Brot seine Frische. Wie ich es hier geschildert habe, ist der Hergang, wie ich ihn noch aus meiner Jugendzeit in Erinnerung habe. Aber der Fortschritt ließ sich auch hier nicht mehr aufhalten. Dann kam die Maschine, was schon eine große Erleichterung für den Landwirt war. Und nach etlichen Jahren hörte man zur Erntezeit auf den Feldern nur das Geräusch der Mähdrescher.

Jakob Ferdinand beim Sähen des Brotgetreides mit Sähsack und Kuhgespann zum Eineggen der Frucht, Neroth 1940