Das Dornröschen-Kraftwerk

Thea Merkelbach, Pelm

Wie in anderen Gegenden waren es auch in der Eifel die fortschrittlichen Müller, die als erste mit der Wasserkraft Strom erzeugten. Zuerst produzierten sie Strom für den Eigenbedarf, dann belieferten sie einzelne Häuser in der Umgebung und bald ganze Ortschaften. Matthias Knöt-gen hatte in Bruch im Kreis Wittlich in seiner Sägemühle bereits für den Eigenbedarf Strom erzeugt und 1908 in Pelm eine Wasserkraftanlage gebaut. Auch in Densborn baute er eine Wasserkraftanlage, die ab 1923 Strom erzeugte. Knötgen leitete von der Kyll Wasser zum E-Werk und gleichzeitig staute er den Dörrbach, der von der Höhe von Neuheilenbach floss, mit einer Staumauer, so dass er Stauwasser und Fließwasser nutzen konnte.

E-Werk Densborn. Von links nach rechts: Erwin Pickau, Densborn, Kontrolleur der Anlage, Richard Kail, Rittersdorf, Besitzer (Betreiber) der Anlage, Günter Knötgen, Daun, Enkel des Erbauers

Er baute drei Turbinen ein, je eine Francisturbine für den Dörrbach und die Kyll, und für die Kyll noch zusätzlich eine Kaplanturbine. Letztere war zur damaligen Zeit das Modernste auf diesem Gebiet. Sie ähnelt einem Schiffspropeller mit einem hohen Wirkungsverlauf auch bei geringer Fließgeschwindigkeit. Ihre verstellbaren Schaufeln können sich zusätzlich zu den Leitschaufeln der Turbine der Wassermenge anpassen. Die Francis-Turbine, die ältere von beiden, ist dagegen nur einfach reguliert. Sie erbrachte 60 kW, während die Kaplan-Turbine 80 kW leistete. Eine solche Turbine brachte gegenüber dem normalen Wasserrad einen wesentlich höheren Wirkungsgrad, bis zu 87 Prozent. "Dieser Wert übertrifft bei weitem alle anderen Formen der Energieer-zeugung."1) Als das E-Werk gebaut wurde, herrschte Inflation in Deutschland. Günter Knötgen erzählt: "Wenn mein Vater Wilhelm mit zwei Koffern voll Geldscheinen von Köln von der Bank kam, war das Geld bei seiner Ankunft nur halb so viel wert. Entlöhnung war immer freitags, damit die Leute samstags noch einkaufen konnten, ehe das Geld noch weniger wert war." Neben dem E-Werk wurde das Haus für den jeweiligen Schaltwärter erbaut, der mit der ganzen Familie dort wohnen konnte. Seine Aufgabe war die Überwachung der Station und regelmäßige manuelle Reinigung des Rechens. In der Jubiläumsbroschüre 1100 Jahre Densborn' heißt es: "1923 -Elektrisches Licht. Fastnachtsmontag wurde der elektrische Strom eingeschaltet. Die Zentrale wurde von der Firma Frankenberger und Co. Köln gebaut. Das Wasser des Dörrbaches wurde zu diesem Zwecke in eine Turbine geleitet. Vorläufig brennt das Licht nur vom Einbruch der Dunkelheit bis 24.00 Uhr und morgens 5.00 Uhr, bis es hell wird. Stromlieferant ist die Gemeinde. Strompreis ab Dezember 0,50 Mark/kW"2) Das kleine Kraftwerk belieferte ganz Dens-born und Mürlen-bach mit Strom. Die Gemeinden rechneten mit Knöt-gen ab. Mittlerweile war der Sohn Wilhelm mit im Geschäft. Am 2. November 1926 wurde in Köln ein Vertrag geschlossen von ".. Wilhelm Knötgen, Mechaniker, Pelm früher Ro-denkirchen, zur Errichtung der Eifeler Kraftwerke mit beschränkter Haftung zu Dens-born."3)

Automatischer Rechen

Durch starke Regengüsse stand 1925 die Staumauer des Dörrbachwehres unter solchem Druck, dass sie zusammenbrach. Sie wurde nicht mehr neu errichtet. Strom wurde jetzt nur noch mit dem Wasser der Kyll produziert. Im Sommer 1928 "übernahm der Kreis Prüm das hiesige Elektrizitätswerk. Unter dem Namen 'Eifelkraftwerk des Kreiselektrizitätsamtes Prüm in Densborn' versorgte es zum Teil den Kreis Prüm mit Licht und Kraft"4) Nach einigen Jahren ging die Anlage, wie viele andere Kleinkraftwerke, in den Besitz des RWE über. Man war froh über eine Verstärkung der Stromversorgung in Richtung Kyllburg, da diese Leitung bisher nur schwach ausgelegt war. Auch als während der letzten Kriegsmonate viele Stromleitungen, Transformatoren und Umspannwerke zerstört wurden, produzierte Densborn, obwohl stark beschädigt, weiter. Nach Kriegsende legten amerikanische Soldaten eine provisorische Leitung von Densborn aus zur Stromversorgung ins Gerolsteiner Krankenhaus. Am 12. September 1945 schrieb das Betriebsbüro Gerolstein des RWE an den Landrat, er möge unverzüglich veranlassen, dass die Reparaturarbeiten am Dach ausgeführt werden. "Die Versorgung des Kreises Prüm erfolgt in Kürze von Trier aus, ausschließlich über das Schalthaus in Densborn. Die steigende Belastung im Kreis Prüm kann nicht mehr wie bisher über das Hochspannungsnetz Daun erfolgen, weil die Leitungen hier völlig überlastet sind. Bei Ausfall des Schalthauses Densborn wird die gesamte Versorgung des Kreises Prüm, unter Umständen für Wochen, während der zu erwartenden Regenperiode gefährdet."5)

Am 29. September wies das Betriebsbüro in einem weiteren Schreiben auf die Dringlichkeit der Reparatur hin, wobei die "Bedeutung dieser Anlage für die Versorgung des Kreises Prüm"6) nochmals hervorgehoben wurde. Man sieht, welche wichtige Rolle das kleine Wasserkraftwerk und Schalthaus Densborn vor, während und nach dem 2. Weltkrieg spielte. Zu dieser Zeit wohnte im Wohnhaus neben der Station der Schaltwärter Betzer mit seiner großen Familie. Er war für den reibungslosen und störungsfreien Betrieb des kleinen E-Werkes verantwortlich. Von seiner Frau erzählte man, dass sie mit einer einfachen aber wirkungsvollen Methode ihrem Mann klarmachte, den Wirtschaftsbesuch im Dorf zu beenden. Sie schaltete kurz den Strom ab und Densborn samt Gasthof lagen im Dunkeln. Um keinen Ärger zu bekommen, machte sich Schaltwärter Betzer schnell auf den Heimweg. Die Frau saß eben 'am längeren Hebel'. Eine ähnliche Geschichte erzählten die Nachkommen auf der Molitorsmühle in Bruch. Wenn die Müllersfrau ihren Mann aus der Dorfwirtschaft holen wollte, unterbrach sie einige Male den Strom und der Müller wusste Bescheid. In den letzten Jahrzehnten hat das RWE die Anlage als Studienobjekt für den Nachwuchs weiter betrieben. Hier konnten die Lehrlinge sehen, wie man zu Großvaters Zeit Strom gewann. Die Jugendlichen campierten im Zeltlager neben dem Schauobjekt und führten kleine Reparaturmaßnahmen durch. Die Anlage wurde weder renoviert noch modernisiert. Der Zahn der Zeit nagte am Gebäude und die Außenanlage verwilderte vollkommen. Deshalb nannte man das E-Werk Densborn das "Dornröschenschloss." Lehrer Pickan, zeitweise auch Bürgermeister des Ortes, besaß den Schlüssel und kontrollierte regelmäßig die Anlage. Ihm war der Erhalt dieses kleinen E-Werkes ein besonderes Bedürfnis. Der Dornröschenschlaf hielt solange an, bis der Prinz in Gestalt von Richard Kail aus Rittersdorf sich des kleinen Kraftwerkes annahm. Herr Kail, selbst Besitzer einer Wasserkraftanlage, küsste Dornröschen wach. Zu dieser 'Belebung‘ (Übernahme 1. Mai 2003) brauchte er viel Zeit und Geld, um alles zu restaurieren vom Mauerwerk über die Turbinen bis zum neuen Dach und einer automatischen Rechenanlage. Mit 140 kW - 80 von der Kaplan-Turbine und 60 von der Francis-Turbine - wird saubere Energie gewonnen und in das Netz des RWE eingespeist. Vom Ableitungswehr bis zum Einlauf in die Kyll ist durch eine angemessene Restwasserführung eine Ruhezone für Fischlaich entstanden, und das Wasser wird durch das Wehr mit Sauerstoff angereichert. Die Anlage reicht für 200 Haushalte, ein Haushalt mit 2 Erwachsenen und zwei Kindern berechnet. Von dem Pionierwerk des Matthias Knötgen ist in Pelm nichts mehr geblieben, aber in Dens-born lebt sein fortschrittlicher Geist weiter.

Quellen:

Arbeitsgemeinschaft Eifeler Museen (Hg): "Der Strom kommt"

1) Jubiläumsbroschüre: "1100 Jahre Densborn, 893 - 1993"

2) u. 4) Unterlagen aus dem Besitz von Günter Knötgen, Daun

3) Unterlagen aus dem Besitz von Erwin Pickan, Densborn

5) u. 6) Mündliche Berichte von Günter Knötgen und Richard Kail