In vino veritas -
in aqua autem vis

Im Wein ist Wahrheit - in Wasser dazu auch die Kraft

Thea Merkelbach, Pelm

Am Beginn der Stromerzeugung stand die Wasserkraft. Die ersten Elektrizitätswerke waren die Wassermühlen mit ihren Turbinen. Matthias Knötgen, in Niersbach Kreis Wittlich geboren, betrieb um 1891 dort ein Sägewerk, wo er bereits für den Eigenbedarf mit Wasser Strom erzeugte (Ortschronik Bruch, Kreis Wittlich). Sein Sohn Wilhelm bastelte als Jugendlicher eine eigene Zuleitung in sein Zimmer, um elektrisches Licht zu haben. Gleichzeitig erzeugte die Molitormühle im Ort Strom für die ganze Gemeinde. Matthias Knötgen war begeistert von der Möglichkeit, mit der Wasserkraft Strom zu erzeugen. Seine Hochzeitsreise mit seiner zweiten Frau führte ihn auch zur Kasselburg bei Pelm. Vom Turm der Burg aus nach Seiderath hinüberblickend, erfasste er mit einem Blick die wichtigen Voraussetzungen eines nahezu idealen Standortes für eine weitere Wasserkraftanlage: den nötigen Höhenunterschied, sowie den steilen Abfall von Seiderath zur Dauner Straße auf die Höhe der Kyll und das Tal des Berlinger Baches. Die Gedanken daran ließen ihn in der nächsten Zeit nicht los, und so kehrte er bald nach Pelm zurück. Er verfolgte den Berlinger Bach bis nach Berlingen zur Mühle Kirwel und von dort nach Kirchweiler bis zur Quelle. Er beschaffte sich die Genehmigung durch den Kreisaus-schuss zum Gebrauch des Wassers (die Eintragung des Wasserrechts erfolgte am 3.3.1924 in das Wasserbuch der Wasserbehörde in Trier) und begann 1908 mit der Verwirklichung seiner Idee.

Wilhelm Knötgen und sein Chrysler


Er benötigte dazu eine große Summe in Goldmark (bei einer Taxation im Jahr 1924 war der Betrieb mit der Anlage 106 000 Goldmark wert). Da sein Eigenkapital dazu nicht ausreichte, musste er sich Geld leihen. Der Berlinger Bach wurde unterhalb der Mühle Kirwel in ein Wehr ge
leitet, und von dort floss das Wasser mit leichtem Gefälle in glasierten Tonrohren, Rohrlänge 107 cm, Durchmesser 50 cm, über den Seiderather Berg in einen Hochbehälter mit zwei Kammern, von der jede 1200 cbm fasste. „Die waren so groß, dass man zwei Häuser hinein stellen konnte“, sagt Günter Knötgen, der Enkel von Matthias. Die Zuleitungsrohre lagen auf einer Strecke von 1390 Metern von einem bis zu drei Meter unter der Erdoberfläche. Vom Hochbehälter floss das Wasser in einer rund 300 m langen Druckleitung in Mannesmann-Stahlrohren 80 m tief nach unten und weiter durch die Kyll bis zum Schlossbrunnen. So wurde mit wenig Wasser eine enorme Kraft entwickelt. Eine Hochdruck-pellon-Turbine der Firma Voith in Heidenheim erzeugte dann vor Ort den Strom. Bald wurde dem tüchtigen Konstrukteur und Tüftler Matthias Knötgen klar, dass durch die lange Führung zu viel Kraftverlust entstand. Deshalb ließ er die Turbine am Schlossbrunnen ausbauen und errichtete unterhalb des Hanges neben der Straße, einen Turbinenkeller mit Stromgenerator und leitete die 80 PS Strom mit einer Freileitung zum Brunnen. Im Vertrag vom 12. Nov. 1926 zwischen der Eifeler Kraftwerke GmbH, und dem Schlossbrunnen verpflichtete sich Knötgen, die gesamte Strommenge zur Verfügung zu stellen, "ausgenommen ca. 5 PS für den Eigenbedarf.“ Der Brunnen zahlte 4 1/4 Pfennige und die GmbH Knötgen musste die "Wasserfassung und Wassersammelanlage instand halten ... Drehstrom-Generator mit Zubehör sowie Schalttafeln auf ihre Kosten anschaffen." Auch die Erstellung der Freileitung und deren Unterhaltung übernahm der Stromerzeuger. Abgelesen wurde der Strom am Zählwerk im Brunnen durch Herrn Knötgen und einen Vertreter des Betriebes; die Bezahlung erfolgte am 10. eines jeden Monats in bar. Matthias Knötgen beschäftigte sich auch mit einer möglichen Stromleitung zum Ge-rolsteiner Bahnhof. 1921/22 baute er neben die Turbinenanlage das Wohnhaus und eine Werkstatt (heute Autohaus Klasen). Der Schlossbrunnen wurde bis 1937/38 mit Strom beliefert. Da der Betrieb aber immer mehr Strom benötigte, reichten die 80 PS nicht mehr aus und das RWE übernahm die Stromversorgung.

Matthias Knötgen und sein Maschinengewehr, 1. Weltkrieg


Günter Knötgen berichtet, dass sich unterhalb der Berlinger Mühle das Wehr befand, wo zwei Gitter Laub und Geäst auffingen. "Als Kind musste ich nach der Schule über Seiderath zum Wehr, um die beiden Gitter zu säubern. Das Außengitter bestand aus Rundeisen von Fingerdicke. Das zweite Gitter, etwa ein Meter breit, war aus Flacheisenstäben gefertigt, die eng beieinander standen." Auch Köbbes, ein Original aus Berlingen, durfte die Gitter reinigen und holte sich dafür jede Woche stolz seinen Lohn samt einem Schnaps und einigen Zigaretten bei Knöt-gens ab. Da er aber nicht so ganz zuverlässig war, musste der Schulbub Günter des öfteren nach der Schule über Seiderath zum Wehr laufen, um die Gitter zu reinigen, im Herbst wegen der großen Laubmenge oft mehrmals am Tag.
Der Techniker und Erfinder Matthias Knötgen starb 1927, und sein Sohn Wilhelm, Jahrgang 1893, führte das Werk des Vaters weiter. Er war gelernter Maschinenbaumeister und später auch KFZ-Meister. Die Stromerzeugung funktionierte reibungslos, bis Ende der 1930-er Jahre Probleme mit der Wasserzufuhr auftraten. Die Tonrohre waren damals mit einem geteerten Strick um die Muffen herum abgedichtet und mit heißem Teer zugeschmiert worden. Mit der Zeit wurde der Teer brüchig und Wasser trat aus. In die Lücken waren teilweise drei bis vier Meter lange Baumwurzeln hinein gewachsen und hatten durch Wucherungen die Rohre verengt. Um nun auf der etwa 1390 Meter langen Strecke diese Stellen zu finden, ließ man einen Fußball an einem Strick befestigt in den Wasserlauf hineintreiben. Sobald der Ball sich nicht weiter bewegte, also blockiert wurde, markierte man das Seil, zog den Ball heraus, legte das Seil auf dem Erdboden aus und ermittelte so genial und einfach die Stelle, die aufgegraben werden musste.

Auch als der Schlossbrunnen kein Stromkunde mehr war, erzeugte das Wasserwerk Strom für den Eigenbedarf. Und der war beachtlich! Denn Wilhelm Knötgen führte weit und breit den modernsten Betrieb mit mehreren Drehbänken, Hobelbänken, einer Metallhobel- und einer Fräsmaschine. Die Kundschaft kam aus der näheren Umgebung, aus dem Kreis Ahrwei-ler und von der Mosel. Für Mühlen und Sägewerke wurden Wellen und Lager angefertigt, Wurstmühlen wurden repariert und Brecherplatten für den Rockeskyller Steinbruch geschliffen, um nur einiges zu nennen. Von der Turbine zum Generator lief ein 40 cm breiter Flachriemen aus festem Gewebe. Dieser musste immer wieder verkürzt werden, wenn er sich gedehnt hatte. Später scheute Knötgen nicht die teure Investition für einen speziell angefertigten EndlosRiemen. Durch die Maschinenhalle, 35 m lang und 10 m breit, liefen die schmaleren Antriebsriemen zu den Werkbänken. Im 2. Weltkrieg gab es für die Werkstatt wenig zu reparieren, da die meisten Autos und LKW's von der Wehrmacht beschlagnahmt waren. Eine andere Möglichkeit ergab sich zufällig. In Düsseldorf wurde von der Firma „Invertit“ Filtermaterial zur Wasseraufbereitung hergestellt. Das spezielle Steinmaterial bezog sie seit langem vom Steinbruch der Familie Bernardy/Kirstgen (Haus Thönnes) in Essingen. Diese Steine wurden mit einer Steinmühle zu Filtermaterial zermahlen. Da man befürchtete, dass Düsseldorf bombardiert werde, suchte die Firma vorsorglich einen neuen Standort. Das Gebäude und die Stromanlage der Firma Knötgen boten sich dazu gerade an. 1940/41 wurde die Mühle in Düsseldorf aus- und in Pelm wieder eingebaut.

Und so stellte man in Pelm mit der Wasserkraftanlage Knötgen aus Essinger Steinen als kriegswichtiges Material Wasserfilter für Krankenhäuser, U-Boote und besonders für Lazarette her. Die Firma Invertit in Düsseldorf existiert auch heute noch. Sie stellt weiterhin Wasserfilter her, jedoch nicht mehr aus Essinger Steinen, sondern aus einem Nebenprodukt der Teergewinnung. Herr Burgscheid von Invertit erklärte, wie man damals auf diesen speziellen Tuffstein (Palagonit) in Essingen gekommen sei. Die damaligen Besitzer der Firma seien mit der 'Kaffeemühle', d.h. mit einer kleinen Handmühle, durch die Eifel gezogen, um für ihre Zwecke das passende Material zu finden. Während vor dem Krieg die Steine mit dem Pferdefuhrwerk zum Pel-mer Bahnhof gebracht wurden, fuhren nach dem Krieg bis etwa 1970 die LKW's der Firma Schlacks die Steine nach Düsseldorf. Im Herbst 1962 kam das Ende für das kleine E-Werk Knöt-gen. Mittlerweile führte Günter Knötgen, Jahrgang 1929, den Betrieb. Nachts schaltete man die Turbinen ab, um Wasser zu sparen. Als Knöt-gen eines Tages morgens die Anlage anschaltete, hörte er einen sehr lauten Schlag und das Manometer fiel von acht Atü auf null. Das konnte nur ein Rohrbruch sein, entstanden durch die jahrelangen Erschütterungen durch die Bahnstrecke von Pelm nach Daun, unter der die Rohre durchführten. Knötgen reagierte sofort und schrie den Hausbewohnern zu: "Raus! Raus!" Seine Frau packte schnell ihre drei kleinen Kinder und rannte die Treppe runter. Sie war kaum mit den Kindern auf der Straße, als die Holztreppe zusammenbrach, und das Wasser schon aus den zerplatzten Fenstern strömte. Herr Knötgen fuhr schnell mit dem Auto zum Bahnhof Pelm und bat den Bahnhofsvorsteher, sofort den Dauner HalbAcht-Uhr-Zug zu stoppen, was der auch tat. Dann fuhr er zurück auf Seiderath zu den beiden Hochbehältern.

Dort stieg er unter Lebensgefahr eine Steigleiter hinunter zu den Sperrschiebern, um die Wasserzufuhr aus den Becken zu stoppen. "Hier muß ich meinem Vater ein großes Kompliment machen", sagt Knötgen. "Er hat immer darauf geachtet, dass die Schieber kontrolliert und geölt wurden". Sie funktionierten sofort und die Gefahr war somit gebannt. Wilhelm Knötgen wollte das E-Werk wieder in Gang bringen. Sein Sohn entschied sich aber dagegen, wenn ihm diese Entscheidung gegen den Vater auch sehr schwer fiel. Was ist von der ehemals modernen Wasserkraftanlage nach rund hundert Jahren übrig geblieben? Die Tradition des Pelmer Autohauses Knötgen führt heute die Firma Klasen fort. In der Erde ruhen noch die glasierten Ton- und Stahlrohre der Druckleitung, die Bassins sind zugeschüttet, und die Turbine lagert bei Günter Knötgen, dem Enkel des Gründers der Eifeler Kraftwerke GmbH.

Quellen:

Schriftliche und mündliche Informationen von Günter Knötgen, Daun